ZF schafft Sicherheitszelle für den Fahrer

Mission Leben retten

ZF schafft Sicherheitszelle für den Fahrer
Der Airbag ist vergrößert, entsprechend kann er den Insassen besser schützen. © Mertens

Ein Moment der Unaufmerksamkeit reicht, schon ist der Unfall passiert. Damit es erst gar nicht so weit kommt, arbeiten Zulieferer wie ZF an Systemen, die die Zahl der Unfälle verringern oder zumindest deren Schwere reduzieren helfen.

Zu diesen Systemen gehört auch der haptische Sicherheitsgurt des Zulieferers ZF aus Friedrichshafen. Seitdem er das letzte Mal vor eineinhalb Jahren präsentiert wurde, hat sich viel getan. Mittlerweile haben die Entwickler aus der Abteilung Rückhaltesysteme die Funktionen des haptischen Sicherheitsgurtes erweitert. Mittlerweile verfügt das System über eine sechsstufige Warnung, wie Thomas Mach berichtet. Zudem profitieren von ihm auch die Passagiere auf der Rückbank.

Zum Einsatz kommt der haptische Sicherheitsgurt beispielsweise beim Spurwechsel. Befindet sich ein anderes Fahrzeug auf der seitlichen Fahrspur, wird die Fahrerin oder der Fahrer durch eine Vibration des Sicherheitsgurtes vor dem Spurwechsel gewarnt. Bisherige Systeme begnügen sich damit, im Außenspiegel und im Cockpit einen Warnhinweis anzuzeigen oder zusätzlich einen Warnton erklingen zu lassen. Doch reicht das nicht? Bei ZF ist man davon überzeugt, dass der haptische Sicherheitsgurt die Fahrerin oder den Fahrer unmittelbarer vor einer drohenden Gefahr warnt.

Warnung bei Unterschreiten des Sicherheitsabstands

Der haptische Sicherheitsgurt ivon ZF in einem Versuchsfahrzeug. Foto: Mertens

So wie beim Spurwechsel kann über die Vernetzung der Systeme auch der Befehl an den Sicherheitsgurt gegeben werden, dass der Fahrer den notwendigen Sicherheitsabstand zum Vordermann unterschritten hat. Ein Aspekt, der angesichts der vielen Auffahrunfälle hochgradig sinnvoll erscheint.

Wer Kinder hat und vergisst, die Kindersicherung zu aktivieren, der braucht sich nicht zu sorgen, dass es ihm entgehen könnte, wenn der Nachwuchs während der Fahrt versucht, die Tür zu öffnen. Über im Türrahmen befindliche Sensoren wird der Fahrer ebenso durch einen vibrierenden Gurt darüber informiert, dass im Fond ein Kind an der Tür herumspielt. Entsprechend kann er rechtzeitig darauf reagieren – und das Tempo reduzieren und das Kind gegebenenfalls zu ermahnen. So wie die Sensoren derzeit im Türrahmen verbaut sind, sei natürlich auch vorstellbar, sie in den Türöffner zu integrieren, sagt Mach.

System bringt Passagiere in richtige Position

Auf dem Display kann man die Parameter der haptischen Sicherheitsgurte ablesen. Foto: Mertens

Doch das System kann noch viel mehr. Es ist auch in der Lage zu erkennen, in welcher Position sich der Fahrer befindet. Das ist ein entscheidendes Kriterium dafür, wie die Sicherheitssysteme im Auto im Falle eines Unfalls funktionieren. Die Airbags und Sicherheitsgurte im Fahrzeug bieten nämlich nur dann den besten Schutz, wenn der Fahrer sich in aufrechter Position im Sitz befindet. Ist die Rücklehne weit nach hinten geneigt, kann der Sicherheitsgurt beziehungsweise der Airbag ihn nicht optimal schützen. Bei ZF hat man dieses Szenario im Blick. So wird der Insasse, der sich nicht in der optimalen Position befindet, durch den haptischen Sicherheitsgurt, vor dem Unfall druckvoll in die richtige Position gezogen.

Mit Blick auf das automatisierte und später vollautonome Fahren werden sich entsprechend auch die Sicherheitssysteme weiter verändern, sagt Norbert Kagerer. Während die Sicherheitsgurte heute noch an der B-Säule des Fahrzeugs befestigt sind, werden sie in den Sitz wandern, sagt Kagerer, der bei ZF die Division Integrierte Sicherheit verantwortet.

Denn während heutzutage die Sicherheitsgurte und Airbags auf die Standardposition des Fahrzeuginsassen abgestimmt sind, müssen sie sich in Zukunft den neuen Bewegungs- und Betätigungsmöglichkeiten der Passagiere anpassen. So werden die Insassen beim autonomen Fahren beispielsweise liegen oder sich entgegen der Fahrtrichtung im Auto befinden. Deshalb arbeitet ZF daran, „eine Sicherheitszelle um die Insassen zu schaffen“, wie Kagerer betont. Wie so etwas ausschauen kann, dazu hat ZF mit Faurecia bereits vor geraumer Zeit einen Sitz entwickelt, in dem die Sicherheitsgurte in den Sitz integriert wurden.

Vergrößerter Airbag

Der Pre-Crash-Airbag von ZF. Foto: ZF
Der externe Pre-Crash-Airbag zündet bereits vor dem Aufprall Foto: ZF

Doch ZF denkt über die Sitzposition hinaus, um die Insassen bestmöglich zu schützen. Dazu gehört beispielsweise, dass der Fahrer perspektivisch von Sensoren und Kameras beobachtet wird. Das sogenannte Fahrermonitoring wird im kommenden Jahr in der EU zudem Pflicht. Die ZF-System erkennen beispielsweise, wie der Fahrer im Fahrzeug sitzt, in welche Richtung er schaut oder auch, wie groß oder schwer er ist. Dadurch können die Sicherheitssysteme bestmöglich auf den Crash vorbereitet werden. So wächst je nach Sitzposition das Volumen des Airbags an, damit der Insasse auch bei einer Sitzposition außerhalb der Standardposition („Out of Position“) ausreichend geschützt ist.

Durch die Vernetzung des Fahrzeuges und die Umfeldbeobachtung ergeben sich laut Kagerer auch weitere Möglichkeiten für den Insassenschutz. Wenn beispielsweise die Überwachungssysteme des Fahrzeuges erkennen, dass ein Frontalcrash droht, ein Seitencrash aber für den Fahrer günstiger ist, kann das Fahrzeug entsprechend in die andere Richtung lenken. Damit kann die Schwere des Unfalls für den Fahrer abgemildert werden. Sollte ein Seitenaufprall unvermeidlich sein, arbeitet ZF derzeit aber auch an einem Seitenairbag, der außerhalb des Fahrzeuges aufgeht.

Der Centerairbag von ZF. Foto: Mertens

Um Verletzungen von Fahrern und Beifahrern einzudämmen, ist auch ein Centerairbag in der Entwicklung, der im Sitz integriert ist. Er verhindert, dass der Fahrer bei einem Seitencrash mit dem Kopf des Beifahrers kollidiert oder zu weit aus dem Sitz gedrückt wird. „Unsere Aufgabe ist es, Menschenleben zu retten. Daran arbeiten wir jeden Tag mit vollem Engagement“, sagt Michael Büchsner, Leiter der Divison Passive Sicherheit.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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