Automanager Ghosn vor Freilassung

Automanager Ghosn vor Freilassung
Carlos Ghosn kann die Untersuchungshaft verlassen. © Kin Cheung/AP/dpa

Nach mehr als drei Monaten in Untersuchungshaft steht die Freilassung des in Japan angeklagten Carlos Ghosn kurz bevor. Der Automanager muss aber noch auf die Zahlung der Kaution warten.

Das Bezirksgericht in Tokio gab am Dienstag dem Antrag seines Verteidigers auf Freilassung auf Kaution statt und lehnte am Abend einen Einspruch der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung ab. Der Top-Manager kann das Gefängnis verlassen, sobald die Verteidiger die auf eine Milliarde Yen (7,9 Mio. Euro) festgesetzte Kaution bezahlt haben. Zuvor hatte der 64-Jährige die Bedingung akzeptiert, wonach an seinem Hauseingang eine Überwachungskamera installiert werden sollte.

Ghosn vermutet Komplott

Ghosn, der Nissan einst vor der nahen Pleite gerettet und zusammen mit Renault und Mitsubishi eine mächtige internationale Autoallianz geschmiedet hatte, war am 19. November wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen in Tokio festgenommen und später angeklagt worden. Zudem soll er laut der japanischen Staatsanwaltschaft private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben. Ghosn hat seine Unschuld beteuert und vermutet einen Komplott gegen ihn.

Zuvor waren zwei Anträge auf Freilassung gegen Kaution gescheitert. Dann wechselte Ghosn, der am 9. März 65 Jahre alt wird, seinen japanischen Anwalt aus: Der Staranwalt Junichiro Hironaka übernahm seine Verteidigung. Der Jurist hat schon mehrmals prominente Angeklagte in Japan vertreten und häufig Freisprüche erreicht.

Anwalt kritisiert Justizsystem

Hironaka hatte die Ansicht vertreten, dass die Vorwürfe gegen den 64-Jährigen konzernintern bei Nissan hätten geklärt werden müssen. Die Vorgänge seien Managern bei Nissan schon seit zehn Jahren bekannt. Es stelle sich daher die Frage, warum jetzt plötzlich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden sei, so Hironaka. Der Fall Ghosn sei «sehr eigenartig».

Hironaka hatte zudem das japanische Justizsystem kritisiert. Die langen Inhaftierungen seien unfair. Davon seien vor allem jene betroffen, die – wie Ghosn – darauf bestehen, unschuldig zu sein. Kritiker sprechen von einer «Geisel-Justiz» in Japan. «Wir müssen Herrn Ghosns Freispruch erzielen und das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in Japan wiederherstellen», sagte Ghosns neuer Anwalt am Montag. Daraufhin war am Dienstag zunächst die für Ghosn positive Entscheidung des Bezirksgerichts in Tokio gefallen.

Manager darf Japan nicht verlassen

Er sei froh, dass das Gericht seinem Antrag auf Freilassung gegen Kaution stattgegeben habe, sagte Hironaka vor Journalisten. Sein Team hatte dem Gericht vorgeschlagen, dass die Freilassung unter der Bedingung einer strikten Überwachung Ghosns erfolgt. Dazu gehört die Überwachungskamera am Eingang, zudem darf Ghosn das Land nicht verlassen und muss sich tagsüber im Anwaltsbüro aufhalten.

Nissan und Mitsubishi hatten Ghosn nach seiner Festnahme als Verwaltungsratschef abgesetzt. Bei Renault trat der Automanager später zurück. Auch der französische Konzern leitete Untersuchungen zu möglichen Unregelmäßigkeiten ein und will diese bis zum Frühjahr abschließen. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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