Fiat 131 Mirafiori: Mit Walter Röhrl zum Mythos

Sein Design sorgte, nun ja, nicht gerade für Adrenalinschübe. Aber der Fiat 131 war schnell in den Siebzigern – und lässt an Walter Röhrl und die Rallye Monte Carlo denken.

Von Heiko Haupt

Es gibt Automobile, die wohl nur wenige mit den Begriffen Exot oder Liebhaberfahrzeug in Zusammenhang bringen. Gern wird von leistungsstarken Sportwagen der Vergangenheit geschwärmt oder an die Heckflossen amerikanischer Straßenkreuzer erinnert. Andere Fahrzeuge dagegen scheinen von Anfang an so konzipiert zu sein, dass sich nach ein paar Jahren kaum noch jemand an sie erinnert. Ein Paradebeispiel dafür ist der Fiat 131 Mirafiori. Auch nach mehr als 30 Jahren sind es vor allem Liebhaber, die ihn auf der gedanklichen Liste interessanter Klassiker haben. Die überwiegende Zahl der Autos hat sich in der Zwischenzeit ohnehin durch den langsamen Rosttod dem Oldtimerstatus entzogen.

«Vorteile durchdachter Maßarbeit»

Es fällt schwer, einen Fiat 131 zu beschreiben. Wie er aussah? Ziemlich eckig - so wie Dutzende anderer Autos der siebziger Jahre auch. Was er an besonderen Merkmalen hatte? Keine, höchstens noch die Doppelscheinwerfer bei bestimmten Ausstattungsvarianten, die mit etwas gutem Willen an einen BMW erinnern könnten.

Selbst die Werbetexter hatten ihre Mühe mit dem 1974 erschienenen Mittelklassemodell. Während seinerzeit in Anzeigen und Prospekten die Superlative Einzug hielten, konnte man sich für den 131 bestenfalls zu Formulierungen wie «Die Vorteile durchdachter Maßarbeit» durchringen. Auch die längeren Beschreibungen waren kaum in der Lage, mögliche Kaufinteressenten aus dem Sofa zu reißen, um umgehend beim Händler einen Vertrag zu unterschreiben: «Das Maß für die Entwicklung des 131 Mirafiori ist der Mensch. Mit all seinen Wünschen, dem modernen Verkehr die besten Seiten abzugewinnen.» Nach intensiver Recherche fand man dann doch etwas, das den Fiat von der Konkurrenz abhob: «Er bietet die größte Sitzbreite seiner Klasse.»

Rost mit Verzögerung

Das alles erscheint doch als relativ wenig für ein Auto, das keine geringere Aufgabe hatte, als das Erfolgsmodell Fiat 124 zu beerben. Der hatte es 1966 immerhin zum Titel «Auto des Jahres» gebracht, fuhr beachtliche Verkaufszahlen ein und durfte sogar als Basis für einen schicken Spider dienen. Der 124 sollte sich sogar als so langlebig erweisen, dass die in riesigen Stückzahlen auf Fiat-124-Basis gebauten russischen Lada-Modelle bis heute die Straßenbilder in vielen Ländern prägen.

Brav, ganz brav: So bewegten Familienväter den Fiat 131 in der Regel Foto: dpa

Der 131 sollte nun alles ein wenig besser können als sein so erfolgreicher Vorgänger. Konnte er im Grunde auch: Er war moderner, der Fahrkomfort war ordentlich, Platz gab es im Inneraum genügend. Alles in allem war er also eigentlich kein schlechtes Auto - nur eben völlig nichtssagend. Bei Fiat selbst hoffte man für den unscheinbaren Neuen jedoch auf eine große Karriere, so dass man ihm mit der Modellbezeichnung sogar eine Ausnahmestellung im Programm zuwies. Der 131 Mirafiori war der erste Fiat, der gleichzeitig eine Zahl und einen Begriff als Merkmal trug. Hinzu kam, dass Mirafiori ein Hinweis auf das gleichnamige Fiat-Werk in Turin war - der Name wies ihn also als «den» Fiat schlechthin aus.

