«Neue Kfz-Steuer sozialverträglich umsetzen»

Interview Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler

«Neue Kfz-Steuer sozialverträglich umsetzen»
50 Elektro-Mini sind seit Mitte Juni 2009 in Berlin unterwegs © Foto: BMW

Die Elektromobilität ist ein wichtiger Schritt zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Im Interview mit der Autogazette spricht Dena-Chef Stephan Kohler über Elektroautos, Antriebe der Zukunft und notwendige Mobilitätskonzepte.

Der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (Dena), Stephan Kohler, sieht in dem an diesem Montag in Berlin gestarteten Pilotprojekt zur Elektromobilität zwischen BMW und Vattenfall eine wichtige Initiative zur Verringerung der CO2-Emissionen. Allerdings «nur dann, wenn man dafür regenerative Energie verwendet», sagte Kohler im Interview mit der Autogazette.

Vernünftige Auszeichnung nötig

Die Dena, die in dieser Woche in Berlin einen großen Mobilitätskongress veranstaltete, fordert vom Gesetzgeber eine vernünftige Auszeichnung von Pkws. «Der Kunde muss sofort erkennen, wie viel das Auto verbraucht und wie hoch der CO2-Ausstoß ist. Der Staat ist hier gefordert: Wie bei Kühlschränken muss er auch hier eine Zertifizierung von Fahrzeugen vornehmen», sagte Kohler.

«Kein Anlass zu zweifeln»

Autogazette: Herr Kohler, BMW und Vattenfall haben am Montag 50 Minis mit Elektroantrieb auf die Berliner Straßen geschickt. Ist das der richtige Schritt für eine klimafreundliche Mobilität?

Stephan Kohler: Es ist eine Initiative zur Verringerung der CO2-Emissionen, aber nur dann, wenn man dafür regenerative Energie verwendet. Es kommt entscheidend darauf an, woher der Strom kommt.

Autogazette: Vattenfall setzt bei der Stromproduktion stark auf Kohle, will für dieses Projekt aber regenerativ erzeugten zertifizierten Strom zur Verfügung stellen. Was halten Sie von dieser Aussage?

Kohler: Ich habe keinen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln. Deshalb kann der Teilnehmer an diesem Projekt sich auch darauf verlassen, dass Vattenfall regenerativen Strom verwendet.

«Benötigen neue Speichertechnologien»

50 Elektro-Mini sind seit Mitte Juni 2009 in Berlin unterwegs Foto: BMW

Autogazette: Wird hier nicht nur grüner Strom eingekauft, um ihn dann ins Netz einzuspeisen, sodass der Effekt für die Umwelt gleich Null ist?

Kohler: Wir erleben derzeit einen Ausbau an regenerativem Strom, was für die Umwelt gut ist. Wir stehen immer wieder vor dem Problem, dass beispielsweise Windenergie zu Zeiten anfällt, in denen der Stromverbrauch niedrig ist. Entsprechend brauchen wir intelligente Speichertechnologien für Stark- und Schwachwindzeiten, um den Strom optimal nutzen zu können. Deshalb benötigen wir neue Speichertechnologien, dazu gehört die Elektromobilität.

Autogazette: Kritiker bezeichnen den Zukauf von regenerativem Strom als Greenwashing. Ist das berechtigt?

Kohler: Nein, denn jede Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen reduziert den CO2-Ausstoß. Die Zuordnung zu einem bestimmten Verbrauchssektor ist auch legitim.

Autogazette: Beschönigen Sie die Situation nicht? Greenpeace hat aufgrund der Stromkennzahlen von Vattenfall ausgerechnet, dass der Elektro-Mini auf einen CO2-Ausstoß von 133,5 Gramm kommt.

Kohler: Ich kann auch eine solche Rechnung aufstellen. Doch es kommt darauf an, welche Kraftwerke ich dem Verbrauch zuordne. Ich muss mich als privater Verbraucher von regenerativem Strom, wie z.B. von Greenpeace, auch darauf verlassen, dass dieser Strom aus regenerativen Quellen kommt.

«Kein Argument gegen Elektromobilität»

Der E-Motor im Mini Foto: BMW

Autogazette: Wird es durch die Elektromobilität einen erhöhten Strombedarf geben?

Kohler: Natürlich wird durch die neue Stromanwendung auch der Stromverbrauch zunehmen. Doch das ist überschaubar. Die Bundesregierung plant für das Jahr 2020 mit einer Million Elektrofahrzeugen. Das entspricht gerade einem Anstieg des Stromverbrauchs von 0,5 Terawatt-Stunden. Es ist also kein Argument gegen Elektromobilität.

Autogazette: Es steht also nicht zu befürchten, dass die Kernenergie durch die Elektromobilität eine Renaissance erlebt?

