ZF: Technologieoffenheit als Schlüssel zum Erfolg

Neue 8-Gang-Automatik

ZF: Technologieoffenheit als Schlüssel zum Erfolg
ZF elektrifiziert vom Lkw bis zum Fahrrad alle Fahrzeugarten. © ZF

ZF bringt eine neue 8-Gang-Automatik auf den Markt. Damit ist dem Zulieferer ein großer Wurf gelungen, wie ein Milliardenauftrag von BMW beweist.

„Technologieoffenheit ist für uns der Schlüssel zum Erfolg“, unterstreicht Matthias Benz, Senior Vice President und Leiter Vertrieb bei ZF, in einem Workshop zu den neuesten Entwicklungen bei dem Zulieferer aus Friedrichshafen.

Das nun vorgestellte 8-Gang-Automatik wird ab 2022 im ZF-Werk in Saarbrücken produziert und soll später auch in den USA und China hergestellt werden.

Modulares Baukastenprinzip aus einer Hand

Dank einer simplen Lösung für die potentielle Elektrifizierung von Pkw ab mittlerer Größe aufwärts haben die Friedrichshafener eine Lösung für unterschiedliche Antriebe gefunden. Das wird dem Zulieferer nun reichlich vergoldet: BMW, ein treuer Kunde seit Jahrzehnten, mit dem ZF die Weiterentwicklung der Getriebe stetig vorantreibt und der seinerzeit (2009) der erste Automobilbauer mit einem automatischen Achtganggetriebe war, hat mit einem zweistelligen Milliardenbetrag für den bislang größten Einzelauftrag in der Unternehmensgeschichte gesorgt.

Das 8-Gang-Automatikgetriebe von ZF. Foto: ZF

In der vierten Generation ist die Leistungselektronik künftig seitlich im Getriebe angebracht. Klingt genial simpel und ist es auch. „Das heißt, für unseren Kunden ist es einerlei, ob das Getriebe ein konventionelles, ein Mild Hybrid oder ein Plug-in Getriebe ist“, berichtet Benz. Für den Autobauer in der Fabrik werde es damit deutlich einfacher planbar, als wenn er die verteilten Komponenten wie derzeit mit Kabelsätzen zusammenbringen müsse. „In Zukunft braucht er an unser Getriebe mehr oder minder nur noch plus und minus anzubringen – für den Mild Hybrid 48 Volt, für den Plug-in oder Voll-Hybrid die 325 Volt“, fügt Benz hinzu

Flexibles Agieren am Markt

Das, so die Botschaft der Friedrichshafener, reduziere in der gesamten Logistikkette und im Fahrzeugaufbau den bisherigen Aufwand enorm. Außerdem kann der ZF Kunde „relativ kurzfristig auf den Markt reagieren.“ Damit schaffe ZF den Volumendurchbruch und könne aus der hohen Stückzahl in der Serienproduktion der ZF Getriebe Skalierbarkeit ableiten.

„Dadurch dass wir die gleichen Komponenten anbringen, insbesondere bei der Elektronik“, verspricht sich Benz einen „Boost“. ZF geht davon aus, mit seiner modularen Herangehensweise ein „deutlich größeres Volumen als die anderen Zulieferer am Markt“ erreichen zu können. „In der Elektrifizierung möchten wir die Nummer eins werden“, so die klare Ansage. „Ich denke, das wird im Jahr 2025 oder 2026 der Fall sein.“

Was gibt ihm diese Zuversicht? Bei ZF glaubt man an den Hybrid als langfristig gute Lösung für den Individualverkehr. Wenn also die „Hybridisierungswelle“ richtig in Schwung komme, könne ZF antriebsseitig „aus allen Rohren schießen“. Denn ZF habe die Mild Hybride, die Plug-in Hybride und die E-Antriebe im Portfolio.

Modular neue Ansätze entwickeln

Weil Effizienz das A und O ist, stellten sich die Entwickler für die E-Antriebe die Frage, wie sie aus einem Basiskonzept immer wieder modular neue Ansätze ableiten können. In diesem Jahr werde man mit drei Varianten anlaufen. „Wir haben es geschafft, ein Aggregat so zu entwerfen, dass wir es sowohl an der Vorder- als auch an der Hinterachse verbauen können“, freut sich Vertriebler Benz.

