Seat tankt erneuerbar mit Erdgas aus Bioabfällen

Projekt „Life Landfill Biofuel“

Seat tankt erneuerbar mit Erdgas aus Bioabfällen
80 Prozent weniger CO2 durch dei Verwendung von Bio-Methan. © Seat

Seat setzt beim Antrieb mit großem Nachdruck auf Erdgas. Dazu gehört auch, dass man CNG aus organischen Rest- und Abfallstoffen gewinnt.

Mit dieser Art der Kreislaufwirtschaft lassen sich schon jetzt massiv Treibhausgase bei Herstellung und späterer Verbrennung einsparen. Angesichts der Diskussion um die Elektromobilität tritt der Erdgasantrieb derzeit in der Wahrnehmung in den Hintergrund. Dabei sprechen viele Vorteile für diesen Antrieb, nicht zuletzt ökologische. Vor allem dann, wenn er mit Bio-Methan betankt wird.

CNG ist per se umweltschonender als Benzin und Diesel und kann in jedem modifizierten Ottomotor verbrannt werden. Mit Biogas als CNG wird die ökologische Bilanz noch besser. Genau damit beschäftigt sich Seat. Und warum sollten aus bisher 15 Prozent Bio-Anteil bei genügend aus Abfall produziertem CNG nicht hundert werden? Die Autos verkraften dies schon heute. Dauertests laufen.

Life Landfill Biofuel Projekt läuft auf Hochtouren

Besonders interessant wird es also, wenn der Kraftstoff fast klimaneutral bereitgestellt werden kann, wie Seat dies federführend im Projekt ‚Life Landfill Biofuel‘ mit Bio-CNG betreibt, wo Kraftstoff aus kommunalen Abfalldeponien gewonnen wird. Premium-Schwester Audi hat mit dem g-tron auch ein Erdgasauto im Programm, setzt als Treibstoff aber auf Bio-Erdgas, das mit Hilfe von regenerativem Strom und CO2 aus der Luft hergestellt wird.

Schon ohne diese zukunftsweisenden Technologien ist Erdgas der kohlenstoffärmste fossile Energieträger. Wenn die Erdgasfahrzeuge pures Bio-CNG tanken, ist diese Art des Antriebs unschlagbar – insbesondere bei der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Autos.

Problemlose Lagerung

Allein in Spanien, wo das Projekt von Seat seit geraumer Zeit läuft, könnten nach Berechnungen des Herstellers schon nächstes Jahr 1,5 Millionen Autos mit Biokraftstoff fahren. Wenn man bedenkt, dass allein in Barcelona eine Person am Tag 1,5 Kilogramm Müll produziert, dann nur 30 Tage vergehen, bis der Bioabfall zu 65 prozentigem Methan recycelt und nach Raffination mindestens 90prozentiges Biomethan in Kraftstoffqualität entstanden ist, muss einem um eine klimaschonende Mobilität nicht bange werden.
Gelagert werden kann das mit mehr als 200 bar komprimierte Biomethan als Bio-CNG heutzutage problemlos. Nicht zu vergessen: Der Tank ist binnen drei Minuten gefüllt. Davon können Elekromobilisten allenfalls dauerhaft träumen.

Fakt ist: Biogas oder Bio-CNG ist eine sehr klimanschonende Alternative zu fossilen Brennstoffen, die real zur Verfügung steht. Drei wesentliche Vorteile vereint der Bio-Kraftstoff in sich: er ist unmittelbar verfügbar, äußerst wirtschaftlich und nicht zuletzt umweltfreundlich. Gerade der Umweltaspekt ist in Zeiten, in denen Treibhausgasemissionen europaweit verboten werden sollen, von höchster Bedeutung. Allein mit dem Biomüll, der auf den Müllbergen des Ecoparc 2 in Barcelona anfällt, lässt sich jede Menge Eco-Sprit gewinnen. „Mit dem anfallenden Biomüll können wir genug Biomethan produzieren, um mit 10.000 Autos jedes Jahr eine Strecke von 15.000 Kilometern zurückzulegen“, präzisiert Andrew Shepherd, der bei Seat das Projekt leitet.

