Zeitenwende in der Autoindustrie

125 Jahre Auto, Teil IV

Zeitenwende in der Autoindustrie
Der Hybrid-Pionier Toyota Prius ist am bekanntesten © dpa

Nach 125 Jahren steht die Zukunft des Autos am Scheideweg. Nicht nur bei den Antrieben ist ein Umbruch vonnöten, auch die Marktsituation verschiebt sich.

Wieder ist Pioniergeist gefragt. Zum 125. Geburtstag des modernen Automobils steckt die Branche mitten in einem tiefgreifenden Umbruch - dem vielleicht größten ihrer Geschichte. Die beiden zentralen Herausforderungen: Der Start ins umweltfreundliche Elektrozeitalter und die Verlagerung der Absatzzentren - die Zukunft der weltweiten Autoindustrie liegt vor allem in Asien.

Schwieriger Spagat

"Das Wachstum ist "Grün" und "Gelb"", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. Die Umwelt und Asien seien die ganz großen Aufgaben für die Branche. Christoph Stürmer vom Beratungsunternehmen IHS Global Insight spricht sogar von einer "doppelten Revolution", vor der die Branche stehe: "Einerseits verschieben sich Nachfrageschwerpunkte geografisch und machen damit neue Kapazitätsinvestitionen erforderlich." Zum anderen entstünden neue Technologien, die hohe Entwicklungsaufwendungen und Prozessinvestitionen benötigten.

"Wir haben das Auto einmal erfunden, wir werden es wieder tun", beschwört Daimler-Chef Dieter Zetsche die Innovationskraft seiner Branche. Doch dabei müssen die Hersteller einen schwierigen Spagat bewältigen, mahnt Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Allianzen als Alternative

Denn die Entwicklung neuer Antriebstechnologien wie Elektromotor und Hybridantrieb, aber auch der Brennstoffzelle, ist teuer. Und aus Expertensicht dürfte es wegen ungelöster Fragen etwa bei der Batterietechnik oder der Reichweite von Elektroautos noch viele Jahre dauern, bis Verbrennungsmotoren nicht mehr dominant sind. Also müssen die Hersteller die konventionellen Motoren weiter optimieren - und gleichzeitig in alternative Antriebstechnologien investieren. Der Umbruch hat aber schon für neue Allianzen gesorgt, zudem wird die Rolle der Zulieferer als Komplettanbieter gestärkt - und dies alles vor dem Hintergrund von weltweiten Überkapazitäten und einer Phase der Branchenkonsolidierung.

Dazu kommen wichtige Fragen für die deutsche Autoindustrie mit mehr als 700.000 Beschäftigten: Wo stehen künftig die Fabriken für die Batterien der Elektroautos, wo also entstehen neue Jobs? Sind Arbeitsplätze in Deutschland bedroht? Und welche Rolle spielen künftig die sogenannten Billigautos? Dudenhöffer betont, die größten Wachstumsraten gebe es im Segment der Autos unter 7000 Dollar.

Angriff aus China

Am Horizont droht zudem der Angriff aus dem Reich der Mitte: "Ab 2015 werden die Chinesen auch den deutschen Markt ins Visier nehmen", sagt Dudenhöffer." Derzeit seien sie noch damit beschäftigt, sich auf den heimischen Markt zu konzentrieren. Stürmer ergänzt: "Die neuen chinesischen Hersteller werden zunächst durch einen eigenen Konsolidierungsprozess gehen, bevor sie ihre finanzielle Stärke dann auch systematisch zum Angriff neuer Märkte einsetzen können."

Doch mittelfristig drohe die größte Gefahr von potenziellen Wettbewerbern fernab der Autoindustrie - etwa von Energieversorgern und Internetkonzernen, urteilt Bratzel. Offen ist nach Einschätzung von Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland, ob sich das Elektroauto durchsetzt. Denn ökologisch habe es nur Sinn, wenn der Strom fast ausschließlich regenerativ erzeugt werde. Und um die Elektroflitzer auf den Massenmärkten der Schwellen- und Entwicklungsländer zu verkaufen, müssten die Preise sinken.

Zentrale Rolle bleibt bestehen

Grundsätzlich aber wird der Siegeszug des Autos, der vor 125 Jahren begonnen hat, aus Expertensicht anhalten. "Die Rolle des Autos bleibt zentral", sagt Dudenhöffer. "Autos werden auch in 30 Jahren einen wesentlichen Teil ¬ über 50 Prozent - unserer Mobilität stellen." Das Zauberwort der Zukunft aber heiße "Vernetzung" - und zwar der verschiedenen Verkehrsträger.

Stürmer spricht von einer "intelligenten" Infrastruktur - mit zusätzlichen Funktionen, etwa die Vernetzung von Fahrzeugen zur Optimierung des Verkehrs über car-to- car-Kommunikation. "Auto-Mobilität wird jedoch in Zukunft anders aussehen", meint Bratzel und spricht von einer "Vision vom ökologisch sauberen selbstfahrenden "Auto"-Mobil" (dpa/tmn)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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