Über das integrierte Getriebekonzept lassen sich dann auch noch Varianten für Vans und Trucks ableiten. Alles aus einem Baukasten – für Lieferfahrzeuge eben mit weniger Topspeed aber dafür mehr Drehmoment. „Das können wir mit einer Getriebeuntersetzung erreichen.“

Alles unter einem Dach

ZF sieht sich als einziger Zulieferer, der neben der Antriebs– auch die Fahrwerkskompetenz habe: Lenkung, Antrieb, Federung, Dämpfung, Bremse. Zudem will ZF mit dem anstehenden Erwerb des Bremsenherstellers Wabco auch im Nutzfahrzeugbereich weltweit führend werden.

Der neueste Clou, der sich aus diesem konsequent systemischen Denken ableiten lässt, sind voll montierte Achsen. Dazu sei man mit Kunden schon in der Seriendiskussion. „Wir können dann den E-Antrieb in die Mitte der Achse nehmen, Federung und Dämpfung integrieren, sogar Lenkung und einen kleinen Stellmotor – so können wir für den Kunden just in sequence liefern.“ Dass dies nicht jeder Hersteller bestellen wird, darüber ist man sich am Bodensee durchaus im Klaren. Schließlich kommt das dem Tun eines OEM schon recht nahe. Bei der Menge der zu erwartenden Elektrifizierung, um die CO2 Ziele zu erreichen, komme jeder der Beteiligten vermutlich an seine Grenzen, inklusive die Fahrzeughersteller. In diesem Fall könne ZF mit seinem vorhandenen Knowhow Engpässe beim OEM in punkto Produktionskapazitäten oder Entwickler auffangen.

Formel E als Lernpiste für die Serie

Der neue Venturi VFE-05 ist mit einem elektrischen Antriebsstrang von ZF in der Formel E unetrwegs. Foto: ZF

Mit einigen Pkw ist ZF seit dem Jahr 2010 mit seiner Elektrifizierungsstrategie in Serie (Q7, BMW und andere). Jetzt will man die hausinterne Entwicklung weiter beschleunigen. Folgerichtig engagiert sich das Unternehmen jetzt auch in der Formel E. Seit gut 18 Monaten beschäftigt sich ZF mit dem Antriebsstrang und liefert ihn für Venturi und HWA Racelab, also Motor, Getriebe und Umrichter. Nach einem guten Start von Venturi in die Saison 2018/2019 errang der Schweizer Edoardo Mortara im fünften Rennen in Hongkong den ersten Sieg. Das ist für den Neueinsteiger ZF in dieser Rennserie erfreulich und steigert die Erwartungen auf weitere Siege vor Saisonende im Juli.

Siege sind nicht nur wichtig fürs Prestige, vor allem aber gilt wie in allen Rennserien auch für die Formel E: von der Rennpiste in die Serie. Folgerichtig ist bei ZF die gleiche Mannschaft für die Formel E im Einsatz, die auch für die Serie die Produkte entwickelt. „Wir wollen hier die nächste Generation entwickeln. Statt 400 Volt haben wir eine 800 Volt Batterie an Bord mit Silizium-Karbid, der nächsten Halbleitergeneration, zusammen mit hoch performanten, wassergekühlten Motoren“, berichtet der Leiter E-Mobilität, Jörg Grotendorst.

Insgesamt hält sich bei ZF der feste Glaube an den Hybrid als die Antriebsform mit der besten Gesamtbilanz im Rennen mit Verbrennern und reinen E-Fahrzeugen. Die Friedrichshafener nennen ihre neuen Hybridentwicklungen EVplus. ZF-Chef Wolf Henning Scheider präzisiert seine Überzeugung vom Plug-in Hybrid als überlegener Antriebsvariante und verspricht einen „Volks-Hybrid“, also einen Hybrid für Jedermann, nicht erst ab der Mittelklasse, „noch in der ersten Hälfte der 2020er Jahre“. Der ZF Chef weiter: „Mit dem vollelektrischen Antrieb und dem Plug-in Hybrid sind wir schon auf sehr guter Spur. Es ist eine riesige Herausforderung, aber ich glaube, unser Team wird das stemmen.“