Seat pusht CNG

Tanken mit Erdgas: Genauso einfach wie bei einem reinen Benziner oder Diesel. Foto: Seat

Skoda, Seat und sogar Volkswagen selbst forschen am Erdgasantrieb, Audi treibt schon seit Jahren vor allem die Wasserstoff- und Brennstoffzellenentwicklung voran. Letzterer Forschungszweig scheint dem Konzern nicht wichtig. Man wolle sich nicht mit einzelnen Wasserstofftankstellen verzetteln, sondern zügig die flächendeckende Ladestruktur für die Elektromobilität pushen, heißt es auf Nachfrage aus dem Konzern. Das erinnert an den drastischen Ausspruch von VW Chef Herbert Diess, wonach dieser verkündete, es gebe keinen Plan B für Volkswagen. Zu Deutsch: Volle Entwicklungs- und finanzielle Kraft aufs Elektroauto. Zu befürchten ist, dass diese Auffassung zu gebremstem Schaum bei der Entwicklung weiterer Erdgasmodelle im Konzern führen dürfte.

Dennoch: Volkswagentochter Seat ist so frei, an vorderster Front der Marken zu sein, die auf Erdgas setzen. TGI nennen die Spanier ihre Motorentechnologie, die sowohl mit komprimiertem Erdgas (CNG) als auch mit Benzin betrieben werden kann. Die Palette der bivalent angetriebenen Fahrzeuge bei Seat ist mit dem Kompakt-SUV Arona TGI, dem Leon TGI, Leon Sportstourer ST TGI und Ibiza TGI erfreulich groß. Ob weitere Modelle dazukommen, dazu wollte sich Seat nicht äußern. Nur so viel: „Unsere Seat CNG Fahrzeuge bleiben auf jeden Fall Bestandteil unserer Modellpalette.“ Derzeit pusht man seine TGI-Modelle mit einer Gleichpreisstrategie.

Komisch eigentlich, dass Elektrofahrzeuge kostenlos parken dürfen. Statt Technologieoffenheit heißt das wohl eher Wettbewerbsverzerrung. Trotzdem können sich die Verkaufszahlen der Erdgasfahrzeuge von Seat sehen lassen: „Wir konnten bislang in jedem Monat des Jahres 2019 die Verkaufszahlen der einzelnen CNG Modelle steigern. Im November lag ihr Anteil bei allen vier Modellen bei rund elf Prozent“, gibt Seat bekannt.

Mit Abfall im Tank auf Achse

Der Antrieb ist Balsam für das ökologische Gewissen der Fahrer mit Verbrennungsmotor, denn der Fußabdruck fällt deutlich besser aus als bei Verbrennern mit Benzin oder Diesel. Der TGI Motor wählt automatisch den Erdgasbetrieb, schaltet auf Benzin nur um, falls nötig. Also ähnlich den Hybridfahrzeugen, jedoch mit dem großen Unterschied, dass als Antrieb nur ein Motor, der Verbrennungsmotor, verbaut werden muss und zudem sichergestellt ist, dass das Fahrzeug umweltfreundlich unterwegs ist, es sei denn, das Erdgas ist alle.

Weil die Tankmöglichkeiten für Erdgas zulegen, kommt man hierzulande mit einem Erdgasfahrzeug weitestgehend ohne Benzin aus, kann wie ein Elektromobil überall hinfahren, muss keine City Maut bezahlen und kommt steuerlich günstiger weg. Durch die Kraft der zwei Tanks gilt für jedes dieser Seat Modell: fährt und fährt und fährt. Die Reichweiten lassen Elektromobilisten vor Neid erblassen. Leider hat sich das in europäischen Nachbarländern wie ausgerechnet Frankreich mit seiner ausgedehnten Agrarwirtschaft noch nicht wirklich herumgesprochen.

