Ente im Rentenalter

60 Jahre 2CV

1948 war das Geburtsjahr vieler Fahrzeuge oder Marken. Frankreich feiert ein das Auto, das in ganz Europa Kultstatus errungen hat.

Von Heiko Haupt

Geschichte wiederholt sich, sagt man. Und manchmal sieht es tatsächlich so aus: Derzeit wird wieder verstärkt vom Billigauto gesprochen. Von Autos also, die für wenig Geld Mobilität garantieren und Menschen Nutzwert für den Transport von Familien oder Waren bieten. Im Grunde keine schlechte Idee, allerdings auch keine neue. Ähnliches hatte in Frankreich der Autobauer Citroën schon im frühen 20. Jahrhundert vor. Das Ergebnis wurde vor 60 Jahren präsentiert und ist heute eine Legende: der 2CV, meist Ente genannt.

Praktisch und günstig

Als Citroën am 7. Oktober 1948 auf dem Pariser Automobilsalon die Premiere des kleinen 2CV feierte, war die Idee dahinter schon mehr als 20 Jahre alt. Denn der Gedanke an ein simples Auto für die Franzosen soll schon Mitte der 20er Jahre entstanden sein. Damals blickte den Überlieferungen zufolge ein Mann namens Pierre Boulanger aus den Fenstern seines Hauses auf die Straßen - und was er sah, brachte ihn ins Grübeln. Vor allem die Bauern brachten seinerzeit ihre Waren noch mit von Hand gezogenen Karren zu den Märkten. Wer etwas mehr Geld hatte, der leistete sich immerhin ein Pferdefuhrwerk.

Also kam Boulanger auf den Gedanken, dass man doch ein praktisches und günstiges Automobil entwerfen sollte. Die Sache hatte nur einen Haken: Boulanger arbeitete bei Michelin, und dort hatte man es vornehmlich mit Reifen zu tun, nicht mit kompletten Autos. Das Schicksal allerdings wollte es, dass Michelin 1934 die Aktienmehrheit an Citroën erwarb. Mit der Folge, dass Boulanger zu Citroën wechselte und dort einige Jahre später sogar Vorstandsvorsitzender wurde.

Nur ein Scheinwerfer

Der Prototyp von 1939 Foto: Citroen

Seine alte Idee hatte Boulanger noch nicht vergessen. Vielmehr sah er nun eine Chance, sie auch wahr werden zu lassen. Den Ingenieuren soll er seine Idee mit folgenden Worten skizziert haben: «einen Wagen, der vier Personen und einen Zentner Kartoffeln oder ein großes Fass mit einer Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern transportieren kann.» Und viel kosten sollte das Auto auch nicht.

Also machten sich die Entwickler an die Arbeit. 1939 war es dann soweit. 250 Prototypen des TPV (Tout Petite Voiture, auf Deutsch: ganz kleines Auto) genannten Kleinwagens standen bereit, die optisch bereits entfernt dem späteren Serienfahrzeug ähnelten. Allerdings trugen die Erstlinge vorne eine Haube, die stark an ein Gitterrost erinnerte, statt zweier Scheinwerfer gab es vorerst nur einen.

Rolldach kein Design-Gag

Aus Mangel an Rohstoffen entstand ein Cabrio Foto: Citroen

Doch die Entwicklungsarbeiten wurden eingestellt. Es tobte nun der Zweite Weltkrieg, und man hatte anderes im Kopf als kleine Autos. Wäre die Geschichte anders verlaufen, wer weiß, ob der erste echte Volkswagen nicht aus Frankreich gekommen wäre? So aber lief in Wolfsburg 1945 der Käfer vom Band, während sich die Franzosen noch gedulden mussten - und zwar auch nach der Premiere in Paris. Produktionsanlagen waren noch nicht vorhanden und Rohstoffe knapp.

Der kleine Citroën nahm auch indirekt Rücksicht auf die Materialknappheit. So ist etwa das später so beliebte Rolldach kein Design-Gag. Vielmehr sparte der Hersteller dadurch Material. Ohnehin war die Ente besonders zu Beginn ihrer Zeit ein Paradebeispiel dafür, wie weit Sparsamkeit im Autobau gehen konnte. Zwar hatte man den Serienmodellen nun zwei Scheinwerfer spendiert, doch das war es schon an Luxus. Bei den ersten Fahrzeugen gab es nicht mal ein Zündschloss.

Hässliches Entlein?

Philosophie und Lebensart zugleich Foto: dpa

Sparsamkeit herrschte auch im Motorraum vor. Tuckerte ein VW Käfer immerhin mit vier Zylindern seines Boxermotors über die Straßen, gab es in der Ente nur zwei Zylinder - und die brachten mit zusammen 375 Kubikzentimetern Hubraum gerade einmal neun PS zustande. Erst 1955 wurde die Leistung leicht auf 12 PS erhöht - und selbst die stärksten Serien-Enten aller Zeiten kamen um 1980 auf nicht mehr als 29 PS.

Allerdings ist der 2CV eines der wenigen Autos, bei denen Liebhaber die Technik und Fahrleistungen als nebensächlich ansehen. Das lässt sich auch daran erkennen, dass die Bezeichnung 2CV von den Eignern kaum benutzt wurde. Bekannt wurde der 2CV in Deutschland als Ente - auch wenn über den Ursprung des Kosenamens nur Vermutungen angestellt werden können. Als wahrscheinlich gilt, dass der 2CV als hässliches Entlein verhöhnt wurde und sich das verselbstständigte. (dpa/gms)

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