Deutsche Hersteller verschmähen Billig-Auto

Die deutschen Hersteller sehen keine Chancen für die Einführung eines Billig-Autos in Westeuropa. Sie bemängeln fehlende Mindestanforderungen und Profitabilität.

Von Axel Höpner und Can Merey

Auch nach der spektakulären Vorstellung des indischen 1700-Euro-Autos Tata Nano wollen die deutschen Hersteller lieber die Finger vom boomenden Markt der Billigst-Autos lassen. «Man darf eine Marke nicht verwässern», sagte ein VW-Sprecher am Freitag. Wo Volkswagen draufstehe, müsse auch Volkswagen drin sein. Die Qualitätshersteller hätten gewisse Mindestanforderungen an Sicherheit, Qualität und Technologie. Zudem bezweifeln viele in der Branche, dass sich ein Auto zu diesem Preis wirklich profitabel bauen lässt.

Schnell wachsendes Segment

In der Autobranche werden die Karten derzeit neu gemischt. Gefragt sind seit einigen Jahren vor allem Premium-Autos der Luxusklasse und billige bis billigste Kleinwagen. «Der Markt der Billigautos wird in den nächsten Jahren das am schnellsten wachsende Marktsegment im Weltautogeschäft», ist Automobilwirtschafts-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der FH Gelsenkirchen überzeugt.

Die Branche wächst vor allem in Zukunftsmärkten wie Osteuropa, China und Indien, und hier sind günstige Einstiegsmodelle gefragt. Laut sehr konservativen Prognosen würden im Jahr 2015 weltweit mindestens zehn Millionen Billigautos für weniger als 10.000 Dollar verkauft, sagt Dudenhöffer. Im vergangenen Jahr waren es gerade einmal 1,5 Millionen.

Keine Klimaanlage oder Heizung

Ein europäischer Autokäufer dürfte nach der Begeisterung über den niedrigen Preis des Nano allerdings ernüchtert feststellen, was dem indischen «Volksauto» an gewohnter Ausstattung alles fehlt: Die Basisversion hat weder eine Klimaanlage noch eine Heizung. Unter dem enormen Kostendruck verzichtete Tata auf eine Servolenkung ebenso wie auf elektrische Fensterheber.

Wer mit dem Nano auf Reisen gehen wollte - was sich auf einer Autobahn bei einer Höchstgeschwindigkeit von etwas über 100 Stundenkilometern recht langwierig gestalten würde - muss auf schweres Gepäck verzichten: In den wie einst beim VW-Käfer vorne im Nano untergebrachten Stauraum passt maximal ein Koffer.

Logan in Westeuropa ein Maßstab

Dacia Logan MCV Foto: AG/Flehmer

So basteln einige Hersteller wie zum Beispiel VW mit dem Up und einer Sparvariante des Polo denn auch an Modellen, die zwar unter 10.000 Euro, aber weit über dem Preisniveau des Tata Nano liegen. Auch bei anderen Branchenriesen wie Ford, General Motors und Honda sieht es ähnlich aus. Im Segment unter 7000 Dollar ist unter anderem Renault aktiv, der Dacia Logan gilt als Erfolgsmodell - auch in Europa. Zudem treten im Billigsegment unter anderem chinesische Anbieter, Fiat und Toyota an.

Viele Hersteller sehen die Entwicklung gelassen. Vor ein paar Jahren habe jeder Angst gehabt vor chinesischen Billiganbietern, heißt es bei einem Unternehmen. Dann habe ein Modell im Crash-Test des ADAC versagt, und es sei ziemlich still um die Chinesen geworden. Insofern müsse man erst einmal abwarten. Zwar erfüllt der Nano die indischen Sicherheitsbestimmungen, doch ob er damit das Vertrauen der Kunden in Europa gewinnen könnte, ist fraglich.

Außenspiegel beim Beifahrer fehlt

Tata-Chef Ratan Tata und der Tata Nano Foto: dpa

Die Standardversion, die in Indien ohne Mehrwertsteuer und Transportkosten umgerechnet rund 1700 Euro kosten wird, hat keine Airbags. Auch einen Außenspiegel auf der Beifahrerseite sucht man vergebens. Die zahlreichen potenziellen Käufer in Indien dürften das alles nicht schrecken: Viele von ihnen fahren bislang Motorrad, für sie würde ein Umstieg auf den Nano in jedem Fall ein gigantisches Plus an Komfort und Sicherheit bedeuten.

Tata Motors betont denn auch, der Nano sei so konzipiert, dass er entsprechend der Bedürfnisse anderer Märkte nachgerüstet werden könne. «Sollten wir das Auto morgen nach Europa oder in irgendein anderes Land als Indien schicken, wäre alles drin, was in diesem Land erforderlich wäre», sagt Tata-Sprecher Dabasis Ray. Ob man den Nano, der auf den ersten Blick an den Smart erinnert, jemals auf deutschen Straßen sehen wird, ist offen. Der Konzern will sich mit dem Nano in den nächsten Jahren auf Indien konzentrieren.

Weniger Stahl

Tata betont, mit dem Auto sei Geld zu verdienen. Konkurrenten bezweifeln das. «Da muss eine massive Quersubventionierung stattfinden», sagt ein Branchenexperte. Die Inder erklären dagegen, der niedrige Preis sei vor allem durch die Verwendung von weniger Stahl möglich. Konzern-Chef Ratan Tata sagt, es handele es sich beim PR-wirksamen Preis von 10. 000 Rupien für die Nano-Basisversion nicht um ein kurzlebiges Einführungsangebot. «Wir werden unser Bestes versuchen, den Preis zu halten.» (dpa)

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