Der Star ist die Strecke

Faszination Daytona International Speedway

Nicht jede Rennstrecke hat etwas derart Mystisches. Da gibt es die Nordschleife, den Stadtkurs von Monaco oder das Hochgeschwindigkeitsoval von Daytona. Der Kurs an der Küste Floridas gilt als Mekka des Motorsports – nicht nur bei Amerikanern.

Von Stefan Grundhoff

Die Sonnenregion rund um Daytona hat im nicht enden wollenden Sommer einiges zu bieten. Doch es gibt schmuckere Ecken in Florida und so lockt Daytona Beach das Jahr über in erster Linie zigtausende von Motorsportfans an. Für Rick, Bedienung in einer Sportsbar am International Speedway Boulevard, ist die Rennstrecke sein Leben.

Ein Tag ohne heulende Motoren und gewaltige PS-Boliden ist für den 46-Jährigen ein verlorener Tag. So wie Rick denken viele in dieser Region. Zwar hat die Rennstrecke nicht den Namenszusatz „grüne Hölle“ oder ein nahezu unerlernbares Kurvengeschlängel von mehr als 20 Kilometern, aber geht es um weltbekannte Kurse, steht Daytona kaum hinter dem Nürburgring. „Ich war noch nie in Deutschland“, erzählt Rick, „würde ich aber gerne einmal sehen. Und ein paar Runden auf dem Nürburgring wären das größte. Daytona und Nürburgring erleben – das wäre ein Traum.“

24 Stunden von Daytona

Der Amerikaner weiß nur wenig von den rund 80 Rennkurven der Nordschleife und nichts vom widerspenstigen Wetter in der Eifel. Mit seinen verwaschenen Bermuda-Shorts und den offenen Schlappen käme der 46-Jährige selbst im Sommer am Ring nicht weit. In der Racebar gegenüber der traditionsreichen Rennstrecke von Daytona ist heute nicht viel los. Der Saisonhöhepunkt, die 24 Stunden von Daytona sind ebenso vorüber wie das Nascar-Rennen der Daytona 500. Zu beiden Großveranstaltungen kommen die besten Rennfahrer der Welt, um sich unter der Sonne Floridas im harten Wettkampf zu messen. Die treuesten Fans kommen ebenso – sogar aus Europa und Asien.

Schließlich ist der Daytona International Speedway in der Motorsportwelt seit Jahrzehnten eine Legende. Der Kurs bestehend aus einem Hochgeschwindigkeits-Trioval und einem kurvigen Infield ist auf verschiedene Arten je nach Rennserie kombinierbar. Auf den bunt getünchten Rängen finden mehr als 170.000 Zuschauer Platz. Innerhalb der Strecke gibt es Campingplätze und tausende von Parkmöglichkeiten. Die Fans sind nirgends näher dran. Auch am Präsidenten. Denn gerade der abgelöste US-Präsident George W. Bush schaute in Amt und Würden gerne einmal bei den Rennen vorbei und ließ während der Begutachtung der Startaufstellung gerne einmal seine Air Force 1 über den Kurs donnern. In Sachen Showbiz macht den Amerikanern eben keiner etwas vor.

Daytona International Speedway
Die Rennstrecke von Daytona Press-Inform

Die Geschichte der Rennstrecke von Daytona beginnt Anfang der 50er Jahre. Ähnlich wie in Europa erfreuen sich Autorennen auch in den USA zunehmend großer Beliebtheit. Doch die geeigneten Strecken fehlen; so fährt die Vorzeige-Serie Nascar seit Ende der 40er Jahre beispielsweise auf alles andere als sicheren Straßenkursen – auch in Daytona. Nascar-Gründer Bill France war daher einer derjenigen, der Bau des Daytona Racetracks mit Hochdruck vorantrieb. Es sollte jedoch bis zum Februar 1959 dauern, ehe das erste Rennen im Surferparadies stattfinden konnte.

