Ende der Euphorie rückt näher

Absatzboom durch Abwrackprämie

Ende der Euphorie rückt näher
Der Skoda Fabia © Foto: Skoda

Die aktuellen Absatzzahlen aus dem Juni weisen bei den meisten Autobauern zweistellige Wachstumsraten auf. Doch ein Ende des Absatzbooms ist absehbar – spätestens mit Auslaufen der Abwrackprämie.

Noch hält das Abwrackfieber in Deutschland an. Noch freuen sich die Autohersteller über den Absatzboom, der die Zulassungszahlen Monat für Monat in die Höhe treibt. Doch in der Autoindustrie wächst die Sorge vor dem dicken Ende - dass die Abwrack-Blase im kommenden Jahr platzt und die Neuzulassungszahlen wieder abstürzen. «Die eigentliche Krise der Autoindustrie steht erst noch bevor - wenn die Anreiz-Programme der Regierungen auslaufen, ist die wahre «Stunde Null»», heißt es in einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung AlixPartners.

Leerer Topf

Autoexperten rechnen damit, dass der Topf für die staatliche Abwrackprämie im Herbst leer sein wird. Der Deutschland-Chef der VW- Tochter Seat, Rolf Dielenschneider, erwartet für das nächste Jahr einen herben Einbruch der Neuzulassungen. Er befürchtet, dass die Zahlen von diesem auf das nächste Jahr um rund eine Million auf 2,6 Millionen abstürzen. 30 Prozent der prämienbedingten Käufe seien vorgezogen. «Diese Fahrzeuge fehlen kommendes Jahr dann bei den Umsätzen und Margen.»

Dielenschneider ist mit seiner düsteren Prognose nicht allein. Auch ranghohe Manager wie Daimler-Chef Dieter Zetsche hatten in den vergangenen Monaten den staatlich angeheizten Absatzboom als «Strohfeuer» bezeichnet. Geholfen hat es dem privaten Markt, der gewerbliche Markt musste im ersten Halbjahr 2009 deutliche Rückgänge hinnehmen.

Nachhall-Effekt

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer prognostiziert «Nachhall- Effekte» der Abwrackprämie, die den Markt deutlich nach unten ziehen werden. «Wir müssen fortgesetzt mit Kurzarbeit und Arbeitsplatzabbau in der Automobilindustrie rechnen», heißt es in einer aktuellen Studie Dudenhöffers. Und die Händler, die auf die Inlandsnachfrage angewiesen sind, warnt er schon jetzt vor: «Der Handel muss davon ausgehen, dass es nächstes Jahr Insolvenzen hageln wird.» Auch bei vielen Zulieferern steige in den nächsten zwölf Monaten das Insolvenzrisiko weiter.» Eine leichte Entlastung sei erst im zweiten Halbjahr 2010 zu erwarten.

Bislang stützt sich die gestiegene Inlandsnachfrage auf die Privatkunden - vor allem solche, die Kleinwagen kaufen. Damit die Branche im kommenden Jahr nicht ins Bodenlose stürzt, setzt der Verband der Automobilindustrie (VDA) auch auf einen spürbaren Anstieg bei der Nachfrage nach Dienstwagen. Für den Experten Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft in Nürtingen ist klar: «Wenn die nicht anspringt, haben wir ein Riesenproblem. Das ist der Dreh- und Angelpunkt.» Auch müssten die Hersteller sich verstärkt an die «gesellschaftliche Mitte» wenden, um den Absatz von Mittelklassewagen zu steigern.

Weltweite Krise

Die Abwrackprämie überdeckt die schwere Krise, in der sich die Branche seit Monaten befindet. Weltweit ist die Autokonjunktur nach wie vor im Keller. Selbst die Marke VW, die stark von der Abwrackprämie profitiert, stürzte im ersten Quartal 2009 in die roten Zahlen.

Die Autoindustrie hat große strukturelle Probleme: Weltweit gibt es enorme Überkapazitäten, die Autobauer setzten lange vor allem auf Wachstum. Auf vielen wichtigen Märkten toben Rabattschlachten, welche die Margen der Hersteller nach unten drücken. Der AlixPartners-Studie zufolge muss die weltweite Automobilbranche in diesem Jahr pro verkauftem Auto im Schnitt rund 1800 Euro Verlust verbuchen.

Die Automobilindustrie müsse sich auf eine lange Durststrecke einstellen, heißt es in der Studie. Viele Probleme seien hausgemacht: «Rabattprogramme oder «stille» Rabatte in Form von gehobener Ausstattung zum Nulltarif sind keine langfristige Lösung. Die globale Wirtschaftskrise hat einige Unternehmen der Autoindustrie nur schneller in das Ende der Sackgasse geführt - falsch abgebogen sind sie schon vorher.»

In der Branche dürfte es daher in den nächsten Jahren zu einer Marktbereinigung kommen. Die einst stolzen US-Autoriesen General Motors (GM) und Chrysler kämpfen mit staatlicher Hilfe ums Überleben, Ford will es allein aus der Krise schaffen. Die Zukunft der GM- Tochter Opel bleibt ungewiss. Noch bedrohlicher ist die Lage der Autozulieferer, es droht eine Pleitewelle. Und die Nutzfahrzeughersteller gehen durch ein tiefes Tal der Tränen. (dpa)

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