Man gab sich sogar Mühe, ein typisches Fiat-Problem zu beseitigen: Damit der 131 länger als bei der Marke üblich auf den Straßen glänzte, hatte man sich vergleichsweise intensiv dem Thema Rostvorsorge gewidmet. Das Ergebnis war, dass die Fahrzeuge in den ersten Jahren tatsächlich kaum unter Korrosion litten. Nach einer Weile gaben sich die Bleche dann aber alle Mühe, die verlorene Zeit bis zur endgültigen Durchrostung aufzuholen.

Durch Walter Röhrl zur Legende

Die Technik dagegen gab sich recht langlebig und unverwüstlich. Das lag auch daran, dass sich manche Komponente - wie etwa das Grundprinzip der Motoren - schon im Vorgänger bewähren konnte. Die Motorleistungen sorgten zusätzlich dafür, dass es dem Fahrer kaum gelingen konnte, durch forsches Fahren die Materialien an ihre Grenzen zu bringen. Die Basis bildete zunächst ein 1,3-Liter-Motor mit 55 PS, daneben gab es noch 1,6 Liter Hubraum mit 75 PS.

Damit wäre eigentlich schon alles über den vergessenen Fiat gesagt - wäre da nicht noch die überraschende sportliche Karriere, die kaum jemand dem Langweiler aus Turin zugetraut hätte. Den Anfang machte 1976 das Modell 131 Abarth, das von einem 140 PS starken 2.0-Liter-Motor angetrieben wurde. Im Hinblick auf die überschaubare Anhängerschar könnte dieses Auto durchaus als Mitbegründer der Gattung Nischenmodell angesehen werden. Tatsächlich aber war er Wegbereiter einer Karriere auf den Pisten dieser Welt - vor allem im Bereich der Rallyes.

Untrennbar verbunden sind die sportlichen Erfolge des Fiat 131 mit dem deutschen Rallye-Piloten Walter Röhrl. Der war erstmals 1977 mit dem Fiat unterwegs. 1978 konnten schon einige Erfolge verzeichnet werden. Das wirklich große Jahr für die Kombination Fiat-Röhrl war allerdings 1980: Schon zu Jahresbeginn fuhr der Deutsche mit dem 131 einen überlegenen Sieg bei der legendären Rallye Monte Carlo ein. Es folgten weitere Siege und Topplatzierungen. Am Ende war die Paarung schließlich Weltmeister.

Ja, es gab einen Kombi

Fast schon selbstverständlich, dass man diesen Erfolg auch in Verkaufszahlen umsetzen wollte. 1981 stand daher unter anderem das Sondermodell Walter Röhrl des 131 Mirafiori bei den Händlern. Die zweitürige Ausführung der gesichtslosen Familienkutsche war unter anderem mit Dach- und Heckspoiler aufgewertet worden. Außerdem gab es Autogramm-Aufkleber mit der Unterschrift des Weltmeisters.

Zu dieser Zeit befand sich der 131 allerdings schon in der Endphase seines Daseins als Serienmodell. In der Zwischenzeit hatte er mehrere Veränderungen hinter sich gebracht, die ihn auf der Höhe der Zeit halten sollten. Bereits 1978 erfolgte das erste Facelift, die so genannte Serie III kam 1981 unter anderem mit üppigen Stoßfängern aus Kunststoff. Ein Dieselmotor war Ende der siebziger Jahre ins Programm aufgenommen worden, es gab den 131 Sport mit 115 PS, einen so genannten Supermirafiori und auch einen Panorama genannten Kombi, an den sich heute wohl nur noch die wenigen ehemaligen Eigner eines solchen Fahrzeugs erinnern können.

Während er auf der Rallye-Piste für Furore sorgte, konnte der 131 auf der Straße nie an die Erfolge seines Vorgängers anknüpfen. Selbst wer heute eines der wenigen erhaltenen Exemplare erblickt, wird angesichts der bestenfalls als zweckmäßig zu bezeichnenden Formgebung kaum besondere Gefühle für den 131 Mirafiori entwickeln. Es sei denn, der Wagen steht neben einem Fiat Regata - der übernahm 1982 die Nachfolge und schaffte das Unmögliche, indem er den 131er in Sachen Langweiligkeit problemlos übertrumpfte. (dpa)

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