Mit Weitblick sparen

Zukunftsnavigation

Den Autoherstellern setzen die preiswerten Navigationssysteme aus dem Zubehörhandel mächtig zu. BMW will die hauseigenen Routenfinder zukünftig mit der Motorelektronik koppeln und so Kraftstoff sparen.

Von Stefan Grundhoff

Auf der Suche nach dem rechten Weg greift heute niemand ernsthaft mehr zu Atlas oder Straßenkarte. Die Navigationssysteme haben sich in den letzten Jahren flächendeckend durchgesetzt. Während hochpreisige Fahrzeuge zumeist mit integrierten Navigationssystemen ausgestattet sind, setzen die Fahrer von Klein- und Kompaktwagen auf preiswerte Saugnapflösungen. Kosten zwischen 100 und 450 Euro und sind kaum schlechter als die 1800 bis 4000 Euro Komplettsysteme. Mit neuen Technologien wollen Autohersteller Zubehörfirmen wie Navigon, TomTom oder Becker das Leben schwerer machen und die eigenen Ausstattungsquoten nach oben treiben.

Effizienteste Wegstrecke

BMW war einer der ersten Hersteller, der in seinen Einbaulösungen nicht nur die schnellste und kürzeste, sondern auch die effizienteste Wegstrecke zur Routenwahl anbot. In der Münchner Forschungsabteilung ist man jedoch deutlich weiter. Die ersten Prototypen weisen den rechten Weg auch dann, wenn man die Routenführung gar nicht aktiviert hat. Unter dem Arbeitstitel «Ilena - intelligente lernende Navigation» werkeln die BMW-Hirne an einem Navigationssystem, das die Route vorhersagt, ohne dass man sie eigeninitiativ angewählt hat. Besonders sinnvoll, wenn so auch noch Kraftstoff einspart werden kann. Entwickler Andreas Winckler: «Wenn wir diese prädiktive Navigation mit den Bausteinen von Efficient Dynamics verbinden, sind in der Praxis Einsparungen von fünf bis zehn Prozent an Kraftstoff möglich.“

Das Auto ist längst eine rollende Sensoreinheit. Auf der einen Seite gibt es Navigationsdaten, Uhrzeit, Verkehrslage, persönliche Präferenzen oder feste Termine. Andererseits wird das Navigationssystem aktiv mit der Motorsteuerung verbunden. Geht es beispielsweise auf eine Autobahnauffahrt, wird die Kühltemperatur im Voraus abgesenkt oder bereits die Drosselklappe geöffnet.

Steht ein Bergabstück bevor, wird der Akkuspeicher entleert oder die Schaltlogik des Getriebes angepasst. »Natürlich geht das alles auch ohne die automatische Routenvorhersage«, räumt BMW-Entwickler Andreas Winckler ein, »doch dann kann man nur sparen, wenn die Zielführung auch aktiviert ist.« Selbst wenn das Auto mit einer Navigationslösung ausgestattet ist, finden gerade die Fahrten zu bekannten Ziele ohne aktive Wegweisung statt. Das intelligente Navigationssystem mit dem Namen »ilena« holt aus der Kombination aus Auto, Fahrer und Route auch dann das Beste heraus, wenn die Navigation ausgeschaltet ist.

Wissensdatenbank

Intelligentes Navigationsgerät Foto: Press-Inform

Voraussetzung dafür ist eine möglichst große Wissensdatenbank. Auf einer Seite existiert auf dem Festplattenspeicher im Auto eine entsprechende Straßenkarte. Auf der anderen Seite lernt der Wagen auf jedem Kilometer mehr über Strecke und Fahrer. So werden die Navigationsdaten der Kartenfirmen ständig genauer und Tag für Tag genauer. Steigungen, Gefälle, Kurvenradien und wechselnde Geschwindigkeitsbegrenzungen. Der unter anderem mit dem Kamerasystem des 7er BMW ausgestattete Prototyp lernt seine Umgebung auf jedem Kilometer besser kennen.

»Aus all diesen Informationen generiert die Navigation einen elektronischen Horizont, der uns beim Energiemanagement nutzt«, so Andreas Winckler, »das Auto erkennt den Fahrer zum Beispiel an Sitzeinstellung, Schlüssel oder seinem Mobiltelefon.« Seit 18 Monaten arbeiten Projektleiter Robert Hein und sein Team an den intelligenten Navigationshilfen. »Wir haben in dieser Zeit bereits große Fortschritte gemacht«, so Hein, „anfangs lagen wir bei gerade einmal 30 Prozent Genauigkeit. Mittlerweile haben unsere Systeme zu 70 bis 80 Prozent Recht, wohin die Fahrt gehen soll.» Je nach Fahrer rechnet das System in Sekundenbruchteilen aus, wohin er aller Voraussicht nach fahren möchte.

Zukunftsnavigation von BMW Foto: BMW

Wie praktisch das sein kann, zeigt die kürzlich durchgeführte „Mobidrive-Studie“. Sie ergab, dass Durchschnittsautofahrer rund 80 Prozent aller Fahrten zu gerade einmal fünf Zielen durchführen. Morgens zur Arbeit, abends zurück, am Wochenende zu den Schwiegereltern und zweimal in der Woche zum Tennis. So oder so ähnlich sieht das Tagesgeschäft von den meisten Autofahrern aus. Bei Handlungsreisenden mit Terminen an verschiedenen Orten ist das Navigationssystem mit dem Terminkalender aus PDA, Blackberry oder iPhone verbunden. «Ein gewisses Stück können wir immer vorhersagen», so Projektleiter Robert Hein, «zum Beispiel bis zur nächsten Straßenkreuzung oder der kommenden Autobahnausfahrt.» Steigt Andreas Winckler zum Feierabend in seinen BMW 335i, weiß die Limousine angesichts von Uhrzeit und Wincklers Verhalten der letzten Wochen bereits, dass es zu ihm nach Hause gehen soll. Will der Entwickler zu einem anderen Ziel fahren, so kann er manuell wie gewohnt jedes andere Navigationsziel ansteuern.

Noch befindet sich das Navigationssystem der Zukunft in einem Versuchsstadium. Bei den Prototypen benötigen die Rechnerzeiten daher ein Drittel des Kofferraums. «Bei den Navigationssystemen der nächsten Generation wird das die Rechnereinheit im Fahrzeug selbst leisten können», ist Andreas Winckler sicher. Wann «Ilena» in die Serienfahrzeuge Einzug halten kann, steht derzeit noch nicht fest. Möglich erscheint ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren.

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