Ungezählte Siege

Seither werden Jahr für Jahr die Daytona 500, eines der traditionsreichsten Nascar-Rennen der USA, auf dem Kurs ausgetragen. Mit dem Speedway sind die Namen zahlreicher Rennfahrerlegenden fest verbunden. So gab bei der diesjährigen Auflage der „Rolex 24 Stunden“ das amerikanische Rennfahrer-Urgestein Hurley Haywood seinen Abschied. „Ich bin hier dieses Mal zum 37. Mal gefahren“, erzählt der 62jährige, „ich denke, es ist der rechte Zeitpunkt, um Schluss zu machen.“

Hurley Haywood kennt den Daytona Speedway wie kein anderer. Fünfmal hat er auf dem Hochgeschwindigkeitsoval von Daytona seine Konkurrenten besiegt, daneben dreimal in Le Mans und zweimal in Sebring gewonnen. Die Siege in anderen Klassen wie IMSA oder GT sind ungezählt. „Insgesamt bin ich wohl mehr als 600 Autorennen gefahren“, lacht er, „oder ein paar mehr.“ Wer an Daytona denkt, dem kommt neben Haywood auch Ausnahmerennfahrer Dale Earnhardt in den Sinn, der nach 34 Siegen bei den 500 Meilen des Jahres 2001 tödlich verunglückte.

Daytona International Speedway
Rennfeeling pur in Daytona Press-Inform

„Wenn ich Le Mans und Daytona vergleiche, muss ich sagen, dass es schwerer ist, hier in Daytona zu gewinnen“, erzählt Haywood, „hier ist das Spektrum der Fahrer breiter. Einige sind absolute Top-Profis aus den besten Rennserien der Welt wie Nascar, Formel 1 und Indy. Andere sind halbprofessionelle Fahrer und Gentleman-Driver, die sich in die Cockpits von Prototypen- und GT-Klasse eingekauft haben. Dazu kommt diese spezielle Strecke.“ Der Rennkurs in Daytona gehört neben dem Nürburgring und dem Kurs von Le Mans zu dem bekanntesten und spektakulärsten Rennstrecken der Welt. Bei den 24 Stunden von Daytona gibt es eine 3,6 Meilen lange Mischung aus dem Hochgeschwindigkeitsoval und dem kurvigen Innenkurs.

„Das sind an sich zwei komplett unterschiedliche Rennstrecken“, unterstreicht Porsche-Werksfahrer und Daytona-Experte Jörg Bergmeister, „überholen kann man fast nur auf dem Oval. Im Infield ist kaum etwas zu machen.“ Material und Fahrer werden in Daytona wie bei kaum einem anderen Rennen beansprucht. Besonders materialraubend sind die Langstreckenrennen. Mit Vollgas geht es stundenlang über die bis zu 33 Grad geneigten Steilkurven. „Anders als in Le Mans gibt es in Daytona beim Rennen zwölf Stunden Dunkelheit“, so Hurley Haywood, „in Le Mans sind es gerade einmal fünf. Man weiß nie, was einen beim nächsten Überholmanöver erwartet. Man muss seine Augen immer überall haben.“

Daytona International Speedway
Nachtfahrten sind immer eine besondere Herausforderung Press-Inform

Die aktiven Rennfahrerjahre sind für den ehemaligen Weltklassepiloten Elford schon fast 40 Jahre her. Doch nach Daytona kommt Elford immer wieder gerne. Er wohnt in Fort Lauderdale schließlich nur ein paar Stunden entfernt. Vic Elford kennt nicht nur in den USA jeder, der sich für Motorsport interessiert. Der Brite gilt bis heute als der vielseitigste Rennfahrer der Welt. Nachdem er zum Beispiel im Jahre 1968 die Rallye Monte Carlo gewonnen hatte, siegte er eine Woche später bei den 24 Stunden von Daytona. So etwas hat es bis heute nie wieder gegeben. Der Daytona International Speedway ist eben ein Kurs für Legenden.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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