BMW C 600 Sport: Dynamisch durch den Stau

Zwei neue Maxi-Scooter

BMW C 600 Sport: Dynamisch durch den Stau
Die BMW C 600 Sport ist das bislang kleinste Modell im Portfolio. © BMW

BMW steigt ab April mit der C 600 Sport und der 650 GT gleich mit zwei neuen Modellen ins boomende Roller-Segment ein. Was die beiden Neuheiten des Münchner Motorradherstellers zu bieten haben, zeigt unser Test.

Von Frank Mertens

Als BMW im Jahr 2000 seinem Dachroller C1 auf den Markt brachte, waren die Münchner mit ihrem innovativen Produkt ihrer Zeit voraus. Damals war die Zeit noch nicht reif für einen solches Model - der C1 wurde wegen Misserfolgs drei Jahre später wieder eingestellt.

Nun startet BMW Motorrad einen zweiten Anlauf im Roller-Segment - und alle Zeichen deuten darauf hin, dass die beiden neuen Maxi-Scooter BMW C 600 Sport und C 650 GT zu einem Erfolg werden. Hendrik von Kuenheim jedenfalls, der Chef der Motorradsparte der Münchner, ist mehr als zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass wir im ersten vollen Verkaufsjahr 10.000 Fahrzeuge absetzen werden“, sagte Kuenheim bei der Vorstellung der beiden Maxi-Scooter in Madrid. Gemessen am Rekordjahr 2011 – hier konnte BMW Motorrad weltweit etwas mehr als 104.000 Motorräder absetzen – wären dies immerhin zehn Prozent des Gesamtabsatzes.

BMW setzt auf Boom im Roller-Segment

Ein ambitioniertes Ziel, ohne Frage. Doch ist es auch realistisch? Ja, denn während der weltweite Motorradmarkt seit Jahren kriselt, erleben die Scooter einen Boom. BMW will sich nun ein Stück dieses Kuchens sichern – und damit seine Wachstumsstrategie fortsetzen. Dem deutschen Markt kommt dabei indes nur eine untergeordnete Rolle zu. 70 bis 75 Prozent des Wachstums sollen in Italien, Frankreich und Spanien gemacht werden. Hier gehören Roller zum Alltagsbild in den Straßen. Entsprechend avancierten die beiden neuen BMW-Roller zum Hingucker bei den Testfahrten im Stadtzentrum von Madrid. Ein ums andere Mal zückten Passanten ihre Smartphones, um Fotos von den beiden Maxi-Scootern zu machen.

Übersichtliches Cockpit mit optionalen Navigationsgerät BMW

Wer sich in diesen Tagen in Madrid die Roller-Fahrer bei Temperaturen um die 18 Grad anschaut, sieht dabei viele Geschäftsleute im Anzug. Für sie ist ein Roller angesichts überfüllter Innenstädte das bevorzugte Verkehrsmittel. Wer im Auto unterwegs ist, steht in einer Stadt wie Madrid halt zumeist im Stau, auf dem Roller schlängelt man sich (zum Missfallen der Autofahrer) auf dem Weg zur Arbeit oder einem Geschäftstermin elegant durch den stockenden Verkehr. Genau diese (zahlungskräftige) Klientel hat BMW mit seinen beiden Modellen, die bei 11.100 Euro für die C 600 Sport und bei 11.450 Euro für die C650 GT beginnen, im Blick.

Sie verlangen aufgrund ihres veränderten Mobilitätsbedürfnisses und eines stetig steigenden Verkehrsaufkommens mit Zufahrtsbeschränkungen in die Innenstädte nach einer Alternative. Mit dieser Preisansage liegen die Münchner knapp über der Yamaha TMAX, die 10.995 Euro kostet und einer der Verkaufsschlager bei den Maxi-Rollern ist.

Ideales Fortbewegungsmittel für die Stadt

Seitenansicht des C 600 Sport BMW

Als BMW Motorrad vor drei Jahren beschloss, sein Angebot für diese Kunden auf den Bereich der Urban Mobility mit einem Scooter auszuweiten, hätten dabei vier Aspekte bei der Entwicklung im Vordergrund gestanden, wie Kuenheim sagt: ein klares Design, ein gutes Fahrwerk, ein agiler Antrieb und eine hohe Alltagstauglichkeit. Und, konnte der Anspruch erfüllt werden? Ja, die beiden Maxi-Scooter avancieren zu einem idealen Fortbewegungsmittel für die Innenstadt.

Unterwegs sind beide Modelle mit einem neu entwickelten Zweizylinder-Reihenmotor mit einer Leistung von 60 PS. Die Nennleistung stellt das von Kymco in Taiwan gebaute Aggregat (es verfügt über die EU4-Norm) übrigens bei 7500 Touren zur Verfügung, das maximale Drehmoment von 66 Nm wird bei 6500 Umdrehungen erreicht. Wer als Motorradfahrer erstmals auf den neuen Scooter der Münchner steigt, muss sich nicht nur an die ungewohnte Sitzhaltung gewöhnen, sondern vor allem auch an das CVT-Getriebe, das dem Fahrer das Schalten abnimmt.

