Paris kontert Krise mit Staatshilfen

Finanzspritze für Elektroautos

Paris kontert Krise mit Staatshilfen
Mitarbeiter vor der PSA-Zentrale © dpa

Die französische Regierung will mit Staatshilfen den angeschlagenen heimischen Autoherstellern unter die Arme greifen. Besonders die bisher absatzschwachen Elektroautos geraten dabei in den Mittelpunkt.

Von Ralf E. Krüger

Öko-Staatshilfe contra Krise. Mit diesem Motto will Frankreichs Regierung die angeschlagene heimische Autoindustrie wieder auf Erfolgskurs bringen. Frankreich gehe mit seinem am Mittwoch präsentierten Rettungsplan in die Offensive, tönte Premierminister Jean-Marc Ayrault. Die nationale Automobilindustrie werde sich dank öffentlicher Hilfe selbst neu erfinden, jubelte der zuständige Minister Arnaud Montebourg. Der Sektor brauche Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Solidarität, dann sei «die Renaissance des französischen Automobilbaus» gesichert. Es ist die der ersten großen Bewährungsprobe für die Regierung des neuen Präsidenten François Hollande.

Gewerkschaft: «Die Regierung verfehlt das Ziel!»

Die bittere Realität: Hollande und seine Regierung konnten angesichts von Budgetzwängen und der Kürze der Zeit nach ihrem Amtsantritt kaum den Turbo einschalten. Aus Sicht von Gewerkschaftsfunktionär Jean-Pierre Mercier hat es lediglich für ein zaghaftes Antippen des Gaspedals gereicht. «Die Regierung verfehlt das Ziel!», sagte er im TV-Nachrichtensender BFM. Statt Entlassungen wie beim kriselnden Marktführer PSA Peugeot Citroën zu verhindern, fördere sie mit dem Geld des Steuerzahlers Unternehmen, die auf vollen Kassen säßen. PSA etwa habe fast neun Milliarden Bares in seiner Kriegskasse.

Die Regierung sieht das anders - sie verweist auf Gegenleistungen, die sie für ihre zunächst bis Ende 2012 in Aussicht gestellte Hilfe verlangt. Dazu zählen vor allem Standort-Garantien der Hersteller und auch ein Verbot, bei bestehenden Modellen an der Preisschraube zu drehen. Kommendes Jahr soll die Hilfe dann noch mal überprüft werden.

Elektroauto-Absatz ankurbeln

Ein Bonus-Malus-Systems soll nach dem Plan den Kauf abgasarmer Autos zu Lasten verbrauchsstärkerer Mittelklassewagen mit hohem CO2-Ausstoß begünstigen. Die Staatshilfe zielt nach Medienberichten indirekt auch auf die mit ihren Mittel- und Oberklassewagen erfolgreichen deutschen Autobauer. Mit Blick auf die verdoppelten Kaufprämien für abgasarme Hybrid-Autos (4000 Euro) ahnte die Zeitung «Le Parisien» am Mittwoch bereits: «Um die Unterstützung der großen (deutschen) Limousinen zu vermeiden, die mehr und mehr diese Technologie nutzen, könnte die Regierung den Grad der Verschmutzung (durch die Abgase) in den Mittelpunkt stellen.»

Frankreichs Regierung hofft mit ihrer Initiative den bisher recht schwachen Absatz der Elektrowagen nachhaltig anzukurbeln, in die französische Unternehmen viel Geld für die Entwicklung gesteckt haben. Denn nach Medienberichten sind diese Wagen bisher alles andere als ein Kassenschlager: im ersten Vierteljahr wurden gerade mal 2200 Elektro- und etwa 10.000 Hybrid-Autos in Frankreich verkauft.

PSA-Chef kündigt Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb an

Beim schwer angeschlagenen Marktführer PSA Peugeot Citroën sprach Konzernchef Philippe Varin auf einer Pressekonferenz daher von einer «exzellenten Nachricht» und betonte: «Wenn es Hilfen für Hybridautos gibt, wird es uns natürlich dazu veranlassen, unsere bestehenden Modelle weiter zu entwickeln.» Mit seinem japanischen Partner Mitsubishi bietet PSA bereits die Modelle Citroën C Zéro und den Peugeot Ion an. «Wir werden bald schon kleine Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb anbieten», kündigte Varin an.

Die französische Automobilindustrie hat nach Regierungsangaben in den vergangenen zehn Jahren etwa ein Drittel ihrer Beschäftigten verloren, Nach Branchenberichten hat sie heute 246.000 Beschäftigte. «2012 werden lediglich zwei Millionen Fahrzeuge gebaut werden, 2005 waren es gegen 3,5 Millionen», teilte Montebourgs Ministerium in einer Erklärung mit. Die Gründe? Neben zu hohen Produktionskosten verweisen Analysten etwa im Fall von PSA auch eine zu große Abhängigkeit vom stark schrumpfenden europäischen Markt mit dem Einbruch vor allem in den südlichen Euro-Krisenländern. Knapp 60 Prozent der produzierten PSA-Fahrzeuge werden weiter dort verkauft, Konkurrenten wie Volkswagen und Renault liegen deutlich darunter.

Einen weiteren Grund hat Minister Montebourg in unlauterem Wettbewerb aus Fernost ausgemacht: ein Freihandelsabkommen mit Südkorea will er daher von der Europäischen Union «unter Beobachtung» stellen lassen. Vom Abschluss des Freihandelsabkommens mit der EU haben seit den ersten Zollsenkungen Anfang Juli 2011 offensichtlich die koreanischen Exporte überproportional profitiert. (dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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