Navigationssysteme mit Tücken

Was genau heißt «links halten»? Zwar erleichtern Navigationssysteme das Fahrerleben in der Regel deutlich – doch manchmal verwirren sie mehr, als dass sie helfen.

Von Felix Rehwald

«Bitte in 200 Metern rechts abbiegen!», sagt die Frau aus dem Navigationssystem. «Dann sofort links halten!» Eigentlich sind die elektronischen Helfer eine prima Erfindung. Doch manchmal schaffen sie eher Verwirrung, statt Orientierung: Wie weit sind «200 Meter»? In welche Straße will einen das System lotsen? Und was heißt überhaupt «links halten»? Obwohl die Anbieter die Nutzerfreundlichkeit ihrer Geräte permanent verbessern, stoßen diese immer wieder an Grenzen.

Landmarken erleichtern Orientierung

Nach einer aktuellen Umfrage des ADAC unter mehreren tausend Autofahrern sind 70 Prozent der Nutzer nicht mit ihrem Navigationssystem zufrieden. Bemängelt wird vor allem, dass der Lotse in die Irre führt oder Software und Kartenmaterial veraltet sind. Dass sich Autofahrer immer wieder über ihr «Navi» ärgern, hängt aber auch mit Wahrnehmung und Orientierungsverhalten zusammen.

«Autofahrer haben ein bestimmtes Suchmuster im Kopf», erklärt Prof. Josef Krems, der am Institut für Psychologie der Technischen Universität Chemnitz im Bereich Verkehrspsychologie und Wahrnehmung forscht. «Das versuchen sie, in die Welt draußen umzusetzen.»

Und das geht so: Kennt man die Adresse eines Ziels, dann hat man in der Regel eine ungefähre räumliche Orientierung. Mit Hilfe von Zwischenzielen - so genannten Landmarks - arbeitet man sich dann vor.

Diese «Bezugspunkte» - das kann zum Beispiel eine Tankstelle oder ein markanter hoher Turm entlang der Route sein - erleichtern das Zurechtfinden. «Autofahrer orientieren sich in erster Linie mit den Augen», erklärt Krems. Die Kartendarstellung der meisten Navigationsgeräte verwendet jedoch noch keine Landmarks. Sie zeigt meist nur das stilisierte Straßensystem auf dem Display an.

Schon die Karte kann überfordern

Doch: «Schon die herkömmliche Straßenkarte ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln», sagt Franz Schibalski, Verkehrspsychologe beim ADAC in München. Millionen von Autofahrer seien bei der Orientierung mit diesem Hilfsmittel hilflos.

Ähnliche Probleme können sich bei der Sprachausgabe ergeben: Ist die Ansage zu abstrakt oder ungenau formuliert, ergibt sich Josef Krems zufolge eine «Konfliktsituation»: «Der Fahrer ist verwirrt und muss sich vergewissern, ob er noch auf dem richtigen Weg ist.» Weil ihn das unterwegs vom Verkehr ablenkt, erhöht sich das Unfallrisiko.

Diese Zusammenhänge kennen auch die Systemanbieter. Die Firma Navigon aus Hamburg etwa versucht, mit Hilfe so genannter Usability-Tests herauszufinden, wie die Routeninformationen bei den Nutzern ankommen. Informationen über ihre Bedürfnisse erhält die Firma nach Angaben von Produktmanager Jochen Katzer auch aus dem Support: «Es stellt sich schnell heraus, dass viele Leute die gleichen Probleme haben.»

Information contra Lesbarkeit

Eine große Schwierigkeit der Entwickler sei, zu entscheiden, was Anwendern unterwegs an Informationen mitgegeben werden soll. Oft müssten sie Kompromisse aus Nutzerfreundlichkeit und Orientierungshilfe eingehen: So ermöglicht eine einfache, abstrakte Kartendarstellung mit farblich abgesetzter Route zwar eine gute Ablesbarkeit. Sie erschwert aber für manche Nutzer die Orientierung. Eine sehr detaillierte Karte ist dagegen in diesem Punkt besser, beim Ablesen jedoch unübersichtlich.

In Zukunft werden Navigationssysteme laut Katzer eine «realistischere Darstellung der Außenwelt» ermöglichen, die zugleich übersichtlich bleibt. Er denkt dabei zum Beispiel an echte Reliefkarten und fotorealistische Darstellungen der Umgebung - in der dann auch markante Wegpunkte zu erkennen sein dürften.

Ähnlich schwierig ist die Konzeption der Sprachausgabe. Hinweise wie «demnächst abbiegen» seien aus der aktuellen Navigon-Software entfernt worden, da sich viele Nutzer darunter nichts vorstellen konnten, erzählt Katzer. Eine gewisse Standardisierung der Kommandos sei jedoch unverzichtbar. Trotzdem könnten die Befehle künftig präziser werden und beispielsweise auch Landmarks berücksichtigen: «Was wir in Zukunft bestimmt einmal haben werden, sind Ansagen wie «vor der Kirche rechts abbiegen»», sagt Katzer. Zu häufig dürften solche «Meta-Informationen» aber auch wieder nicht verwendet werden, da sich Gebäude schneller verändern als das Straßennetz.

Ein Atlas kann nicht schaden

Nichts hält Katzer dagegen von Hinweisen wie «rechts abbiegen in die Schmitzstraße», da Straßenschilder aus dem Auto kaum zu erkennen sind. Außerdem sei es wichtig, sparsam mit der Sprache umzugehen: «Das System darf nur dann Kommandos geben, wenn es wirklich wichtig ist» - ansonsten müsse es «die Klappe halten». Auf den ersten Blick abstrakt erscheinende Entfernungsangaben wie «in 200 Metern» hält Katzer dagegen für kein Problem: «Der User gewöhnt sich eigentlich recht schnell daran, was 200 Meter sind.»

Auf den Gewöhnungsfaktor weist auch ADAC-Experte Schibalski hin: So sollte ein neues «Navi» immer erst ausprobiert werden - und zwar am besten dort, wo sich Fahrer ohnehin gut auskennen. Auf diese Weise erhielten sie Erfahrungswerte, wie ihr Gerät reagiert, und wie gut sie den Routenempfehlungen vertrauen können. Nicht zuletzt kommen manche Irreführungen auch durch Bedienfehler der Nutzer zustande.

Prof. Krems empfiehlt darüber hinaus, als «Backup» den Atlas ins Auto zu legen - falls das «Navi» einmal ausfallen oder mit der Routenführung völlig daneben liegen sollte. Auch Jochen Katzer von Navigon warnt davor, sich ganz auf die moderne Technik zu verlassen: «Man sollte sich nicht sklavisch dem System gegenüber verhalten. Es ist und bleibt ein Hilfsmittel, das auch mal falsch liegen kann.» (dpa/gms)

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