«Werden als Gewinner aus der Krise hervorgehen»

Interview mit VW-Amerika-Chef Stefan Jacoby

Der VW-Konzern hält trotz der Krise auf dem US-Automarkt an seinen langfristigen Zielen fest. Im Interview mit der Autogazette spricht Amerika-Chef Stefan Jacoby über GM, neue Modelle und die neue Klimapolitik von Präsident Obama.

Trotz der Krise auf dem US-Automarkt hält Volkswagen an seinen langfristigen Absatzzielen fest. «Wir bleiben bei unserem Ziel: 800.000 VW und 200.000 Audi bis 2018», sagte VW-Amerika-Chef Stefan Jacoby im Interview mit der Autogazette. Die Erreichung dieses Ziel sei jetzt noch realistischer geworden als vor der Krise. «Es verändern sich viele Dinge zu Gunsten von Volkswagen. Die Marke wird stärker, die Produkte sind anerkannt. Wir haben die richtige Technologie für die Anforderungen dieser Zeit«, sagte der Manager.

«Fundamentale Veränderungen»

Autogazette: Herr Jacoby, kann VW von der Insolvenz von General Motors profitieren?

Stefan Jacoby: GM besteht ja weiter, da es ein Insolvenzverfahren nach Chapter 11 ist. Wir werden davon zwar nicht profitieren, aber von den fundamentalen Veränderungen auf dem US-Markt.

Autogazette: GM ist durch die Insolvenz quasi zu einem Staatskonzern geworden. Führt das zu einer Wettbewerbsverzerrung?

Jacoby: Das spüren wir zurzeit noch nicht. Doch in einem ersten Schub haben sowohl Chrysler als auch GM 2400 Händlerbetrieben gekündigt. Die werden nun mehr als 100.000 Fahrzeuge, die von GM und Chrysler nicht zurückgenommen werden, mit hohen Kaufanreizen in den Markt drücken. Dies wird zu einer Marktverschiebung führen.

«Beteiligen uns nicht an Rabattschlacht»

Der Jetta Clean Diesel Foto: VW

Autogazette: Wie können Sie darauf reagieren?

Jacoby: Wir werden uns an einer Rabattschlacht grundsätzlich nicht beteiligen. Wir setzen stattdessen auf unser attraktives Produktprogramm. So sind wir beispielsweise mit dem Tiguan und Routan in neue Segmente vorgedrungen. Zudem können wir mit verbrauchsarmen Fahrzeugen wie dem VW Jetta Clean Diesel sowie einem starken und effektiven Händlernetz aufwarten. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.

Autogazette: Welche Chancen hat GM mit seiner derzeitigen Modellpalette.

Jacoby: Ich rede nur sehr ungern über Wettbewerber.

Autogazette: Es ist doch bekannt, dass GM zu lange auf zu große und spritschluckende Autos gesetzt hat.

Jacoby: Natürlich mögen die Schwierigkeiten von Chrysler und GM auch in der Modellpolitik liegen. Doch schauen Sie sich Honda, Nissan oder auch Toyota an - auch diese starken Marken leiden unter der Absatzschwäche dieses Marktes.

Autogazette: Eines Marktes, der in den zurückliegenden Jahren dramatisch abgestürzt ist...

Jacoby:...ja, dieser Markt ist in den vergangenen zwei Jahren kollabiert. Noch 2007 hatten wir einen Gesamtmarkt von 16,2 Millionen Fahrzeugen. In diesem Jahr gehen wir von unter zehn Millionen Fahrzeugen aus.

Autogazette: Haben Sie eigentlich Jubelsprünge gemacht, als US-Präsident Obama seine neue Klimapolitik vorstellte, die die Ära der Spritverschwendung beenden soll?

Jacoby: Nein. Aufgrund der angespannten Absatzsituation dauert es etwas länger, bis ich Jubelsprünge mache.

«Begrüßen nationalen Standard»

Stefan Jacoby (l.) auf der L.A. Autoshow 2008 mit Arnold Schwarzenegger Foto: VW

Autogazette: Bis 2016 soll der Durchschnittsverbrauch für Autos und Kleinlaster von derzeit neun auf 6,6 Liter sinken. Das ist doch ein klarer Wettbewerbsvorteil für VW?

Jacoby: Die Verkündung der neuen Klimapolitik war ein entscheidender Schritt in eine Zukunft mit weniger CO2-Emissionen. Wir begrüßen diesen nationalen Standard, an dem wir uns und unsere Investitionen ausrichten können. Die Neuregelung bevorzugt allerdings vor allem größere Autos. Daher liegt für uns die Hürde höher.

Autogazette: Ab wann wird sich diese Neuregelung in den Verkaufszahlen niederschlagen, erst 2016?

Jacoby: Das hängt von der Entwicklung des Ölpreises ab. Ist er niedrig, tendieren die Kunden eher zu großen, spritfressenden Fahrzeugen.

«Bedeutung des Diesel wächst»

Autogazette: Wird sich durch diese Neuregelung die Bedeutung des Diesels in den USA verändern?

Jacoby: Das glaube ich schon. Derzeit kostet Diesel weniger als Benzin, was sehr vorteilhaft für uns ist. Ich gehe davon aus, dass zukünftig sechs bis zehn Prozent des Gesamtmarkts aus Dieselfahrzeugen bestehen werden.

Autogazette: Der durchschnittliche CO2-Ausstoß der Autos in den USA soll durch die Neuregelung von 210 auf 150 Gramm pro Kilometer sinken. Funktioniert dies ohne höheren Dieselanteil?