Die neuen BMW Maxi-Scooter Seite an Seite BMW

Das ist ohne Frage eine Umstellung, da der intuitive Griff zur Kupplung vermieden werden sollte, will man nicht abrupt Abbremsen. Denn hier sitzt beim Scooter die Bremse. Doch daran gewöhnt man sich sehr schnell und will das gut arbeitende CVT-Getriebe gar nicht mehr missen. Damit der Scooter den Anspruch an eine hohe Alltagstauglichkeit erfüllt, wurde der Motor mit einer um 70 Grad nach vorn geneigten Zylinderbank verbaut. Das ermöglicht nicht nur einen niedrigen Fahrzeugschwerpunkt, sondern auch einen bequemeren Einstieg.

Bequeme Sitzposition

Wer sich für einen Scooter entscheidet, der verlangt nach einer bequemen Sitzposition, die einem beide Modelle bieten. Während die BMW C 600 Sport ihrem Fahrer aufgrund ihrer Ergonomie trotz der identischen Plattform etwas mehr Fahrdynamik liefert und eine Sitzhöhe von 81 Zentimetern verfügt, setzt der Tourer auf mehr Komfort. Hier gibt es nicht nur einen etwas höheren Lenker, eine einstellbare Rückenlehne und eine elektrisch einstellbares Windschild, sondern auch Trittbretter für den Sozius, während die Sportversion nur über Fußrasten verfügt. Mit 78 Zentimetern ist die Sitzhöhe auch etwas niedriger als auf dem sportlicheren Schwestermodell. Optional lassen sich für beiden Modelle übrigens Nettigkeiten wie Tagfahrleuchten, Reifendruckmessung, beheizbare Griffe und eine beheizbare Sitzbank ordern.

Bleiben wir kurz noch bei der Alltagstauglichkeit. Während beide Modelle über zwei kleine Ablagefächer im Frontbereich verfügen, verfügt die GT über einen Stauraum von 60 Litern. Hier lassen sich beispielsweise zwei Integralhelme verstauen. Das ist trotz der schmaleren Heckpartie auch bei der Sport möglich: Hier sorgt ein absenkbarer Staufachboden, von BMW Flexcase genannt, für zusätzlichen Platz. Ist das FlexCase ausgeklappt, lässt sich der Motor übrigens nicht starten. Ein Wegrollen des Scooters beim Parken auf abschüssigem Untergrund wird durch den Seitenständer verhindert; er fungiert beim Ausklappen als Parkbremse. Die Liebe zum Detail zeigt sich bei beiden Scootern auch bei der Stauraumbeleuchtung.

Gute Fahrdynamik

Dynamisch durch die Kurven BMW

Das Roller-Duo bietet seinen Fahrern ein ausgesprochen dynamisches Fortkommen. Bereits im Stand erklingt ein kerniger Sound. Wird die Bremse losgelassen, preschen die bayerischen Zwillinge nach einem kleinen Luftholen flott nach vorn und lassen an der Ampel die restlichen Verkehrsteilnehmer hinter sich. Wie bereits der Name vermuten lässt, ist die C 600 Sport mit ihren 249 Kilo noch einen Hauch dynamischer zu bewegen als der um zwölf Kilo schwerere Tourer. Das zeigt sich auch bei den Beschleunigungswerten: Während die Sport in 7,1 Sekunden Tempo 100 erreicht, sind es bei der GT 7,5 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit ist übrigens bei 175 km/h erreicht.

Doch eines haben beide Maschinen neben dem hohen Preis gemeinsam: sie bieten mit ihrem langen Radstand von 1,59 Metern ein souveränes Fahrverhalten und lassen sich unbeirrt mit flotten Tempo durch die Kurven lenken. Und sollte es einmal eng werden, verfügen beide Maschinen über ein gut arbeitendes ABS.

Mit einem Tankinhalt von 16 Litern bieten beide Maschinen übrigens eine Reichweite von rund 300 Kilometern. Apropos Tanken: Hier sollte BMW vor der Auslieferung der ersten Modelle noch einmal nachbessern. Die Plastikhalterung des Tankdeckels macht nicht den Eindruck, sehr langlebig zu sein.

Wer häufig längere Strecken zurücklegen will und nicht primär in der Stadt unterwegs ist, sollte sich für die GT entscheiden. Sie bietet nicht nur einen besseren Sitzkomfort, sondern durch das elektrisch verstellbare größere Windschild auch einen deutlich besseren Windschutz. Für die City-User indes dürfte die Sport die erste Wahl sein. Trotz ihres hohen Preises bringen die beiden neuen Maxi-Scooter von BMW alles mit, sich einen ordentlichen Marktanteil im Rollersegment zu sichern.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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