Vor 40 Jahren: VW Golf startet Erfolgsära

Durchbruch auf der IAA 1975

Vor 40 Jahren: VW Golf startet Erfolgsära
Der erste VW Golf kam 1974 auf den Markt © VW

In seinem zweiten Produktionsjahr startete der VW Golf 1975 seinen Erfolg. Das Premierenjahr des Käfer-Nachfolgers gestaltete sich noch sehr zäh.

Es ging um Sein oder Nichtsein für Deutschlands größten Autobauer. Bis der Volkswagen Golf in sein zweites Produktionsjahr ging, musste der Thronfolger des Käfers seine Kinderkrankheiten kurieren und sich gegen nicht weniger als 20 andere kompakte Volksautos aus zehn Nationen durchsetzen. Im Jahr 1974 bedeutete dies: den Volkswagenkonzern aus einer existenziellen Unternehmenskrise beschleunigen, die Folgen der ersten Ölkrise vergessen machen und mehr als 20 etablierte Volksfahrzeuge des Wettbewerbs auf die Plätze verweisen.

Verlorene Vergleichstest zum Beginn der Golf-Ära

Tatsächlich verblüffte der neue VW in ersten Vergleichstests der Fachpresse eher durch Niederlagen oder Mittelmäßigkeit anstatt die heute gewohnte Rolle des Triumphators zu besetzen. So konnte der Golf nicht einmal gegen den genauso konzipierten, aber eine Klasse kleineren Audi 50 (den Vater des VW Polo) einen Punktsieg im Test landen. Stattdessen triumphierte der Audi-Mini dank seiner ausgewogenen Talente und ausgereifter wirkenden Qualität.

Auch in anderen Vergleichstests musste sich der moderne Käfer-Erbe etwa mit einem dritten Platz zufrieden geben, hinter dem siegreichen, aber korrosionsanfälligen Alfasud, dem es ebenso wie dem bereits vier Jahre alten Citroen GS (Platz 2) an einer Heckklappe fehlte. Ein Resultat, das das Abheben des Golf auf Bestsellerumlaufbahn aber letztlich ebenso wenig beeinflusste, wie etwaige Qualitätsdefizite.

VW Golf mit italienischem Design

Tatsächlich wünschte sich in einer 1975 durchgeführten Befragung von mehreren Tausend Fahrern früher Golf mehr als die Hälfte der Beteiligten eine bessere Verarbeitungsqualität des VW. Dennoch wollten nur sieben Prozent der Befragten künftig ein anderes Auto fahren. Das Layout des Golf war also grundsätzlich bereits goldrichtig, wie kontinuierlich steigende Verkaufszahlen belegten.

So überzeugte die Wolfsburger Avantgarde aus italienischem Design von Giorgetto Giugiaro, variablem Gepäckraum, großer Heckklappe, Vorderradantrieb und raumsparendem Quermotor sogar die als konservativ geltenden Käfer-Fahrer und ließ die Verkaufszahlen des Krabbeltiers schlagartig einbrechen.

Opel und Fiat folgen Designlinie des VW Golf

VW Golf Cabrio von 1984.
Ein VW Golf Cabrio von 1984 VW

Vor allem aber veranlasste der Golf ab 1975 immer mehr Konzerne, sein Konzept zu adaptieren. Sei es bei General Motors, wo Opel Kadett und Vauxhall Chevette eilig in Versionen mit Schrägheck und großer Klappe eingeführt wurden. Oder bei Fiat, wo hektisch aus dem 128 Sport Coupé ein dreitüriges Kombi-Coupé namens 128 3p Berlinetta gezaubert wurde.

Alfasud und Citroen GS und sogar der als kürzester Viertürer Europas beworbene Peugeot 104 erhielten nachträglich eine Heckklappe spendiert, Toyota führte den bis dahin erzkonservativ konstruierten Corolla als stylisch-sportiven Corolla Liftback ein und sogar Volvo kaufte sich durch Übernahme von Daf in die Kompaktklasse mit Klappe ein. Schließlich war es ein Leichtes, den schon fast serienreifen designierten Daf 77 zum Volvo 343 zu transformieren.

Durchbruch auf der IAA 1975

Auf den Punkt brachten es führende deutsche Automanager anlässlich der IAA 1975: „Der Erfolg des Golf hat uns total überrascht!“ Einen ersten Eindruck seiner Durchschlagskraft gab der Kompakte schon im Oktober des Vorjahres, als vom Golf auf dem Heimatmarkt mehr Einheiten verkauft wurden, als von der gesamten Opel-Palette zusammen. Für Volkswagens Erz-Rivalen Anlass, die Einführung des dreitürigen City-Kadett zu beschleunigen. Nicht weniger verstört waren alle anderen europäischen Marktgrößen, deren Manager auf dem Frankfurter Autosalon 1975 definitiv „neue Dimensionen des Wettbewerbs“ konstatierten.

Die bisherige untere Mittelklasse war untergegangen, die neue Kompakt- bzw. Golf-Klasse tonangebend im Autogeschäft. Aus Nordamerika allerdings konnte der Golf zu keiner Zeit Rekordzahlen nach Wolfsburg vermelden, der Golf gefiel den Amerikanern nur als Jetta mit angehängtem Rucksack wirklich gut. Dabei hatte der Honda Civic als automobiler Weltbürger schon 1972 auch die USA erobert. Der Civic setzte als erster japanischer Kompakter auf Heckklappe, variables Ladeabteil und Frontantrieb – und wurde so härtester globaler Konkurrent für den Golf. Rund 20 Millionen Einheiten wurden vom Civic in neun Generationen bis heute gefertigt. Eindrucksvoll, doch der Golf durchbrach 2013 bereits die 30-Millionen-Schallmauer und unterstrich so nachdrücklich seine Funktion als Vorbild und Namensgeber für seine Volksautoklasse. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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