Leichter ans Limit

Kawasaki ZX-6R 2009

Kawasaki hat die Ninja ZX-6R zum wirklichen Supersportler getrimmt. Die Veränderungen garantieren beste Straßenlage auch in hohen Geschwindigkeitsbereichen.

Von Thilo Kozik

Kawasaki hat sich die Kritik an der Ninja ZX-6R zu Herzen genommen. Der neue grüne Supersportler ist leichter und stärker geworden. Das dokumentiert die neue Ninja nicht nur durch eine dem Flaggschiff ZX-10R angenäherte Optik mit spitzer Front und markantem Doppelscheinwerfer, auch der Schalldämpfer wanderte vom Heck wieder auf die rechte Fahrzeugseite in Schwingenhöhe. Als Beweis für die extrem tief greifenden Änderungen soll eine imposante Zahl aus den technischen Daten dienen: Nachdem die aktuelle ZX-6R wegen ihres Übergewichts reichlich gescholten wurde, spart die Neue stattliche zehn Kilogramm gegenüber der Vorgängerin ein - eine für Supersportler geradezu unfassbare Dimension.

Zehn Kilo leichter

Dafür kam alles auf den Prüfstand, die Abmagerungskur erstreckt sich auf alle Bereiche und brachte beim Fahrwerk sieben, beim Motor drei Kilo weniger. Wie viel Hirnschmalz die Entwicklungscrew um Chefentwickler Yasuhiko Okabe dabei tatsächlich investiert hat, lässt sich an der feinen Grammfuchserei ablesen: Neue Hitzeschutzmatten verringern das Gewicht um 170 Gramm und ein neuer Werkstoff der Drosselklappengehäuse trägt mit 30 Gramm zur Gewichtsersparnis bei.

Weitergehende Gedanken an die technischen Hintergründe verdrängt die erste Testsession auf dem seit 2005 Kawa-eigenen Testareal. Autopolis ist eine recht enge Rennstrecke über 4674 Meter mit vielen unterschiedlichen Bögen, einer Haarnadel-Kuppe, schwierigen Schikanen, reichlich Bodenwellen und mit einem Höhenunterschied von 52 Metern. Nach den ersten Testrunde erweist sich neue Ninja als Bike mit einer entschärften Ergonomie und etwas weiter hinten und nach innen liegenden Lenkerenden, die das Turnen erleichtert und selbst langen Lulatschen ausreichend Platz bietet.

Schaltblitz zum Gangwechsel

Die Lenkerenden sind weiter nach hitnen und innen gezogen Foto: Kawasaki

Etwas später sitzen die Kurven und Gänge besser, und der Motor gerät ins Visier des Betrachters: Der flüssigkeitsgekühlte Vierzylinder im klassischen japanischen Layout mit zwei oben liegenden Nockenwellen, sechzehn Ventilen, Tassenstößeln und dem Supersport-Hubraum von 599 ccm bringt eine Maximalleistung von 128 PS - nominell drei mehr als bei der Vorgängerin. Dafür zeichnen zahlreiche Modifikationen verantwortlich, die in erster Linie die innere Reibung minimieren. Längere Gehäuse der Doppeldrosselklappen-Einspritzanlage sorgen für ein sehr berechenbares Ansprechverhalten, der Vortrieb lässt sich wunderbar kontrollieren.

Sogar das Gasanlegen aus dem Schiebebetrieb geschieht unauffällig. Das neue Auspuffsystem und geänderte Strömungsverhältnisse - unter anderem durch Ansaugtrichter mit verschieden langen Führungen - machen den Reihenvierer deutlich fleischiger im mittleren Drehzahlbereich. Ab 6000 Touren geht schon etwas, ab 8500 bis 9000 Touren kommt Leben in die Bude, und so richtig zwackelt der Motor ab 12.000 U/min bis kurz vor den roten Bereich bei 16.000. Als freundliche Gedankenstütze zeigt die Drehzahlmesserskala ab 8000 die Zahlen größer und in Grün an, die Nadel bewegt sich hier also im doppelten Sinne im grünen Bereich. Darüber mahnt ein Schaltblitz in Orange zum Gangwechsel in der wunderbar flutschig bedienbaren Sechsgangbox, wobei für die kniffligen Autopolis-Passagen dank der fülligen Drehmomentabgabe die Gänge Zwei und Drei genügen und die Schaltarbeit minimieren.

Spitze 245 km/h

Lenkungsdämpfer sorgt für Ruhe im Helm Foto: Kawasaki

Nur auf der 902 Meter langen Start-Zielgeraden wird durchgeschaltet, dann prangt am Ende die 245 auf dem passabel ablesbaren Digital-Instrument. Höchste Zeit also, noch vor der folgenden hängenden Rechtskurve bergab die von einer Radialpumpe betätigten radial montierten Vierkolben-Festsättel zu aktivieren. Mit einem völlig ungewohnten Ergebnis: Trotz herzhaften Zugs und brachialer Verzögerung taucht die Gabel sanft und längst nicht so tief wie gewohnt ein. Hier werkelt nämlich eine neuartige BPF-Gabel (Big Piston Fork) vom Spezialisten Showa. Verglichen mit einer herkömmlichen Cartridge-Gabel ist der Hauptkolben der BPF-Gabel fast doppelt so groß, wodurch der Dämpfungsdruck reduziert werden kann und das Gleitrohr gerade bei beginnender Kompression gleichmäßiger einfedert. Hat man sich erst einmal an das geringere Tauchen der Gabel gewöhnt, lassen sich Stoppmanöver deutlich besser kontrollieren, was kürzere Bremswege möglich macht.

Umlegen und Einlenken erfordern keine größeren Überredungskünste, anders noch als ihre Vorgängerin biegt die 2009er Ninja ohne Umschweife auf die gewünschte Linie ein. Hier macht sich natürlich die BPF-Gabel um ausgezeichnete Führungsqualität verdient, doch das allein erklärt nicht die neue Leichtigkeit: Die Kawa-Fahrwerksingenieure überarbeiteten die Rahmensteifigkeit, versetzten den Motor schwerpunktgünstig und machten den Lenkkopfwinkel steiler (von 65 auf 66 Grad). Ohne Einbußen bei der Kurvenstabilität eilt die ZX-6R durch Wechselkurven, pfeilt in voller Links-Schräglage über eine Kuppe und stürzt sich unbeirrt eine kurze Gerade den Berg hinab. Alles bleibt ruhig, nichts wackelt, und die Kawa bleibt ihrem eingeschlagenen Kurs treu. Zwei Kurven später beim Aufrichten und Umlegen aus einer Doppelrechts in eine langgezogene Links erwischt man kurz vor einer kleinen Kuppe eine deftige Bodenwelle, über der die Front richtig leicht wird. Hier sorgt neuerdings ein einstellbarer Öhlins-Lenkungsdämpfer für Ruhe im Lenker und unterm Helm.

Annähernd gleicher Preis

Nur geringfügig teurer als das Vorgängermodell Foto: Kawasaki

Für den Autopolis-Rollout ist die Ninja mit schmalzigen Bridgestone BT 003-Pellen besohlt, während für die Serie aufgezogene BT 016 bessere Allroundeigenschaften versprechen. Mit den soften Klebegummis geht’s zwar noch längst nicht so flüssig wie auf dem Video, aber doch schon deutlich flotter und kleinere Fahrwerksmodifikationen werden notwendig. Ein paar Klicks mehr Dämpfung hier, eine Umdrehung mehr Federvorspannung dort, und schon sorgen die hochwertigen Federelemente wieder für beste Straßenlage, schnellere Rundenzeiten und enormen Fahrspaß - Ziel erreicht, denn genau das hatten die Grünen mit ihrer neuen Ninja ZX-6R ja im Visier, die übrigens trotz aller Weiterentwicklungen zum annähernd gleichen Preis von zirka 10.700 Euro angeboten wird.

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