Audi TT RS: Leidenschaft besiegt rationale Realität

Sportwagen mit 400 PS

Audi TT RS: Leidenschaft besiegt rationale Realität
Audi hat dem TT RS weitere 60 PS verliehen © Audi

Freie Fahrt für freie Bürger gibt es selbst auf Autobahnen in Deutschland nur noch selten. Der neue und in der Leistung verstärkte Audi TT RS unterstreicht aber, dass gerade freie Strecken emotionale Hochgefühle verleihen.

Der Leistungswettlauf bei den Sportwagen wirkt angesichts verstopfter Autobahnen und der dort nur gelegentlich unterbrochenen Tempo-80-Monsterbaustellen wie ein Anachronismus. Aber Leidenschaft widersetzt sich ja gerne jeglichen rationalen Argumenten, und deshalb wachsen und gedeihen die hauseigenen Performance-Abteilungen der jeweiligen Hersteller prächtig, egal ob AMG bei Mercedes, die M GmbH von BMW oder der Quattro-Ableger der noblen VW-Tochter Audi.

Und die Ingolstädter schicken noch in diesem Jahr das TT-Modell in einer 294 kW/400 PS starken RS-Version ins Rennen, für die ein gut gefülltes Bankkonto allerdings Voraussetzung ist. 66.400 Euro müssen für die geschlossene Version überwiesen werden, 2800 Euro mehr sind es für den freizügigeren Roadster.

Audi bleibt dem Fünfzylinder treu

Das Herzstück des Kompaktsportlers ist natürlich das neu entwickelte 2,5-Liter-Triebwerk, mit dem Audi dem Fünfzylindermotor auch nach 40 Jahren weiterhin die Treue hält. Das erstmals 1976 im Audi 100 und später im Ur-Quattro eingesetzte Fünfer-Pack präsentiert sich in seiner neuesten Ausbaustufe rank und schlank mit einem Block aus Aluminium und einer Ölwanne aus noch leichterem Magnesium, hat im Vergleich zum Vorgänger mit 26 Kilogramm ordentlich Pfunde purzeln lassen und tritt athletischer denn je an. Mit einem Leistungszuwachs von 60 PS lässt er die Muskeln spielen wie weiland Arnold Schwarzenegger bei der Bodybuilder-WM.

In 3,7 Sekunden (Roadster 3,9 Sekunden) aus dem Stand auf Tempo 100 sprinten, das liest sich schon beeindruckend. Am Steuer des potenten 2+2-Sitzers manifestiert sich dieser Eindruck allerdings zu einer bleibenden Erinnerung. Vor allem, wenn die Launch Control aktiviert wird, fühlen sich die Insassen in ihren alltagstauglichen Sportsitzen wie aufs Katapult geschnallt.

Normwert wird zur Utopie

Die Begleitmusik dazu dürften Motoren-Fans als Ohrenschmaus empfinden. Wenn bei der Abgasanlage mit den zwei großen ovalen Endrohren am Heck die Drosselklappen geöffnet sind – das geschieht durch eine Taste mit Auspuff-Symbol auf der Mittelkonsole, auf der aber eigentlich „Laut“ stehen müsste -, intoniert die sportlichste TT-Variante ein Klangbild vom Fünfzylinder-typisch rau-sonoren Bass-Röcheln bis hin zu einem voll volumigen Röhren, das lediglich von einem Auspuffknallen wie Paukenschläge unterbrochen wird. Auch auf diese Weise lässt sich der üppige Drehmomentverlauf, der schon bei 1700 Touren sein Maximum von 480 Nm erreicht und fast bis zur 6000er-Marke beibehält, genießen.

Diese Art der Fortbewegung treibt den Verbrauch allerdings mächtig in die Höhe und der ohnehin unrealistische Normwert von 8,2 l/100 km wird dann zur Utopie. Auf unseren Testrunden zeigte der Bordcomputer 13,4 Liter an.

