Abwehr der psychologischen Grenze

Opel Autogas

Erdgas-Pionier Opel sattelt um. Während vor allem Flottenkunden Erdgas-Fahrzeuge nutzen, soll die Ausstattung von sieben Ecoflex-Modellen mit Autogas vor allem Privatkunden anlocken.

Von Thomas Flehmer

Die von Bundespräsident Horst Köhler angestoßene neue Diskussionen um eine Benzinpreiserhöhung kommt für Opel zum richtigen Zeitpunkt. Seit September 2009 bietet die auf alternative Antriebe spezialisierte hundertprozentige Opel-Tochter OSV (Opel Special Vehicles) Fahrzeuge mit Flüssiggas LPG (Liquefied Petroleum Gas) an und folgt damit dem Trend der vergangenen Jahre. Während Erdgas-Fahrzeuge vornehmlich von Flottenkunden geordert werden, ist die Zahl der Autogas-Fahrzeuge in den vergangenen Jahren im privaten Bereich sprunghaft angestiegen. Rund 400.000 Fahrzeuge mit dem flüssigen Gas sollen in diesem Jahr allein in Deutschland an den Mann oder die Frau gebracht werden. Damit ist der alternative Treibstoff, der seit Jahren vor allem in Südeuropa zum Alltag gehört, auch in Deutschland aus der Nische hervorgetreten.

Hinterhofatmosphäre abgelegt

Kaufgrund Nummer eins ist dabei der wieder steigende Preis für Benzin und Diesel. "Alles ist abhängig vom Spritpreis", sagt Opel-Produktmanager Andreas Marx, "bei 1,50 Euro für den Liter Superbenzin beginnt die Psychologie des Menschen sich zu aktivieren." Dann wird gerechnet. Der Liter Flüssiggas kostet je nach Region derzeit zwischen 60 und 65 Cent und daran wird sich in den nächsten acht Jahren auch nichts ändern. So lange ist Auto- wie auch Erdgas mit einer niedrigen Energiesteuer belegt, die sich auf neun Cent beläuft, während beim Benzin 66 Cent pro Liter an den Staat fließen und beim Diesel der Fiskus 47 Cent erhält.

Zudem hat die Betankung mit Autogas ihre Hinterhofatmosphäre abgelegt."5792 Tankstellen boten im vergangenen Jahr auch Autogas an, in diesem Jahr werden es mehr als 6000 sein", sagt Jürgen Keller, Geschäftsführer der OSV. Der ehemalige Chevrolet-Chef hat seine Erfahrungen mit Autogas bereits bei der GM-Tochter gemacht. Dort sind es rund zehn Prozent aller Chevrolet-Käufer, die ihren Neuwagen gleich mit Autogas ausstatten lassen

KFZ-Steuer schrumpft

Opel folgt nun diesem Weg. Rund 50.000 Fahrzeuge will der Hersteller in diesem Jahr mit Autogas zur Verfügung stellen. 250 Mitarbeiter sind bei der OSV in Rüsselsheim beschäftigt, jeweils "zehn Arbeiter sind an dem vier Stunden dauernden Prozess samt Prüfung beteiligt", so Markus Grassmuck, technischer Leiter bei Opel. Jeweils zwei Motorisierungen beim Agila, Corsa und Astra Caravan können umgebaut werden, beim Zafira läuft der 1,8 Liter große Benziner auch mit LPG. Rund 40 Prozent weniger Kraftstoffkosten stehen zu Buche, dank bis zu 15 Prozent weniger CO2-Emissionen verringert sich auch die KFZ-Steuer.

Der 52 Liter fassende Autogas-Tank verdrängt das Reserverad aus seiner Mulde oder ist im Zafira unter dem Fahrzeugboden montiert, somit bleibt der Platz im Kofferraum unangetastet. Im Cockpit links vom Lenkrad wird der Füllstand des Autogastanks angezeigt, eine integrierte Anzeige, die auch den Verbrauch anzeigt, gibt es nicht, soll aber kommen.

Kleiner Ruck nach 90 Sekunden

Ist das Auto im kalten Zustand, werden die ersten Kilometer mit Benzin zurückgelegt, ehe ein kleiner kurzer Ruck den automatischen Wechsel auf das Autogas an den Fahrer weitergibt. Das ist aber auch der einzige Unterschied, der sich bemerkbar macht. Die Leistung und die Fahreigenschaften bei den Wagen bleiben gleich. Lediglich beim Nachtanken erfreut sich der Fahrer daran, dass er nur gerade 30 Euro für einen vollen Tank bezahlen muss.

Dafür ist ein "leichter Mehrverbrauch" unumgänglich, so Bernhard Albers von der Opel-Motorenentwicklung. Zugleich aber werden die "Stickoxide bis zu 80 Prozent vermindert und Rußpartikel sind kaum vorhanden." Die Mixtur aus Butan und Propan sorgt für eine gleichmäßigere Verbrennung und erzielt so einen besseren Wirkungsgrad - trotz des Mehrverbrauchs, der im Agila bei rund eineinhalb Litern liegt. Die psychologische Grenze von 1,50 Euro bleibt aber weiterhin unangetastet.

Psychologische Grenze siegt über Vernunft

Opel dreht dazu noch an den Stellschrauben und bietet ab dem 1. April den Einbau für die Hälfte an. Anstatt 2200 Euro fallen nur noch 1100 Euro an. Damit sollen sich bei einer Laufleistung von 30.000 Kilometern im Jahr die Umbaukosten bereits innerhalb eines Jahres amortisiert haben. Auch wenn Opel jetzt auch mit dem flüssigen Gas lockt, bleibt der Erdgas-Pionier, der zu Beginn des Jahrtausends erstmalig Erdgas-Fahrzeuge anbot, dem Erdgas treu verbunden. "Erdgas ist effizienter und in der Abrechnung günstiger - schon ab dem ersten Kilometer”" sagt ein Mitarbeiter.

Doch auch hier gibt es eine psychologische Grenze, die letztendlich über der Vernunft siegt. Während Erdgas rund einen Euro das Kilogramm kostet, ist der Liter Autogas 40 Cent günstiger. Und diese Zahlenpsychologie zieht den Privatkunden an, während die Flotten weiter auf Erdgas setzen werden.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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