Die Zahlen pro Erdgasautos sprechen für sich: Der Einsatz von hundert Prozent Biogas im Verkehrssektor könnte die gesamten Treibhausgas-Emissionen eines Fahrzeugs um bis zu 97 Prozent gesenkt werden. Dabei ist auch Bio-CNG deutlich günstiger als Benzin oder Diesel. Zudem liefert ein Kilo des komprimierten Gases 1,5 mal so viel Energie wie ein Liter Super Benzin. Einziger Nachteil sind die nach wie vor großen Tanks, was in aller Regel zu Lasten der Kofferraumgröße geht.

Mülldeponien als Schatztruhen für Mobilität nutzen

Unverdrossen testet Seat das Bio-CNG, das aus Mülldeponien gewonnen wird. Federführend nimmt der spanische Automobilhersteller teil am Projekt ‚Life Landfill Biofuel‘, das von der Europäischen Kommission kurz vor dem Amtsantritt der neuen EU Präsidentin Ursula von der Leyen genehmigt wurde und mit einem Budget von insgesamt 4,3 Millionen Euro (55 Prozent davon EU finanziert) vier Jahre lang läuft. Der so gewonnene Kraftstoff wird nahezu ausschließlich aus organischen Rest- und Abfallstoffen gewonnen und kann eine ausgewogene CO2-Bilanz vorweisen. Stand heute emittieren Fahrzeuge, die mit gewöhnlichem CNG unterwegs sind, im Vergleich zu Benzinern und Dieseln bis zu 25 Prozent weniger CO2, bis zu 95 Prozent weniger Stickoxid und bis zu 99 Prozent weniger Rußpartikel.

Ziel bei Seat ist es, mit dem Projekt eine CO2-schonende Kreislaufwirtschaft in Gang zu setzen, deren Produkt Bio-CNG sich problemlos mit dem Verbrennungsmotor verträgt. Derzeit sind vier Seat Fahrzeuge mit Biomethan im Dauertest. Nach einer Laufleistung von mindestens 30.000 Kilometern soll dessen Auswirkung auf die Motoren untersucht werden. Ingenieur Shepherd zu den Möglichkeiten von Bio-CNG: „Dieses erneuerbare Biomethan kann die Antwort auf einige drängende Probleme sein, die sich uns heute stellen. Zum Beispiel können wir damit einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten sowie Abfall und Treibhausgase reduzieren, da bei der Produktion und Verwendung von Biogas 80 Prozent weniger CO2 ausgestoßen wird als bei der Verbrennung von Benzin.“

Gute Umweltbilanz

Seat forscht an der Gewinnung von Bio-Methan.

Schon bei fossilem Erdgas mit 15 Prozent Biomethananteil kommt der ADAC in seinem Klimacheck zum Ergebnis, dass das Erdgasfahrzeug die beste Treibhausgas-Bilanz vorweisen kann. Elektroautos, die mit dem deutschen Strommix geladen werden, schneiden derzeit allesamt schlechter ab. Der ADAC weiter: Erst mit regenerativer Energieerzeugung fahren die Stromvarianten und das Brennstoffzellenfahrzeug klimafreundlicher. Letzteres, die regenerative Energieerzeugung, wird allerdings nicht von heute auf morgen funktionieren.

Umso wichtiger sind da Projekte wie das von Seat, das darauf abzielt, die vorhandenen Erdgastankstellen schon bald mit dem klimafreundlichen und letztlich, so wünscht man den Forschern, gar klimaneutralen Bio-CNG zu beliefern. Was Seat hier intensiv erforscht, verdient mit Fug und Recht den Titel Schlüsseltechnologie.

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Susanne Roeder
Während des Studiums der englischen und klassischen Philologie in Freiburg, Cambridge, Oxford und Promotion in englischer Sprache arbeitete sie bei BBC Radio Oxford und deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern. Bei einer Agentur mit Mercedes als Hauptkunden begann ihre Liebe für Automobile. Nach Stationen als Pressesprecherin in der Industrie ist sie mit Globaliter Media selbständige Journalistin.

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