Renaissance der Allradlenkung

Die Idee, ein Auto mit vier gelenkten Rädern besser auf Kurs zu halten, ist nicht gerade neu. Doch für die Hersteller ist diese technische Option aktueller denn je.

Manche Entwicklungen sind ihrer Zeit so weit voraus, dass sie einen zweiten Anlauf brauchen. Dafür ist die Allradlenkung ein Beispiel. «Schon in den 80er Jahren haben manche Hersteller versucht, ihre Autos mit vier gelenkten Rädern besser auf Kurs zu halten», sagt ein Sprecher von Renault in Paris. Damals nutzten sie mechanische Systeme, deren Erfolg eher bescheiden blieb. Nach dem Siegeszug der Elektronik nehmen nun mehrere Unternehmen einen neuen Anlauf.

Renault nimmt neuen Anlauf

«Die Idee einer Allradlenkung ist es, Handling, Fahrstabilität und Spurtreue zu verbessern. Damit sollen das gesamte Fahrverhalten und die Sicherheit gesteigert werden», erläutert Thomas Firmery von der Sachverständigen-Organisation KÜS in Losheim am See (Saarland). Das technisch derzeit aufwendigste System hat Renault für den neuen Laguna angekündigt. Dort wird es ab Frühjahr 2008 ein so genanntes Active Drive-Fahrwerk geben, bei dem alle vier Räder gelenkt werden.

Dafür werden nach Angaben des Herstellers die Hinterräder mit einem Elektromotor gekoppelt, der sie schräg stellen kann. «Damit reduziert sich der Lenkaufwand, und der Wendekreis wird über einen Meter kleiner. Parken und Rangieren werden leichter», erläutert der Sprecher. Zudem erhöhe das System die Sicherheit, weil das elektronische Stabilitätsprogramm die Räder nicht nur abbremsen, sondern auch lenken kann, um den Wagen sicher in der Spur zu halten.

Umverteilung des Drehmoments

Während Renault die Räder tatsächlich schräg stellt, versuchen andere Hersteller den Effekt mit einer Verteilung des Drehmoments zwischen den Hinterrädern zu erreichen: So hat etwa Honda für den Legend einen «Super Handling All Wheel Drive» entwickelt. Dieser Allradantrieb erlaubt nach Angaben von Technikchef Walter Tief eine variable Kraftverteilung nicht nur zwischen Vorder- und Hinterachse, sondern auch zwischen den Hinterrädern.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert die «Dynamic Performance Control» (DPC) von BMW. Dieses System, das unter anderem für den neuen X6 vorgesehen ist, nutzt zwei so genannte Überlagerungsgetriebe an der Hinterachse, mit denen das Drehmoment zwischen dem linken und dem rechten Rad elektronisch verteilt werden kann. Damit soll der Wagen stabiler und direkter der Vorgabe des Fahrers folgen.

Diverse Lösungsansätze

Auch Audi will flotter durch die Kurve. Deshalb haben die Bayern ein neues Sport-Differenzial für die Hinterachse entwickelt, das den Lenkeffekt durch Beschleunigen des kurvenäußeren Rades erreicht. Dies ist der gleiche Effekt, mit dem auch ein Ruderer sein Boot um die Kurve lenkt - mit Ruderschlägen außen schneller als innen. «Registriert die Elektronik beim Einlenken ein so genanntes Untersteuern, wird mehr Antriebsmoment an das hintere äußere Rad geleitet. Das dreht den Wagen wie von selbst in die Kurve, erläutert Ralf Schwarz aus der Entwicklung für Fahrwerksregelsystemen bei Audi.

Großer Einfluss erwartet

Die Allradlenkung könnte ein weiterer Meilenstein werden, glaubt KÜS-Experte Thomas Firmery. Allerdings brächten elektronische Hilfen wie ESP schon heute einen Sicherheitsgewinn. «Weiteren Fortschritt erkauft man je nach Konstruktion durch zusätzliche, aufwendige Bauteile, die einerseits einen preislichen Aufschlag bedeuten und andererseits auch einem zusätzlichen Verschleiß unterliegen», warnt der Experte und dämpft die Erwartungen: «Auch diese Technik wird den verantwortungsbewussten Fahrer hinter dem Lenkrad nicht ersetzen.» (dpa)

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