«Verbraucherschutz geht nicht ohne Kontrolle»

Interview mit Gerd Lottsiepen vom VCD

Der Verkehrsclub Deutschland begrüßt die Einführung einer Kennzeichnung für energieeffiziente Autoreifen. Für den verkehrspoltischen Sprecher des Clubs, Gerd Lottsiepen, geht die Regelung aber nicht weit genug, wie er der Autogazette sagte.

Das Europaparlament hat eine Kennzeichnungspflicht für Autoreifen beschlossen. Ab dem 1. November 2012 soll ein Label Auskunft über Treibstoffverbrauch, Sicherheit und Lärmbelästigung der Pneus geben. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt diese Einführung, äußert aber auch deutliche Kritik und fordert neben einer schnellen Einführung des Labels auch eine Kontrollinstanz.

«Es ist jetzt genügend Zeit da, dass ein vernünftiger Kontrollmechanismus eingeführt wird. Verbraucherschutz bringt nur dann etwas, wenn auch kontrolliert wird», sagte der verkehrspolitische Sprecher des VCD, Gerd Lottsiepen, im Interview mit der Autogazette.

Anhaltspunkt für Energieeffizienz

Autogazette: Autoreifen müssen ab November 2012 ein Energiesparlabel tragen. Ist das ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz?

Gerd Lottsiepen: Ja, dadurch bekommen die Verbraucher erstmals einen Anhaltspunkt für die Energieeffizienz eines Autoreifens.

Autogazette: Worüber gibt die neue Kennzeichnung Aufschluss?

Lottsiepen: Über den Rollwiderstand und damit den Spritverbrauch, den Wet Grip, das heißt das Bremsverhalten eines Reifens bei Nässe sowie die Lärmentwicklung.

Autogazette: Und wie erkenne ich das?

Lottsiepen: Es ist ähnlich wie bei Kühlschränken. Es gibt eine Skala von einem grünen A für die beste und ein rotes G für die schlechteste Effizienz. Beim Lärm wird nur der Dezibel-Wert angegeben.

Fünf Prozent Ersparnis

Autogazette: Wie viel Benzin kann mit einem effizienten Reifen gespart werden?

Lottsiepen: Es sind gut fünf Prozent, die mit einem guten Reifen eingespart werden können. Für jeden Reifen gilt: Er muss gut aufgepumpt sein.

Autogazette: Die Hersteller haben die Wahlmöglichkeit, das Label direkt am Reifen oder aber an einem im Schauraum ausgestellten Reifen anzubringen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, das Label zur Vergleichbarkeit nur am Pneu anzubringen?

Lottsiepen: Natürlich wäre es besser gewesen, es deutlich am Reifen anzubringen. Wir hatten verlangt, dass jedem Reifen dieses Label zugeordnet wird. Beispielsweise hätte es aufgestanzt werden können. Derzeit reicht es, dem Kunden ein Blatt mit der Einstufung des gekauften Reifens vorzulegen. Der aufgeklärte Kunde sollte sich vor der Kaufentscheidung verbindlich zusichern lassen, dass er einen effizienten Reifen mit gutem Label aufgezogen bekommt.

Autogazette: Ihre Kritik an der Umsetzung geht aber noch weiter…

Lottsiepen: …ja, denn das, was jetzt beschlossen wurde, ist ein Kompromiss. Daran waren die Regierungen, die Autoindustrie, die Autoclubs und die Reifenhersteller beteiligt. Alles dauerte viel zu lang. Und die Regelung ist zu kompliziert. Wir hätten uns ein klares Spritverbrauchslabel gewünscht mit einer Zusatzinformation zum Lärm. Der Wet Grip deckt nur einen Sicherheitsaspekt ab. Unsichere Reifen sollten schlicht verboten werden. Aber jetzt haben wir eine Entscheidung und nun ist die Zeit zu handeln. Der VCD fordert, dass die Reifenhersteller das Label schnell einsetzen.

Einsparnis durch weniger Verbrauch

Autogazette: Gehen mit diesem Label nicht auch höhere Reifenkosten einher?

Lottsiepen: Nein, denn durch die Spritersparnis spare ich letztlich Geld ein, auch wenn ich zuvor etwas mehr für einen effizienten Reifen bezahlen musste.

Autogazette: Wenn man ein solches Label einführt, muss auch geklärt sein, wie man die Umsetzung kontrolliert und wie man eine Nichteinhaltung sanktioniert. Gibt es da schon Regelungen?

Lottsiepen: Nein, die gibt es noch nicht. Wir befürchten auch hier, dass es ein Hauen und Stechen geben wird und das Bundeswirtschaftsministerium es auf die Länder schiebt. Es ist jetzt genügend Zeit da, dass ein vernünftiger Kontrollmechanismus eingeführt wird. Verbraucherschutz bringt nur dann etwas, wenn auch kontrolliert wird.

Kritik an Herstellern

Autogazette: Tun die Reifenhersteller bereits heute genug, um den Kunden effiziente Reifen anzubieten?

Lottsiepen: Nein, das tun sie nicht, sonst hätte sie den «Blauen Engel» genutzt.

Autogazette: Warum hat er sich nicht durchgesetzt?

Lottsiepen: Die Reifenhersteller hatten erst konstruktiv bei der Festlegung der Kriterien für den Blauen Engel mit gearbeitet, sich dann aber aus dem Prozess zurückgezogen und Informationen vorenthalten. Bis auf wenige Ausnahmen hat niemand den Blauen Engel beantragt. Im Rückblick kann man dies als ein Informationsverweigerungskartell gegenüber dem Verbraucher bezeichnen. Auch deshalb brauchen wir die verbindliche EU-Richtlinie.

Das Interview mit Gerd Lottsiepen führte Frank Mertens

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