23 Lehrlinge von Skoda haben einen Fabia in einen Kleinlaster verwandelt. Der Pickup ist ein greifbares Ergebnis der Skoda-Akademie, doch die Ziele sind viel höher gesteckt.
Von Axel F. Busse
Ihr größter Traum wird wohl nicht in Erfüllung gehen, aber trotzdem sind sie stolz wie Bolle: 23 Auszubildende des Skoda-Werks in Mlada Boleslav haben ein Auto gebaut, keine Seifenkiste, sondern einen komplett straßentauglichen Mini-Pick-up. Und auch wenn es wohl niemals eine Serienfertigung geben wird, dürfte dem Wagen der Applaus Tausender gewiss sein.
Nach Skoda Citigo nun Fabia unterm Messer
Den soll er nämlich auf dem 34. GTI-Treffen am Wörthersee bekommen, wenn sich Volkswagen-Verrückte wie jedes Jahr um Himmelfahrt zum größten Automarken-Spektakel Europas treffen. Es wird die offizielle Premiere des Kleinlasters namens FUNstar, dessen Frontpartie gerade noch an einen Skoda Fabia erinnert. Der tschechische Kleinwagen gab die Grundsubstanz für das ehrgeizige Projekt her, das die Führungsriege des Traditionsherstellers mit Wohlwollen begleitet und bisher nur ein Vorbild hat: das von Skoda selbst.
Im Jahr 2014 nahm sich eine Azubi-Gruppe einen Skoda Citigo vor, schnitt das Dach ab, zog zwei Überrollbügel und einen fetten Spoiler ein – fertig war der CityJet. Bei FUNstar steigen die zwei weiblichen und 21 männlichen Lehrlinge ein Segment höher ein. Und das mit gesteigertem technischem Aufwand. Allein die Rückleuchten sind Musterstücke der Filigrantechnik und beherbergen 320 Leuchtdioden.
Auszeichnung für Skoda-Azubis
Mehr als 80 Vorschläge für ein „Azubi-Car II“ sammelt die Gruppe ein, bis feststeht, ein Pick-Up soll es werden. Skoda-Chefdesigner Jozef Kaban gibt Ratschläge, Produktionsvorstand Michael Oeljeklaus und Personalvorstand Bohdan Wojnar lassen sich seit November 2014 kontinuierlich über den Fortschritt berichten. Der hintere Dachteil und die Rücksitzbank des Fabias verschwinden. Seitliche Verstrebungen geben die nötige Stabilität, zusätzlich werden die B-Säulen verstärkt. Anbauteile müssen abgeschliffen werden, in die Fronthaube kommen Luftschlitze und die lackierten 18-Zoll-Felgen des Octavia RS geben einen kraftvollen Auftritt.
„Die meiste Arbeit“, sagt Azubi Karel, „hat das Verspachteln von Fugen und Spalten gemacht“. So wie er sind die meisten hier um die 18 Jahre alt und sie wissen, dass die Mitarbeit an dem Azubi-Car eine Auszeichnung ist. „Wer hier mitarbeitet, hat vorher durch besondere Talente oder Leistungen auf sich aufmerksam gemacht“, erklärt Carsten Brandes die Zusammensetzung der Gruppe. Der deutsche Diplom Ingenieur ist Leiter der Skoda-Akademie, die zurzeit mit mehr als 800 Schülern den Fachkräfte-Nachwuchs nicht nur für das Werk in Mlada Boleslav ausbildet. In der Motorenwerkstatt wird an Aggregaten aus dem ganzen Konzern geübt und geschraubt, Ziel ist es, die jungen Leute zu befähigen, auch an anderen Produktionsstandorten im Volkswagen-Imperium arbeiten zu können.
Auch Seat mit Ausbildungs-Akademie
Der deutsche Marktführer exportiert seit Jahren nicht nur Autos, sondern auch Bildung: Das duale Ausbildungsprinzip seiner Heimat wird modifiziert in den abgelegensten Fertigungsstätten umgesetzt. So werden beispielsweise auch bei Seat in Martorell dem Fachkräfte-Nachwuchs auf diese Weise die nötigen Kenntnisse vermittelt. Und der Erfolg kann sich sehen lassen, obwohl die Voraussetzungen anderswo in Europa oft nicht so gut sind wie in Deutschland. Die Standardisierung habe die Ergebnisse deutlich verbessert, sagt Carsten Brandes, „und ist gar nicht so weit weg von der Qualität in Deutschland“.
Der Fantasie der jungen Leute sind bei der Realisierung ihres Projekts kaum Grenzen gesetzt. Als Motor kommt ein 1,2-TSI-Benziner mit 122 PS zum Einsatz. Als Getriebe dient ein modernes Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Die Ladefläche ist mit gebürstetem Edelstahl ausgekleidet und die sportliche Anmutung setzt sich im Interieur fort: Einzelne Elemente sind ebenfalls in den Farben Steel-Grey und Moon-White gestaltet. Auch ein Sportlenkrad und ein Resonator für die Abgasanlage dürfen nicht fehlen. Mit dem Soundsystem von 1400 Watt hat sich die Musikleistung des vormaligen AzubiCars fast verdreifacht. Dass bei der Arbeit am FUNstar der „Fun“, also Spaß, groß geschrieben wird, ist Programm und bei der ersten Präsentation des Showcars diese Woche unübersehbar. Mit viel Enthusiasmus und nicht weniger Selbstbewusstsein erläutern die jungen Leute ihre Vorbereitungen und Arbeitsschritte bis zum fertigen Produkt.
880 Azubis in 13 verschiedenen Ausbildungsgängen
Die Skoda-Akademie bietet jungen Menschen eine drei- oder vierjährige Ausbildung in technischen Fächern mit dem Gesellenbrief oder dem Abitur als Abschluss. 880 Azubis in 13 verschiedenen Ausbildungsgängen sind derzeit im Tagesstudium eingeschrieben, davon 12,5 Prozent Mädchen. Im Aufbaustudium ergänzen 65 Mitarbeiter ihre bestehende Qualifizierung. Die Einrichtung ca. 60 Kilometer nordöstlich der tschechischen Hauptstadt Prag besteht bereits seit 1927. Seitdem haben dort knapp 22.000 Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung abgeschlossen.