ZF elektrifiziert alles

ZF-Chef Wolf-Hening Scheider. Foto: dpa

Vom Fahrrad bis zum Lastwagen, über die Industrieanwendungen wie Bau- und Landmaschinen elektrifiziert ZF nach eigenen Aussagen alles. Der pragmatische Grund dafür sind die vielen Gemeinsamkeiten. Doch die Elektrifizierung, egal welchen Grades, ist nur eines von vier Standbeinen, auf die sich der Tier 1 Zulieferer konzentriert, der sich weltweit bald auf Augenhöhe mit Bosch als größtem Zulieferer wiederfinden dürfte. Die weiteren Säulen für ZF außer der Elektromobilität sind Vehicle Motion Control, also die gesamte Fahrzeugphysik mit ihren Bewegungsaktuatoren, Integrierte Sicherheit (u.a. über Sensoren, Bremsen, Lenkung) und Automatisiertes Fahren.

Insgesamt präsentiert sich das Unternehmen als solide, pragmatisch und effizient in seiner Vorgehensweise. Beim Automatisieren der Fahrzeuge etwa verkündet der Firmenchef den Level 2+ als den für Pkw langfristig erstrebenswerten.

Vollautomatisiertes Fahren (Level 4 bis 5) sieht Scheider vorrangig bei Lieferverkehr und in besonders gekennzeichneten Zonen für den Personentransport als Robotaxis. Dafür hat der Konzern still und leise 60 Prozent an dem Hidden Champion der Automatisierung 2getthere übernommen, der schon seit 35 Jahren im Geschäft ist.
Insgesamt betont Firmenchef Scheider verlangten die neuen Antriebstechnologien, aber auch die automatisierten Fahrfunktionen via Digitalisierung „eine beschleunigte Neuausrichtung des Konzerns, um ganzheitliche Mobilitätslösungen anbieten zu können.“

Sehen, Denken, Agieren in Systemhäusern

„Es geht uns darum, dass wir den Menschen eine saubere, eine sichere Mobilität ermöglichen. Und das individuell für jedermann überall auf der Welt“, betont der Firmenchef. Auf dem Weg dahin hat ZF, wie Scheider berichtet, im vergangenen Jahr einige Maßnahmen gestartet: „Wir haben uns schlanker aufgestellt.“ Man habe Komplexität aus dem Unternehmen herausgenommen, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen.

ZF entwickelt mit e.Go den People Mover, der nicht nur elektrisch, sondern auch autonim fährt. Foto: Mertens

Konkret habe man die Managementebenen in der Tiefe reduziert, dafür von sieben auf neun Divisionen in die Breite expandiert. Es gehe dabei nicht um Kostenreduzierung oder gar das Einsparen von Mitarbeitern, sondern ausschließlich um Beschleunigung. Eine weitere Maßnahme war die Stärkung der Regionen, insbesondere Asien-Pazifik.
Besonders wichtig ist das „Dual Operating System“ innerhalb des Unternehmens. Konkret heißt das, dass in bestimmten Bereichen große Themengebiete aufgebaut und neue Prozesse eingeführt werden. Ein zweites Betriebssystem heißt also, größere Beweglichkeit im Konzern zu erzielen, indem Personen aus anderen Bereichen in sogenannten „Systemhäuser“ für eine bestimmte Zeit zusammenarbeiten.

Beispielsweise liefere das Systemhaus „Autonomes Fahren“, das direkt an Scheider berichtet, bereits erste Ergebnisse. Diese Systemhäuser sind keine kleinen Einheiten. Das Systemhaus Autonomes Fahren ist „kein Startup, sondern ein Unternehmen, das einen dreistelligen Millionenbetrag als Entwicklungsaufwand hat“, betont der CEO die Strategie. Diese Systemhäuser experimentieren also nicht à la Startup drauflos, um zu verwerfen, sondern agieren deutlich zielgerichteter, wie ein unternehmensinterner Akzelerator.

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Susanne Roeder
Während des Studiums der englischen und klassischen Philologie in Freiburg, Cambridge, Oxford und Promotion in englischer Sprache arbeitete sie bei BBC Radio Oxford und deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern. Bei einer Agentur mit Mercedes als Hauptkunden begann ihre Liebe für Automobile. Nach Stationen als Pressesprecherin in der Industrie ist sie mit Globaliter Media selbständige Journalistin.

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