Freymann: BMW bringt erstes serienreifes Wasserstoff-Auto in drei Jahren

BMW arbeitet mit Nachdruck an alternativen Antrieben. Das erste mit Wasserstoff angetriebene Serienfahrzeug werden die Münchener in den «nächsten drei Jahren in Kundenhand geben», wie Forschungsleiter Raymond Freymann der Netzeitung sagte.

Der bayerische Automobilhersteller BMW arbeitet in seiner Forschungs- und Technikabteilung mit großem Aufwand an Antriebskonzepten der Zukunft. Mit Erfolg. Die Münchner werden «innerhalb der nächsten drei Jahre» einen mit Wasserstoff angetriebenen 7er BMW «in Kundenhand geben», wie der Geschäftsführer der «BMW Forschung und Technik GmbH», Raymond Freymann, der Netzeitung sagte.

Zur Reduzierung der schädlichen Treibhausgase setzt BMW auf Wasserstoff. «Wir reden bei uns im Hause nicht vom Dreiliter-Auto. Wir reden bei uns von einem Auto mit keinem CO2-Ausstoß. Deshalb setzen wir auf Wasserstoff, denn auch das Dreilliter-Auto sorgt für CO2-Ausstoß», so Freymann.

«Hybrid nur für bestimmte Fahrzustände»

Netzeitung: Herr Freymann, aufgrund der Endlichkeit der Erdölvorräte gewinnen alternative Antriebs- und Kraftstoffarten an Bedeutung. Mit Blick auf hybridangetriebene Fahrzeuge wie dem Toyota Prius gewinnt man den Eindruck, dass die deutschen Autobauer wie bereits beim Partikelfilter Gefahr laufen, einen Trend zu verschlafen?

Raymond Freymann: Dem ist nicht so. Wir haben eine Alternative dazu: Das ist bei uns ganz klar der Diesel. Es wird perspektivisch schwierig sein, mit einem Hybriden einen Diesel zu schlagen.

Netzeitung: Ihr Vorstandsvorsitzender Herr Panke ließ gerade wissen, dass die Hybrid-Technologie nicht flächendeckend kommen wird, sondern nur in großstädtischen Räumen. Teilen Sie seine Auffassung?

Freymann: Ja. Denn der Hybrid ist nur für bestimmte Fahrzustände geeignet. Durch die Elektromaschine hat er Vorteile, das ist keine Frage. Aber sobald Sie aus der Stadt heraus sind, schleppen Sie überflüssiges Gewicht mit sich herum. Wenn Sie also von Hamburg nach München fahren, ist das ein Nachteil. Der Verbrauch ist ungleich höher.

«Wilder Hybrid»

Netzeitung: Das Thema Hybrid steht bei BMW also nicht als Priorität auf der Agenda?

Freymann: Da muss ich etwas ausholen: Wir haben uns in den 90er Jahren sehr stark mit dem reinen Elektrofahrzeug als auch mit den verschiedenen Hybridvarianten beschäftigt: Genauer gesagt: Dem Parallelhybrid und dem seriellen Hybrid. Wir haben dies nicht in die Serie gebracht, weil die Ergebnisse nicht zu BMW passten: Wir schleppten einfach zu viel Gewicht mit uns herum. Jetzt haben wir das Thema in eine für BMW passende Form gebracht und haben unseren X5 «Efficient Dynamics» vorgestellt: Die letzte Zeitschrift, die ich gelesen hatte, schrieb: «Wilder Hybrid». Und das passt dann ja wieder zu BMW. Nun haben wir eine Lösung gefunden.

Netzeitung: Das heißt?

Freymann: Wir haben einen Parallel-Hybrid mit einer Elektromaschine zwischen Motor und Getriebe gebaut und dies in den gleichen Bauraum wie das ursprüngliche Automatikgetriebe. Wir nennen diese Technologie deshalb auch nicht mehr Hybrid, sondern Aktivgetriebe. Zusätzlich haben wir als Energiespeicher Hochleistungskondensatoren, so genannte Supercaps, in den Schwellern untergebracht. Unsere Lösung hat folgende Vorteile: Im unteren Drehzahlbereich, in dem der Verbrennungsmotor die Leistung nicht bringt, da hilft der Elektromotor bei der Beschleunigung, wodurch wir mehr Dynamik haben.

Gleichzeitig können wir die Elektromaschine als Generator beim Bremsen benutzen, sodass wir Energie wiedergewinnen. Durch die Nutzung der Hochleistungskondensatoren sind wir sehr effektiv bei der Rückgewinnung, Speicherung und Abgabe dieser Bremsenergie. Das bringt dann etwas für den Treibstoffverbrauch.

Netzeitung: Wie viel?

Freymann: Sie können beim X5 von einer Reduzierung von 15 Prozent ausgehen. Das sind Werte, die auch andere Hersteller angeben.

«Effiziente Dynamik bei weniger Verbrauch»

Netzeitung: Der X5 entspricht also mit dem Aktivgetriebe dem, was der Kunde von BMW erwartet?

