Für ZF gehört dem Hybridantrieb die Zukunft

Für ZF gehört dem Hybridantrieb die Zukunft
Das Konzeptfahrzeug von ZF fährt elektrisch mehr als 100 Kilometer. © ZF

Die Krise in der Autobranche geht auch an den Zulieferern nicht vorbei. In Zeiten wie diesen braucht man die richtigen Produkte. Bei ZF gehört dazu das Achtgang-Automatikgetriebe 8HP.

Die vierte Generation des Achtgang-Automatikgetriebes hat sich für das Friedrichshafener Unternehmen zu einem “richtigen Kassenschlager” entwickelt, wie Stephan von Schuckmann im Gespräch mit der Autogazette sagt. Schuckmann verantwortet bei ZF den Bereich Antriebstechnik.

Solche Erfolgsprodukte sind gerade jetzt wichtig, seit die Automobilbauer ihre Aussichten angesichts der Transformation der Branche hin zur Elektromobilität nach unten korrigieren. Auch ZF spürt den Ernst der Lage, kann sich dank flexiblem und gefragtem Produktportfolio aber vergleichsweise gut behaupten. Exzellent läuft es im Bereich von Stephan von Schuckmann.

Milliardenaufträge von BMW und FCA

Seit der Vorstellung des Achtgang-Automatikgetriebes der vierten Generation in diesem Sommer hat ZF neben BMW und FCA weitere Aufträge gewonnen. „Wir haben mittlerweile ein signifikantes Auftragsvolumen im stark zweistelligen Milliardenbereich“, freut sich von Schuckmann. Der Milliarden-Auftrag von BMW war für ZF zugleich der größte in der Unternehmensgeschichte.

Die von BMW bestellte Achtgangautomatik wurde technisch nicht nur für die Integration von E-Antrieben optimiert, sondern ist auch für Hybridgetriebevarianten geeignet. Produziert werden soll die neuste Generation des Getriebes ab 2022 am ZF-Standort in Saarbrücken. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach für den E-Antrieb optimierten Getrieben plant ZF die Produktion perspektivisch auch an anderen Standorten im In- und Ausland.

„Das ist ganz wichtig. Neben unserem Leitwerk in Saarbrücken wollen wir das Produkt auch in China und in den USA platzieren.“ Da werde noch einiges passieren, kündigt der Divisionsleiter PKW Antriebstechnik an. Man habe zwar bereits einen sehr hohen Auftragsstand, aber: „Wir wollen noch den ein oder anderen Hersteller von den Vorteilen unseres neuen Hybridgetriebes überzeugen.“ Trotz der gewonnenen Aufträge stellt die aktuelle Konjunkturschwäche in der Autoindustrie auch für die Division Pkw-Antriebstechnik eine große Herausforderung dar, wie Schuckmann einräumt.

Entwicklung noch nicht zu Ende

Das 8-Gang-Automatikgetriebe von ZF. Foto: ZF

Doch Schuckmann zeigt sich zuversichtlich, denn mit Generation vier des Getriebes sei das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. „Von einer technischen Lösung zur nächsten schaffen wir es auch, weitere CO2 Einsparungen im eigentlichen Getriebesystem zu erzielen. