Golf Plus: Konkurrenz für den Klassenprimus

Der VW-Konzern beginnt seine Produktoffensive 2005 mit der Einführung des Golf Plus. Die Hochdachvariante bringt alles mit, um dem Wolfsburger Bestseller Kunden streitig zu machen.

Frank Mertens

Für den Volkswagen-Konzern wird 2005 zu einem ganz wichtigen Jahr. Der weiterhin schwächelnden Autokonjunktur setzen die Wolfsburger eine beeindruckende Produktoffensive entgegen. Den Auftakt macht der Golf Plus. Er steht seit diesem Freitag offiziell bei den Vertragshändlern in den Show-Rooms.

Lücke geschlossen

Knapp 16 Monate nach der Weltpremiere des Golf V im September 2003, der sich im zurückliegenden Jahr 530.000mal verkaufte, schließt der Konzern damit die Lücke zwischen seinen Bestseller und dem Touran. Und in den Neuen setzen die Verantwortlichen große Hoffnungen. «Wir wollen vom Golf Plus 25 Prozent dessen absetzen, was der Golf V erreicht hat», sagte der Leiter des Produktmarketings, Ludger Fretzen. Anders ausgedrückt: Vom Golf Plus sollen im ersten Jahr rund 150.000 Einheiten verkauft werden.

Zum Start wird der Golf Plus mit zwei Benzin- und zwei Dieselmotoren angeboten: Den 1,4 Liter (75 PS/16.740 Euro), den 1,6 Liter FSI (115 PS/19.240 Euro) und den 1,9 Liter TDI-Aggregaten mit 105 PS (20.040 Euro) und dem 2,0 Liter-TDI mit 140 PS (22.190 Euro). Zudem soll es ab Herbst noch zwei weitere FSI-Motoren und einen weiteren TDI geben. Ab diesem Zeitpunkt wird auch ein Automatik- und ein Direktschaltgetriebe im Angebot sein.

535 Euro mehr als Golf V

Der Neue hat LED-Rückleuchten. Foto: nz/Mertens

Der Golf Plus kostet in der Trendline-Ausstattung mit 55 kW/75 PS gerade einmal 535 Euro mehr als ein herkömmlicher Golf - bietet beim Platzangebot jedoch einen beachtlichen Mehrwert. Auf den Punkt gebracht. Der Golf Plus ist schlicht der bessere Golf! Das wird der Golf V bei den Absatzzahlen zu spüren bekommen, die bereits 2004 hinter den Erwartungen von ursprünglich 600.000 Einheiten zurückgeblieben waren. Mit dem Golf Plus ist dem Golf ein ernstzunehmender Gegner aus dem eigenen Konzern erwachsen. Wer vor der Kaufentscheidung steht, für welches Auto er sich entscheiden soll, wird bei Abwägung aller Vor- und Nachteile einfach beim Golf Plus hängen bleiben.

Fahrtechnisch gibt es zwischen den beiden Autos keine Unterschiede. Der Neue verfügt über die gleichen Komponenten, entsprechend souverän wie sein «kleiner Bruder» fährt er sich auch. Auch optisch ist der Neue gleich als Golf zu erkennen. Etwas mehr Mut beim Äußeren - siehe Seat Altea - hätte dem Plus allerdings gut zu Gesicht gestanden.

Ein neues Auto

Sieht von vorn kraftvoll aus: Der Plus Foto: nz/Mertens

Doch das war es dann aber auch schon an Gemeinsamkeiten. «Wir haben auf der Standfläche des Golf ein neues eigenständiges Auto gebaut. Es bietet ein deutlich besseres Raumangebot und eine größere Variabilität im Vergleich zum Plus», sagte Egon Feichter, bei VW Leiter der Pkw-Entwicklung Ausstattung. «Karosserie und der Innenraum wurden komplett neu entwickelt.» Allein der Blick auf die Daten zeigt die Unterschiede auf: Mit einer Gesamthöhe von 1,58 Metern überragt die Karosserie des Plus den Golf um 9,5 Zentimeter, die Sitzhöhe ist um 7,5 Zentimeter und der Kofferraum um 45 Liter gewachsen. Dabei ist das Fahrzeug mit 4,21 Metern jedoch nicht länger und auch nicht breiter (2,58 Meter) geworden. Der Golf Plus ist somit im Vergleich zu einem Touran äußerst kompakt geblieben, dennoch bietet er das Raumgefühl eines Mini-Vans. Und damit sind wir zugleich bei der Zielgruppe, die die Wolfsburger anpeilen: Junge Familien, die ihren Raumkomfort erweitern wollen, wie Marketingexperte Fretzen sagte. Doch der Golf Plus ist natürlich auch ein Auto für ältere Menschen, die bequem Ein- und Aussteigen wollen.

