«Chance für Klimaschutz vertan»

Interview Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler

Stephan Kohler sieht in der gescheiterten Kennzeichnung von Neuwagen nach Energie-Effizienzklassen eine vertane Chance für den Klimaschutz. Das Thema müsse schnell wieder auf die Agenda gesetzt werden, fordert der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur im Interview mit der Autogazette.

Stephan Kohler hat die vorerst gescheiterte Kennzeichnung von Neuwagen nach Energie-Effizienzklassen kritisiert. «Pro Tag werden rund 10.000 Neufahrzeuge in Deutschland verkauft und hier wäre es wichtig gewesen, dem Verbraucher durch das Labeling einen Anhaltspunkt für ein energieeffizientes Fahrzeug zu geben», sagte der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena) im Interview mit der Autogazette. «Hier hat die Bundesregierung die Chance für den Klimaschutz vertan.»

Die Bundesregierung hatte ursprünglich geplant, bis zum Herbst für Neuwagen neue Hinweisschilder einzuführen, auf denen analog zu Kühlschränken die Energieeffizienz des Fahrzeuges vermerkt wird.

«Unterschiedliche Vorstellungen»

Autogazette: Die Regierung verzichtet bei Neuwagen auf die geplante Einstufung in Energie-Effizienzklassen wie bei Kühlschränken. Wer tritt hier aufs Bremspedal?

Stephan Kohler: Das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschaftsministerium konnten sich noch nicht in allen Punkten einigen. Es besteht zwar Einigkeit über das Aussehen des Labels, doch man streitet sich darüber, welches Auto in welche Klasse kommt. Das Umweltministerium will möglichst anspruchsvolle Effizienzklassen, das Wirtschaftministerium ist da zurückhaltender.

Autogazette: Richtet sich das Wirtschaftsministerium zu stark an der Autolobby aus?

Kohler: Nein, das will ich nicht sagen. Es gibt schlicht unterschiedliche Vorstellungen darüber, was ein Auto mitbringen muss, um in eine gute Effizienzklasse zu kommen.

«Gute Erfahrungen gemacht»

Autogazette: Warum reicht die seit 2004 geltende Verbrauchskennzeichnungsverordnung nicht mehr aus, die Autohändlern vorschreibt, Verbrauch und CO2-Wert von Neuwagen auszuweisen?

Kohler: Wir haben gute Erfahrungen mit der Kennzeichnung von Kühlschränken oder anderen Haushaltsgeräten in Energie-Effizienzklassen gemacht. Sie bieten dem Verbraucher eine schnelle visuelle Orientierung, wie verbrauchsgünstig das Gerät ist. Deshalb sollte man es auch auf das Auto übertragen. Die alleinige Angabe der CO2-Emission sagt nichts darüber aus, wo mein Fahrzeug im Flottenvergleich liegt.

Autogazette: Kann man Autos überhaupt mit Kühlschränken vergleichen?

Kohler: Autos kann man technisch sicher nicht mit Kühlschränken vergleichen, aber die Kennzeichnung ist vergleichbar. Es werden Parameter definiert, die wesentlich sind für den Energieverbrauch und so ist die Systematik der Kennzeichnung auch aufs Auto anwendbar.

«Konkurrenz schläft nicht»

Autogazette: Ist die Einstufung nach Energie-Effizienzklassen nicht problematisch? Ein Hersteller, dessen Auto schon ein A hat, dürfte kaum motiviert sein, den Verbrauch weiter zu senken?

Kohler: Die Konkurrenz schläft ja nicht. Als die Kennzeichnung bei den Kühlschränken eingeführt wurde, waren gerade einmal zehn Prozent in der Effizienzklasse A, heute sind es über 80 Prozent. Deshalb ist die EU dabei, die Standards anzuheben.

Autogazette: Die Verbrauchsermittlung durch den Neuen Europäischen Fahrzyklus NEFZ weicht von der Realität ab. Ist es nicht erforderlich, das Testverfahren den Alltagsbedingungen anzupassen?

Kohler: Hier besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf. Die EU ist gefordert, diese Angaben mit der Realität in Einklang zu bringen. Der Autokäufer benötigt Angaben, die auch jenseits eines Prüfstandes Bestand haben.

«Sind auf richtigem Weg»

Autogazette: Hätte der von der EU für 2015 festgelegte CO2-Grenzwert von 120 Gramm unter klimapolitischen Gesichtspunkten nicht eher kommen müssen?

Kohler: Natürlich muss der Gesetzgeber auch Grenzwerte festlegen. Viel wichtiger ist es jedoch, dass die Kommunikation für energieeffiziente Autos verstärkt wird. Wir müssen es schaffen, dass sich Käufer für energieeffiziente Autos entscheiden.

Autogazette: Ist das Ordnungsrecht denn scharf genug mit den 120 Gramm?

Kohler: Ich denke, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind, doch im nächsten Schritt wäre eine Verschärfung wichtig. Und hier scheint mir der EU-Grenzwert von 95 Gramm bis 2020 realistisch.

«Chance für Klimaschutz vertan»

Autogazette: Ist mit dem Verzicht auf die Kennzeichnung nach Energieeffizienzklassen eine Chance für den Klimaschutz vertan worden?

Kohler: Auf jeden Fall. Pro Tag werden rund 10.000 Neufahrzeuge in Deutschland verkauft und hier wäre es wichtig gewesen, dem Verbraucher durch das Labeling einen Anhaltspunkt für ein energieeffizientes Fahrzeug zu geben. Hier hat die Bundesregierung die Chance für den Klimaschutz vertan. Das Thema muss deshalb in der nächsten Legislaturperiode schnellstmöglich wieder auf die Agenda gesetzt werden.

Das Interview mit Stephan Kohler führte Frank Mertens

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