Internet statt Autohaus: Neuwagenkauf am Computer

Internet statt Autohaus: Neuwagenkauf am Computer
Mercedes bietet seine Neuwagen auch online zum Kauf an. © Daimler

Der Onlinehandel boomt – und davon sind auch Autos nicht ausgenommen. Bis 2030 wird erwartet, dass bereits 30 Prozent aller Neuwagen über das Internet erworben werden.

In der Corona-Pandemie war der Autokauf zeitweise nur kontaktlos möglich. Der Neuwagenvertrieb über das Internet dürfte aber auch in Zukunft eine Rolle spielen – und zwar eine zunehmend wichtige. Vor allem die Fahrzeughersteller treiben die Entwicklung voran.

Bis Mitte des Jahrzehnts werden mehr als 30 Prozent aller Neuwagen in Europa über das Internet verkauft, prognostiziert eine Studie der Unternehmensberatung Bain. Triebkraft hinter der Entwicklung sind zum einen die jüngeren, digital-affinen Kunden, für die das Einkaufen im Internet eine Selbstverständlichkeit ist.

Autobauer setzen auf Internetvertrieb

Zum anderen haben auch die Hersteller selbst ein Interesse, zumindest einen Teil des Vertriebs in die eigenen Hände zu bekommen, um am teuren Händlernetz zu sparen. Einige Marken wie Tesla, Polestar oder Lynk & Co verzichten bereits ganz oder teilweise auf physische Stützpunkte, andere wie Mercedes bieten zumindest die Option, das eigene Auto online zu kaufen. Daneben verkaufen auch Portale wie Autohero.de, meinauto.de oder yesauto.com Fahrzeuge direkt über das Netz.

Und selbst die in Deutschland traditionell eher konservative Neuwagenkundschaft ist offen für den Online-Kauf, wie eine Umfrage der Sachverständigenorganisation KÜS zeigt. Rund 12 Prozent der Teilnehmer würden den kompletten Autokauf auf jeden Fall im Netz durchführen – von der Fahrzeugpräsentation bis zur Unterschrift.

Lediglich 8 Prozent lehnten den Online-Kauf komplett ab. Eine relativ hohe Zustimmung hat auch Franz Reiner beobachtet, Vorstandschef bei Daimler Mobility: „Der Online-Kauf wird auch in Deutschland definitiv wichtiger. Die Corona-Pandemie hat das Kundenverhalten verändert. Zwar sind andere Teile der Welt schneller adaptiv, vor allem die Chinesen, auch die Norweger und die skandinavischen Länder. Aber Mitteleuropa hat zuletzt kräftig zugelegt bei der Akzeptanz des Fahrzeugkaufs im Internet.“

Vertrauen in Internetkauf gestiegen

Dabei spielen nicht zuletzt die positiven Erfahrungen im Online-Kauf von anderen Gebrauchsgütern eine Rolle. Relativ verlässliche Händler- und Produkt-Bewertungssysteme sowie die verbraucherfreundlichen Rückgaberegelungen haben in der Vergangenheit schnell Vertrauen geschaffen. Und zwar quer durch alle Altersklassen; auch die Senioren bilden online längst keine abgehängte Gruppe mehr.

Alle gemeinsam sollen auf lange Sicht nicht nur von einem Komfortgewinn, sondern auch von einem Preisvorteil profitieren, denn ein zentraler Online-Vertrieb über den Hersteller oder einen Drittanbieter umgeht das jahrzehntelang gewachsen indirekten Vertriebssystem über die Vertragshändler. „Der stationäre Autohandel ist sehr teuer. Der Kunde bezahlt gut 10 Prozent des Neuwagenpreises nur für den Handel“, erläutert Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research in Duisburg. Würde man den Händler aus der Vermarktungskette zwischen Fabrik und Kunde ausklinken, könnte man viel Geld sparen.

Daimler arbeitet an Online-Kauferlebnis

Größtes Hemmnis dürfte aktuell noch die Technik sein. Doch auch dort gibt es Fortschritte. Daimler Mobility etwa arbeitet am nahtlosen Online-Kauferlebnis. Zu den wichtigsten Komponenten zählt die Automatisierung des Kreditantrags-Prozesses. „Heute können wir bereits in über 80 Ländern vollautomatisch scoren“, sagt Daimler-Mobility-Chef Reiner. „Das heißt, der Antrag kommt digital rein, wird digital geprüft, ohne dass es da jemanden gibt, der draufschaut. Anschließend kriegt der Kunde oder der Händler innerhalb von Sekunden die Kreditzusage.“ Anfang 2021 hatten die Stuttgarter bereits die Möglichkeit einer digitale Vertragsunterschrift eingeführt, so dass mittlerweile die komplette Kaufabwicklung vom Computer aus erfolgen kann.

Einen unlösbaren Konflikt mit dem Vertragshandel sieht Reiner selbst langfristig nicht. „Die Händler sind nicht nur bereit für die Digitalisierung des Autokaufs, sondern sie fordern das ein. Weil auch die Kunden das einfordern.“ Gerade eine Luxusmarke kann zudem von einem Händler profitieren, der den emotionalen Kaufvorgang aus dem nüchternen Netz heraushebt und als Gesicht für den Kunden fungiert. Einen Mercedes kauft man zumindest in der Vorstellung der Markenstrategen nicht wie jeden beliebigen Gebrauchsgegenstand. Auch in anderer Hinsicht ist ein realer Ansprechpartner wichtig: Denn alle Autos müssen regelmäßig zur Inspektion, viele außerdem repariert werden. Das lässt aber lässt sich auf absehbare Zeit nicht online erledigen. (SP-X)

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