Sofortiges Wohlfühlen

Das Cockpit des Golf Plus Foto: Werk

Wie bequem ist der Neue? Sehr bequem. Gleich beim Platznehmen fühlt man sich wohl - dank einer Innenhöhe von über einem Meter haben auch großgewachsene Fahrer keine Probleme. Nichts stößt an. Die Sitze sind hervorragend, bieten einen guten Seitenhalt, wie erste Testfahrten im verschneiten Mallorca im 2.0 TDI zeigten. Der Innenraum vermag mit den überarbeiteten Armaturen zu überzeugen. Die Mittelkonsole wurde - entsprechend der veränderten Sitzposition - höher angebracht. Das optional erhältliche Navigationssystem (2410 Euro) kann dadurch noch besser bedient und abgelesen werden. Allerdings verfügt der Golf Plus noch nicht über Bluetooth (drahtlose Verbindung) - das Telefon muss immer noch in einen Adapter gesteckt werden. Andere Hersteller, beispielsweise die Konzerntochter Seat (Toledo), sind hier bereits auf der Höhe der Zeit.

Links und rechts vom Navigationssystem beziehungsweise Radio (nicht Serie, ab 525 Euro) befinden sich jeweils zwei der insgesamt acht verchromten Luftausströmer. Sie sind nicht mehr eckig, sondern rund. Das soll für eine bessere Luftverteilung sorgen. Überhaupt wirkt beim Innenraum alles sehr durchdacht. In den Seitenverkleidungen der Fahrer- und Beifahrertür ist Platz für eine 1,5 Liter Flasche, dafür wurden extra die Lautsprecher von vorn nach hinten verlegt. Unter den Sitzen befinden sich Ablagefächer und auch in der Dachkonsole lässt sich Kleinkram unterbringen. Doch all das kostet: Für das Ablagenpaket sind 150 Euro zu bezahlen.

Ausklappbare Tische

Wird die Rücksitzlehne komplett umgeklappt, stehen 1450 Liter Kofferraumvolumen zur Verfügung Foto: Werk

Wer Kinder hat, der weiß die an der Rückseite der Vordersitze angebrachten ausklappbaren Tische zu schätzen. Sie bieten Platz für Getränke oder einen Malblock. Damit wären wir im Fond angekommen - und wären zugleich bei der Rücksitzanlage. Sie trägt viel zum Mehrwert des Golf Plus bei - denn sie ist über einen Bügel im Sitzbereich um 16 Zentimeter in Längsrichtung verschiebbar. Dadurch lässt sich das Kofferraumvolumen abhängig von der Größe der Fondpassagiere von 395 Litern bis auf 505 Litern vergrößern. Im Kofferraum gibt es einen ab der Ausstattungslinie Comfortline (im Trendline 150 Euro Aufpreis) variablen Ladeboden, der zweifach in der Höhe einstellbar ist. Zudem sorgt die mehrstufig verstellbare Lehnenneigung dafür, dass man im Fond auch auf längeren Strecken äußerst bequem unterwegs sein kann.

Der variable Kofferraum im Golf Plus. Foto: Werk

Das Fahren im neuen Golf Plus macht in Verbindung mit dem 2.0 TDI mächtig Spaß. Der Topdiesel hat ein maximales Drehmoment von 320 Nm, die zwischen 1750 und 2500 Umdrehungen pro Minute anliegen. Von 0 auf 100 km/h beschleunigt er in 9,9 Sekunden und erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h. Und er tut dies ausgesprochen ökonomisch. Den Verbrauch gibt VW mit 6,3 Litern an. Im zehn PS stärkeren 2.0 FSI soll er bei 8,6 Litern liegen. Aufgrund des Gewichts des Golf Plus sollte man sich - auch wer sich für einen Benziner entscheiden sollte - nur für eine Motorisierung über 100 PS entscheiden. Aufgrund der höheren Karosserie geriet die Fahrwerksabstimmung zur Verhinderung von Wanktendenzen straffer als beim Golf. Auf den Fahrkomfort hat dies jedoch keinen Einfluss.

Kein Partikelfilter

Mit Blick auf den Verbrauch und fast ähnlichen Beschleunigungswerten geht damit die Kaufempfehlung eigentlich zum Diesel - eigentlich. Denn VW hat es immer noch nicht fertig gebracht, für die Dieselmotoren einen Rußpartikelfilter anzubieten. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte soll er aber zu haben sein. Doch was ist bis dahin? Können Kunden problemlos und ohne großen (finanziellen) Aufwand den Partikelfilter nachrüsten? Eine befriedigende Antwort gibt es nicht. Derzeit, so heißt es, würden die Möglichkeiten der Nachrüstung lediglich geprüft.

Schade, denn der Golf Plus bringt trotz seines saftigen Preises insbesondere als Diesel alles mit, ein Verkaufsrenner zu werden. Es bleibt abzuwarten, ob VW nun sein Versprechen hält, bis zum Beginn der zweiten Jahreshälfte diese gesundheits- und umweltschonende Technologie anzubieten.

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