Freymann: Für uns geht es um effiziente Dynamik bei weniger Verbrauch. Das sind die intelligenten Lösungen. Wenn ich stattdessen mit großen Batterien unterwegs bin, dann habe ich im Vorwärtsbetrieb für einen Augenblick zwar das Gefühl durch den Elektromotor mehr Schub zu haben, doch in den Kurven habe ich das Mehrgewicht. Das geht komplett gegen die Quer-Dynamik.

Netzeitung: Wie viel mehr Gewicht schleppt denn der X5 mit sich herum?

Freymann: Der X5 ist ein Prototyp, bei dem noch viel verkleinert werden muss. Doch wir glauben mit wenig Gewicht auszukommen.

Netzeitung: Bleiben wir beim Prototypen des X5. Wann ist die Serienreife geplant?

Freymann: Dazu kann ich jetzt leider nichts sagen.

Serienreife in drei Jahren

Netzeitung: Der mit Wasserstoff angetriebene 7er soll in drei bis fünf Jahren zur Serienreife kommen...

Freymann: ...wir werden innerhalb der nächsten drei Jahre das Fahrzeug in Kundenhand geben.

Netzeitung: Nach Ihren bisherigen Ausführungen werden Sie die Aussage also nicht unterschreiben, dass die Hybridtechnologie zu einer grundsätzlichen Änderung der Antriebstechnologie führen wird, oder?

Freymann: Das bleibt abzuwarten. Wir sind da ziemlich gelassen.

Netzeitung: BMW hat mit dem H2R bei Testfahrten im südfranzösischen

Das Rekordfahrzeug H2R. Foto: (c) Werk

Miramars mit 300,170 km/h einen Weltrekord für wasserstoffangetriebene Fahrzeuge aufgestellt. Liegt die Konzentration Ihrer Forscher demnach eher auf Wasserstoff als auf Hybriden?

Freymann: Wir leben derzeit von den fossilen Energiereserven. Dass diese endlich sind, ist uns klar. Doch wir müssen nun an andere Technologien denken. Und wenn man sich das anschaut, dann gibt es gar nicht sehr viele. Wenn ich an den ultimativen Energieträger der Zukunft denke - darin sind sich Experten auf der ganzen Welt einig - dann ist das der Wasserstoff. Wir haben Visionen, deshalb müssen wir unser Projekt zügig entwickeln. Wir können nicht warten, bis die fossilen Energien zu Ende gehen.

Probleme der Wasserstoffwirtschaft

Netzeitung: Wasserstoff ist selbst keine Energiequelle, sondern muss erst auf Basis anderer Energieträger erzeugt werden. Wo bleiben mit Blick auf den notwendigen Energieaufwand die ökologischen Vorteile, liegen Sie ausschließlich in der annähernden Emissionsfreiheit?

Freymann: Für uns geht die ganze Wasserstoffwirtschaft nur dann, wenn es auf Basis regenerativer Energien dargestellt werden kann.

Netzeitung: Sie sprechen die Unsicherheiten an. Dass ist etwas, was die Marktfähigkeit der Wasserstoffwirtschaft im mobilen Bereich in Frage stellt. Energie-Experten vom DIW Berlin sagen, dass diese Marktfähigkeit bis 2020 in Frage gestellt ist. Teilen Sie diese Auffassung?

Freymann: Absolut nicht. Es gibt etliche Ansätze, die beweisen, dass das alles keine Vision mehr ist.

Netzeitung: Können Sie konkreter werden?

Freymann: 2020 auf jeden Fall. Doch der Zeitraum bis dahin ist für einen Automobilbauer, der in Modell-Zyklen von sieben Jahren denkt, morgen.

Netzeitung: Lassen Sie uns noch einmal über den 7er reden. Warum dauert die Transformation zur Serienreife so lange?

Freymann: Der H2R ist ein Forschungsfahrzeug. Mit einem Serienfahrzeug hat er nichts zu tun, auch wenn in ihm Serienkomponenten verbaut wurden. Mit dem bivalenten 7er bringen wir ein Fahrzeug auf den Markt, das durch unsere Serienentwicklung gegangen ist. Das hat mit Forschungsprozessen nichts mehr zu tun, vielmehr mit Serienentwicklungsprozessen.

Top-Down-Strategie bei Einführung

Raymond Freymann (r.) an der Seite von Entwicklungsvorstand Burckhard Göschel (2. v.r) Foto: (c) Werk

Netzeitung: Die Bivalenz dürfte ohne Frage der entscheidende Faktor für die Marktfähigkeit sein, da die Infrastruktur noch nicht vorhanden ist...

Freymann: ...mit unserem Verbrennungsmotor liegen wir goldrichtig, weil er sowohl Benzin als auch Wasserstoff verbrennen kann. Wir wollen natürlich die Wasserstoff-Infrastruktur umgesetzt haben, doch dass wir sie bereits morgen haben, ist unwahrscheinlich.

