Volvo P1800: 50 Jahre Schneewittchensarg

Legendäres Design

Seine Heckflossen sind legendär, sein Äußeres erregte Aufsehen. Der Volvo P1800 ES, besser bekannt als Schnewittchensarg, feiert in diesem Jahr seinen 50 Geburtstag.

Von Heiko P. Wacker

Bereits beim Debüt erregte die verspielte Karosse des Volvo P1800 Aufsehen. Kleine Flossen am Heck und der muskulöse Unterbau haben den 2+2-Sitzer zu einem echten Blickfang des Brüsseler Automobil-Salons 1960 gemacht - im Jahr darauf stand der stilvolle Schwede in den Verkaufsräumen. Wobei man nicht so ohne Weiteres von einem "echten Schweden" reden sollte, hatte der Wagen doch internationale Wurzeln. Der Entwurf nämlich entstand bereits 1957 bei Frua in Turin. Die Karosserie wiederum wurde in Schottland gepresst, während die ersten 6 000 Exemplare in England montiert wurden. Verkauft wurden die knapp 40 000 Fahrzeuge indes vor allem auf dem US-amerikanischen Markt.

Gute Fahrleistungen inklusive

Da zahlreiche Komponenten der Limousine Volvo Amazon beim Sportcoupe P1800 Verwendung gefunden haben, wird er auch von dem legendären B18B-Motor angetrieben, der mit seinen 90 PS durchaus standesgemäße Fahrleistungen ermöglicht. Zwar ist der Schwede deshalb noch lange kein GT, aber eben doch ein potenter Wagen, der sich auf den damals leeren Autobahnen zügig fortbewegen ließ. Allerdings war der Volvo P1800 mit einem Startpreis von 17.500 D-Mark kein Auto für jedermann. Zum Vergleich: Eine "Heckflosse" von Mercedes-Benz mit 95 PS kostete 1961 ab 10.800 Mark.

Ein illustrer 100er-Kreis

Der Volvo P1800 mid

Eng mit dem P1800 verbunden ist der Name des Designers Pelle Petterson, der Ende der 50er zusammen mit seinem Vater Helmer Petterson - gerne als "Vater des Buckel Volvo" tituliert - die ersten Prototypen gefertigt hat. Im Jahr 2000 wählte eine Experten-Jury den Volvo P1800 in die Reihe der wichtigsten 100 Automobile des 20. Jahrhunderts.

Ab 1971 debütierte dann das bekannte Schwestermodell des P1800 mit dem Namenszusatz "ES". Wegen der ungewöhnlich großen Heckklappe hat es rasch den Spitznamen Schneewittchensarg bekommen. Der Dreitürer bietet als Sportwagen mit Kombiheck bis heute einen großen Alltagsnutzen, können doch die hinteren Sitze nach vorn geklappt werden. Das Resultat ist eine ebene Ladefläche.

Die Ledersitze sorgen auch heute noch nach längeren Fahrten für einen schmerzfreien Rücken. Und beim Herunterdrücken des Gaspedals strahlt das Gesicht des Fahrers aus Freude über das satte Motorengeräusch. Die beiden Rücksitze bereiten da eher etwas weniger Spaß. Sie fassen nicht mehr als eine große Sporttasche und ein paar Jacken. Personen finden dort so gut wie keinen Platz. Doch das macht gar nichts, denn wenn man ihn als Sportwagen mit seinen klaren Abmessungen sieht, die beim rückwärts Einparken einen großen Vorteil bieten, so lässt sich der "Schneewittchensarg" auch heute noch als alltagstauglich beschreiben. Freunde von Oldtimer-Rallyes wie der Autohaus Santander Classic-Rallye im Osten Deutschlands oder auch der Eifel Classic werden ihn daher dort das ein oder andere Mal zu Gesicht bekommen.

Dennoch blieb das interessante Auto damals mit nur 8 077 Einheiten deutlich hinter der sportlichen Limousine P1800 zurück, für den die Uhr beim Produktionsende am 22. Juni 1972 in einer Höhe von 39 414 Einheiten stehen geblieben ist. Nicht wenige Modelle haben bis heute überlebt, so dass die Marktsituation für diese Oldtimer keineswegs problematisch ist. Selbst den "Schneewittchensarg" findet man allenthalben, wobei man für ein wirklich ordentliches Fahrzeug rund 20 000 Euro kalkulieren muss. Der Preis für einen "normalen" 1800er liegt ein Stück niedriger - sofern man angesichts der sündig-verspielten Form tatsächlich von "normal" reden kann. Denn das ist dieser Schwede mit seinen internationalen Wurzeln nicht. (mid)

Vorheriger ArtikelAutovermierter Europcar kauft 80.000 Neuwagen
Nächster ArtikelTriumph Daytona 675R: Edler Supersportler
Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

Keine Beiträge vorhanden