Jacoby: Genau hier liegt die Chance für den Diesel. Daneben bietet der Diesel ein hohes Drehmoment. Das ist etwas, was der amerikanische Kunde sich wünscht.

«Wollen weiter wachsen»

Der Passat CC Foto: VW

Autogazette: Sie konnten im Mai 19.568 Autos absetzen. Das ist ein Minus von 12,4 Prozent zum Vorjahresmonat. Sind Sie damit zufrieden?

Jacoby: Ja. Im Mai lag unser Marktanteil bei 2,1 Prozent, darauf kann man aufbauen. Denn wir wollen auch in diesen schwierigen Zeiten weiter wachsen. Dazu bringen wir im kommenden Jahr den neuen Jetta auf den Markt. Und 2011/2012 kommt das Fahrzeug, das wir in unserem neuen Werk in Chattanooga bauen werden.

Autogazette: Es wird ein Auto oberhalb des Passat sein...

Jacoby:...es wird ein Auto der echten Mittelklasse sein, das im Sweet-Spot des Wettbewerbs liegt. In Deutschland würde man sagen, es liegt im Passat-Segment. In den USA ist das ein Segment mit zwei Millionen Fahrzeugen und wird dominiert vom Honda Accord, dem Toyota Camry und dem Chevrolet Malibu. Hier wollen wir ein gewichtiges Wort mitreden.

Autogazette: Sie betonen immer, dass es nicht reicht, nur europäische Modelle auf den US-Markt zu bringen. Was wird denn noch kommen?

Jacoby: Ein Auto im Crossover-Bereich wäre interessant. Die Amerikaner lieben es, hoch zu sitzen, viel Platz zu haben und über ein Auto mit großem praktischen Nutzen zu verfügen. Vor diesem Hintergrund könnte es perspektivisch Sinn machen, einen für den US-Markt angepassten Tiguan anzubieten.

«Ein Polo für den US-Markt»

Der neue VW Polo Foto: VW

Autogazette: Und was ist mit Kleinwagen?

Jacoby: Natürlich sind sie vor dem Hintergrund der CO2-Reduzierung interessant. Ein passendes Auto könnte der Polo sein, aber nicht unser europäisches Modell. Das wäre zu klein, doch es könnte ein Polo knapp unterhalb des Jetta sein. Wir sind gerade dabei, unsere kommenden Produkte vor dem Hintergrund der Klimaschutzrichtlinien zu definieren.

Autogazette: Es ist also etwas dran an den Gerüchten, dass Sie in Chattanooga den Polo bauen wollen?

Jacoby: Zunächst müssen wir unser Produktprogramm entscheiden, dann ist es eine sekundäre Entscheidung, wo wir dieses Auto bauen. Wir haben noch keine Entscheidung für ein zweites Produkt in Chattanooga getroffen. Doch der Schlüssel für unseren Erfolg liegt darin, Autos vor Ort zu produzieren, um uns unabhängig von Wechselkurs-Schwankungen zu machen.

«Werden Hybriden anbieten»

Der VW Touareg Foto: VW

Autogazette: VW hat zwar effektive Motoren im Angebot, aber keine Alternativen Antriebe wie Hybride oder Elektroautos. Sehen Sie das als Manko im Wettbewerbsumfeld?

Jacoby: Wir werden Hybriden im Markt anbieten, aber es wird auch andere Ansatzpunkte geben. Denn der Hybrid spielt seine Vorteile nur im Stadtverkehr aus.

Autogazette: Ab wann kommt denn der erste Hybrid von VW?

Jacoby: Wir werden als erstes Fahrzeug den Touareg-Nachfolger als Hybrid anbieten. Das wird Anfang 2011 sein.

«Haben den Bodensatz erreicht»

Autogazette: Es gab im Mai weiter massive Einbrüche, doch die US-Autobauer sehen schon eine Trendwende. Sie auch?

Jacoby: So weit gehe ich nicht. Im Mai ist der Markt im Vergleich zum Vorjahresmonat um 33 Prozent zurückgegangen. Ich glaube aber, dass wir den Bodensatz erreicht haben. Auf unseren Internetseiten und unseren Call-Centern stellen wir eine verstärkte Nachfrage fest.

Autogazette: Welchen Absatz wollen Sie denn Ende dieses Jahres erreicht haben?

Jacoby: Ich gehe von einem Marktanteil von zwei Prozent bei einem Gesamtmarkt von unter zehn Millionen Fahrzeugen aus.

«Werden Gewinner der Krise sein»

Der VW Routan Foto: Volkswagen

Autogazette: Müssen Sie Ihr Ziel revidieren, bis 2018 800.000 Fahrzeuge verkaufen zu wollen?

Jacoby: Ganz im Gegenteil. Das ist jetzt noch realistischer als vor der Krise. Es verändern sich viele Dinge zu Gunsten von Volkswagen. Die Marke wird stärker, die Produkte sind anerkannt. Wir haben die richtige Technologie für die Anforderungen dieser Zeit. Wir bleiben bei unserem Ziel: 800.000 VW und 200.000 Audi bis 2018.

Autogazette: Sie gehen also davon aus, als Gewinner aus der Krise hervorzugehen?

Jacoby: Ja, wir werden als Gewinner aus der Krise hier in Amerika hervorgehen. Davon bin ich fest überzeugt.

Das Interview mit Stefan Jacoby führte Frank Mertens

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