Netzeitung: Warum verfolgt man beim Einsatz von Wasserstoff diese Top-Down-Strategie? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, ihn beispielsweise in einem 3er zum Einsatz zu bringen?

Freymann: Wir werden ja nicht jetzt 100.000 Fahrzeuge auf den Markt bringen. Deshalb führen wir es Top-Down ein, weil es ja auch etwas mehr kosten wird. Natürlich können wir es auch beim 3er machen. Doch Top-Down heißt auch, dass wir ein Premiumfahrzeug in diesem Segment bringen und kein Verzichtfahrzeug.

«Preise im akzeptablen Rahmen»

Netzeitung: Wie stellt sich die Kostensituation dar; was wird ein wasserstoffangetriebener 7er kosten?

Freymann: Dass die ersten Fahrzeuge, die wir auf den Markt bringen, natürlich etwas teurer sein werden, ist klar. Doch die Preise müssen sich im akzeptablen Rahmen bewegen. Denn ansonsten entscheidet sich der Kunde beim Händler, wenn er vor der Wahl zwischen einem Diesel, einem Benziner, einem Hybriden, einem Wasserstofffahrzeug oder einem Auto mit Brennstoffzelle steht, für das preisgünstigere Auto. Wenn da steht, dass das Wasserstofffahrzeug zwar über null CO2-Ausstoß verfügt, aber 20 oder 30 Prozent mehr kostet, dann lässt er die Hände davon. Deshalb muss sich der Preis im Rahmen dessen bewegen, was konventionelle Fahrzeuge kosten.

Netzeitung: Am 12. November wurde in Berlin zwar die weltweit größte Wasserstofftankstelle eröffnet, doch von einem flächendeckenden Netz kann längst keine Rede sein. Hat die Mineralölwirtschaft überhaupt Interesse, diese Infrastruktur zu schaffen?

Freymann: Die sind ja von Anfang an bei den Projekten dabei gewesen. In einem frühen Projekt bauten wir die erste Wasserstofftankstelle der Welt hier in München am Flughafen auf, wo Druckwasserstoff und flüssiger Wasserstoff getankt werden kann. Ein weiteres zentrales Projekt, die Verkehrswirtschaftliche Energiestrategie, ist ja in Deutschland gestartet worden. Da waren Aral, Shell, BP, RWE und Total sowie die Autohersteller dabei. In dieser Gruppe hat man erarbeitet, dass langfristig nur Wasserstoff der Energieträger der Zukunft ist.

Insgesamt war die Rede von drei Energieträgern, der die Zukunft gehört: Neben Wasserstoff noch Erdgas und Methanol, wobei die beiden letztgenannten endlich und nicht CO2-frei sind. Das führte zu dem Entschluss, mit Wasserstoff in die Praxiserprobung zu gehen. Derzeit versuchen wir auf europäischer Ebene diesen Konsens herzustellen. Deutschland allein kann dieses Projekt nicht umsetzen. Wenn ich ein Auto fahre, will ich damit ja nicht nur in Deutschland unterwegs sein.

Netzeitung: Wird die Diskussion um alternative Antriebe und Kraftstoffe nicht durch die Politik der Autokonzerne ad absurdum geführt, immer leistungsstärkere Fahrzeuge anzubieten?

Freymann: Wenn wir uns den Trend der letzten 20 Jahre anschauen, dann haben die Funktionalitäten und Sicherheitssysteme in den Autos zugenommen. Das heißt, dass die Autos schwerer geworden sind. Doch der Treibstoffverbrauch ist trotz der Mehrung des Komforts und der Sicherheit drastisch herunter gegangen. 1995 bis 2004 haben wir eine CO2-Reduktion in unserer Flotte von 25 Prozent gehabt.

«Es geht um die Akzeptanz»

Netzeitung: Dennoch kann es Sie doch nicht zufrieden stellen, dass immer stärkere Motoren kommen, die für einen höheren Verbrauch sorgen. Der Einser kommt jetzt gerade mit einer 258 PS-Maschine.

Freymann: Es geht entsprechend um die Akzeptanz. Was bringt es denn, wenn wir Autos bauen, die keiner kauft. Die Ansprüche der Kunden sind insgesamt sehr hoch. Und von diesen Ansprüchen kommen wir nicht herunter. Es muss Anspruch des Ingenieurs sein - das ist unsere Herausforderung - dieses Thema auf hohem Niveau zu lösen.

Netzeitung: Stichwort Dreiliter-Auto: Kommt so etwas auch bei BMW?

Freymann: Wir reden bei uns im Hause nicht vom Dreiliter-Auto. Wir reden bei uns von einem Auto mit keinem CO2-Ausstoß. Deshalb setzen wir auf Wasserstoff, denn auch das Dreilliter-Auto sorgt für CO2-Ausstoß.

Das Interview mit Raymond Freymann führte Frank Mertens

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