Kohler: Die Frage, ob Kernkraftwerke länger betrieben werden, hängt nicht von der Elektromobilität ab. Ein Kernkraftwerk erzeugt acht bis elf Terawatt-Stunden pro Jahr. Ich kann nicht erkennen, dass durch Elektromobilität die Notwendigkeit besteht, Kernkraftwerke länger zu betreiben.

«Wird nicht nur einen Antrieb geben»

Der Hydrogen4 von Opel Foto: Opel

Autogazette: Sie haben sich in dieser Woche auf dem dena-Kongress mit energieeffizienter Mobilität auseinandergesetzt. Welche Bedeutung kommt unter den verschiedenen Antriebsarten der Elektromobilität zu?

Kohler: In der Zukunft wird es nicht nur einen Antrieb geben. Es wird einen Mix aus Elektroantrieben, Hybrid, Wasserstoff, Brennstoffzelle oder Erdgas geben. Zudem benötigen wir eine deutliche Verlagerung vom Individual- auf den öffentlichen Nahverkehr.

Autogazette: Unternehmen die deutschen Hersteller genug, um den Kunden verbrauchsgünstige Fahrzeuge anzubieten?

Kohler: Ja, wir sehen bei den Herstellern als auch bei den Kfz-Händlern, den Städten und Gemeinden ein fortschrittliches Mobilitätsbewusstsein. Aber: Wir stehen erst am Anfang eines notwendigen veränderten Mobilitätsverhaltens.

Autogazette: Sie teilen die Auffassung also nicht, dass vor allem die deutschen Hersteller zu stark auf zu große Autos setzen?

Kohler: Keineswegs, sie bieten die gesamte Palette an Fahrzeugen an, wie man auch am Rande unseres Mobilitätskongresses sehen konnte. Das reicht vom Elektroauto über effiziente Diesel-PKWs bis hin zum Erdgasauto. Die deutschen Hersteller sind gut für die Zukunft aufgestellt, aber sie haben auch noch einen Weg vor sich. Im internationalen Vergleich müssen wir uns aber nicht verstecken.

Autogazette: Kann die Wirtschaftskrise sich positiv auf die Umwelt auswirken, in dem der Kunde verstärkt auf kleine Fahrzeuge setzt?

Kohler: Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf das Verhalten beim Autokauf können wir noch nicht abschätzen. Doch wir stellen fest, dass durch die Abwrackprämie insbesondere Fahrzeuge im Kleinwagen- und Mittelklassebereich gekauft wurden.

«Effizientere Autos durch Umweltprämie»

Abwrackprämie Foto: dpa

Autogazette: Die Umweltprämie wird ihrem Namen also gerecht?

Kohler: Ja, durch die Umweltprämie kommen effizientere Fahrzeuge auf die Straßen, wodurch wir zu einer deutlichen CO2-Verringerung im Verkehr kommen.

Autogazette: Sie wollten auf ihrem Kongress auch Rahmenbedingungen zu einer nachhaltigen Mobilität aufzeigen. Wie schauen die aus?

Kohler: Es muss eine vernünftige Auszeichnung von Pkws stattfinden. Der Kunde muss sofort erkennen, wie viel das Auto verbraucht und wie hoch der CO2-Ausstoß ist. Der Staat ist hier gefordert: Wie bei Kühlschränken muss er auch hier eine Zertifizierung von Fahrzeugen vornehmen. Daneben müssen Kommunen und Städte ihren Bürgern Mobilitätskonzepte aufzeigen, wie sie effizient durch die Kombination der verschiedenen Verkehrsmittel zur Arbeit kommen können.

Autogazette: Gehört zu den Rahmenbedingungen auch, dass man Anreizsysteme beim Kauf von verbrauchsgünstigen Fahrzeugen setzt?

Kohler: Auf jeden Fall. Das hat ja ausgezeichnet mit der Umweltprämie funktioniert. Das funktioniert aber auch durch Informationen, wie wir sie liefern. Wir zeigen dem Käufer, was er sparen kann, wenn er sich ein energieeffizientes Fahrzeug kauft. Neben den 2500 Euro an Umweltprämie kann er, je nach Fahrzeugtyp, bei den Spritkosten den gleichen Betrag einsparen.

Autogazette: Die CO2-basierte Kfz-Steuer ist auch ein solches Anreizsystem...

Kohler: ...auf jeden Fall. Die CO2-basierte Kfz-Steuer muss jetzt sozialverträglich umgesetzt werden. Auch Menschen, die nicht soviel Geld verdienen, müssen in die Lage versetzt werden, sich ein effizienteres Fahrzeug leisten zu können.

Das Interview mit Stephan Kohler führte Frank Mertens


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