ZF: Leben retten mit Warnsystem gegen Geisterfahrer

Vision Zero Vehicle

ZF: Leben retten mit Warnsystem gegen Geisterfahrer
Basis des Vision Zero Vehicles von ZF ist ein VW Touran. © ZF

Der Zulieferer ZF verfolgt die „Vision Zero“ – und das sowohl für die Vermeidung von Unfällen als auch von Emissionen. Wie das gelingen soll, zeigt der Konzern mit seinem „Vision Zero Vehicle“.

Von Frank Mertens

Es sind Momente der Unachtsamkeit, die zu Unfällen führen. Der Fahrer schaut statt auf die Straße zu seinem Mitfahrer, er ist kurz abgelenkt - schon hat es gekracht. Im schlimmsten Fall kommen bei dem Umfall Menschen ums Leben. Geht es nach den Herstellern, sollen (solche) Crashs in der Zukunft komplett vermieden werden.

Ein Autobauer wie Volvo hat sich mit seinem Ziel der "Vision Zero" das Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2020 kein Passagier in einem Modell der Schweden zu Tode kommt oder schwer verletzt wird.Ein ambitioniertes Vorhaben - vor allem mit diesem Zeitfenster. Die "Vision Zero" verfolgt auch der Zulieferer ZF.

Vision Zero - auch bei den Emissionen

Bei dem Friedrichshafener Konzern mit seinen weltweit über 136.000 Mitarbeitern fasst man diesen Begriff indes weiter: ZF setzt zwar auch auf die Unfallfreiheit und keine Toten im Straßenverkehr, doch man will auch zu einer emissionsfreien Mobilität kommen. Anders als Volvo nennt ZF zwar keinen Zeitraum, bis zu dem man dieses Ziel erreicht haben will. Doch man arbeitet mit Nachdruck daran, es mittelfristig zu erreichen. Den Grund für die Zurückhaltung bei ZF kann man verstehen. Denn „null Verkehrsunfälle und null Emissionen werden erst möglich, wenn alle Transportmittel elektrisch, autonom und vernetzt fahren", sagte ZF-Chef Stefan Sommer.

Wie die Umsetzung dieses Ziels gelingen soll, zeigte ZF nun mit seinem sogenannten "Vision Zero Vehicle", einem mit allen dafür nötigen Technologien umgerüsteten VW Touran. Vorgestellt wurde er an diesem Mittwoch im Fahrsicherheitszentrum im österreichischen Pachfurth. Der Touran verfügt dabei nicht nur über einen Elektroantrieb mit einer aktiven Hinterachslenkung, sondern er bringt auch alle Sensorik und Kameratechnologie mit, die für das autonome Fahren benötigt werden, wie Gerhard Gumpoltsberger sagt, der bei ZF für diese Konzeptfahrzeuge verantwortlich ist. Hört sich gut an.

Ablenkung den Schrecken nehmen

Der Fahrer wird kurz abgelenkt, die Kamera erkennt es ZF

Doch kann der Touran seine Sicherheitsfeatures auch überzeugend umsetzen? Er kann, zumindest auf dem Testparcours hinterließ das "Vision Zero Vehicle" einen überzeugenden Eindruck. Da ist zu einem der Elektroantrieb, der über eine Leistung von 150 kW verfügt - und mit dem zumindest schon einmal lokal emissionsfreies Fahren möglich ist.

Doch wer schon einmal elektrisch gefahren ist, freut sich zwar immer wieder über die schnelle und geräuschlose Beschleunigung, doch richtig beeindruckt ist man davon nicht. Anders sieht es da schon mit den Sicherheitsfeatures wie dem „Driver Distraction Assist“ aus. Er erkennt mittels einer in Höhe des Rückspiegels angebrachten laserbasierten Innenraum-Kamera, ob der Fahrer abgelenkt ist. Die Kamera erfasst dabei die Position des Fahrerkopfes dreidimensional. Im Gegensatz zum Videosystemen soll dies bei Tag und Nacht funktionieren, sagt ZF.
Schaut der Fahrer also nicht mehr auf die Straße - was durch Ablenkung oder auch durch Bewusstlosigkeit bedingt sein kann - übernimmt das System nach vorheriger Warnung (Anzeige im Display, Straffung des Sicherheitsgurtes) die Aufgabe des Fahrers. Es lenkt im Notfall das Fahrzeug im Zusammenspiel mit den Sicherheitssystemen bis zum Stillstand. Der "Driver Distraction Assist" vollzieht seine Aufgaben bereits ziemlich souverän.

Nach überhöhter Geschwindigkeit gehört Ablenkung übrigens zur zweithäufigsten Unfallursache. Laut einer Studie der Allianz geht bereits jeder zehnte Verkehrstote auf Ablenkung zurück. Allein in Deutschland kamen deshalb im Vorjahr 350 Personen ums Leben, 94 mehr als durch Alkohol am Steuer. Wie ZF-Vorstand Peter Lake sagte, seien in den USA im Jahr 2015 alleine durch den Faktor Ablenkung am Steuer 3477 Menschen gestorben. Angesichts diese Zahlen kommt dem Driver Distraction Assist also eine wichtige Rolle für die Verkehrssicherheit zu.

Geisterfahrten vermeiden

Der Fahrer wird mehrmals gewarnt, wenn er in die falsche Richtung fährt ZF

Das trifft auch auf den Wrong-way Inhibit“zu, ein System, das Geisterfahrten verhindern hilft. Wenn der Fahrer also falsch auf die Autobahn auffahren will, wird er davon vom System gehindert. Nachdem die Kameras des "Vision Zero Vehicles" beispielsweise die auf österreichischen Autobahnauffahrten großen Hinweisschilder erkannt hat, warnt er den Fahrer zunächst akustisch und optisch und über die Vibration des Sicherheitsgurtes darüber, dass die falsche Fahrtrichtung wählt. Reagiert er nicht, leitet das Fahrzeug eine Bremsung ein und stellt vom Fahrt- auf den Parkmodus um, sodass keine sofortige Weiterfahrt möglich ist. Allein in Deutschland gab es im Vorjahr 2200 Warnmeldungen vor Falschfahrern, zwölf Menschen kamen bei daraus resultierenden Unfällen ums Leben.

Wie der ZF-Chef sagte, würden derartige integrierten Sicherheitssystem für die Übergangsphase vom assistierten zum autonomen Fahren benötigt. Dadurch könnte die Sicherheit "der selbst fahrenden als auch der pilotierten Insassen weiter erhöht werden.“

Auf dem Weg zum autonomen Fahren ist das "Vision Zero Vehicle" derzeit auf Stufe drei unterwegs. Zumindest auf dem Testparcours in Pachfurth -auf dem das Fahrzeug keine anderen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen hatte - konnte sich der Fahrer vom Lenkrad abwenden und sich mit den Passagieren im Fond unterhalten, während as Fahrzeug den Rundkurs unproblematisch abfuhr und dabei auch auf der Straße befindliche Bumps umfuhr. Doch wie sagte der ZF-Chef: Autonomes Fahren wird erst dann zu einer Unfallfreiheit führen, wenn auf den Straßen alle Verkehrsträger autonom und vernetzt sind. Es wird also noch dauern, bis die "Vision Zero" Realität wird. Doch mit seinem neuen Technologieträger geht ZF den nächsten wichtigen Schritt.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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