Audi TT RS gegen Aufpreis bis Tempo 280

Audi hat dem TT RS weitere 60 PS verliehen. Foto: Audo
Der Audi TT RS Roadster benötigt fast vier Sekunden für den Sprint Audi

Dem Vortrieb setzt Audi wie üblich bei 250 km/h ein Ende, sofern nicht gegen einen Obolus von knapp über 1000 Euro werkseitig bis Tempo 280 freigeschaltet wird. Dass der Motor auch noch mehr drauf hätte, verwundert bei 400 PS und rund 1,5 Tonnen Gewicht allerdings kaum.

Freilich braucht so viel Power auch ein straffes Fahrwerks-Setup, das TT-Fahrern über ein variables Fahrdynamiksystem die Wahlmöglichkeit für vier Modi von Komfort bis betont dynamisch eröffnet. In der sportlichsten Abstimmung rennt die zweite RS-Generation leichtfüßig um schnellste Biegungen und klebt auch dank des permanenten Allradantriebs mit elektro-hydraulischer Lamellenkupplung regelrecht am Asphalt. Alles easy-going, weil auch die direkte Lenkung die Arbeit am Volant erleichtert.

Anleihen vom Rennsport

Audi hat dem TT RS weitere 60 PS verliehen. Foto. Audi
Der Audi TT RS gibt auch auf der Rennstrecke eine gute Figur ab Audi

Das Sportlenkrad zeigt sich ebenfalls inspiriert vom Rennsport. Hier befindet sich sowohl der rote Startknopf wie auch der Fahrdynamik-Schalter, damit der Fahrer bei der hurtigen Kurvenhatz nicht die Hände vom Lenker nehmen muss. Und selbst beim virtuellen Cockpit, das Audi einst beim „normalen“ TT einführte und das in den RS-Versionen serienmäßig an Bord ist, haben die Bayern daran gedacht, dass der Pilot oder die Pilotin vielleicht gerne mal das Leistungspotenzial auf einer Rennstrecke ausloten wollen.

So können auf dem 12,3-Zoll-Bildschirm hinterm Lenkrad drei Ansichten gewählt werden, darunter auch ein spezieller RS-Screen, der nicht nur den Drehzahlmesser in den Mittelpunkt rückt, sondern Informationen zu Reifendruck, Drehmomenten und g-Kräften liefert. Darüber hinaus dient der Drehzahlmesser als Schaltanzeige, die im manuellen Modus der Siebengang-S-Tronic mit steigender Drehzahl grüne, orangefarbene und rote Segmente zuschaltet und bevor das Motorlimit erreicht wird, warnender Weise rot aufblinkt.

Audi TT RS voll vernetzt

Wer es auf die Spitze treibt, der kann über eine Audi Sport Performance App Rundenzeiten und alle möglichen Renndaten messen und vergleichen. Smartphones lassen sich natürlich über Android oder Apple Car Play einbinden sowie auch kabellos aufladen. Connect-Dienste ergänzen den digitalen Service.

All das motorische Aufgemotze bleibt natürlich äußerlich nicht verborgen. Neben den bereits erwähnten Endrohren fallen an der einen Zentimeter tiefer gelegten Karosserie lediglich die großen Lufteinlässe an der Front und der Heckspoiler auf. Zudem kommen bei Audi hier erstmals serienmäßig die OLED-Heckleuchten zum Einsatz; organische Leuchtdioden (organic light emitting diode) aus halbleitenden Materialien, die noch weniger Strom verbrauchen und als dünnschichtige Flächenbeleuchtung besondere Leuchtgrafiken ermöglichen.

Dass aber selbst die RS-Versionen noch mit Keramik-Bremsen, 20-Zoll-Felgen, RS-Sportfahrwerk, besonderen Lackierungen und allerlei anderen sinnvollen und weniger sinnvollen Extras recht preisintensiv aufgerüstet werden können, das hat das sportlichste TT-Duo durchaus mit seinen zivilen Geschwistern gemein. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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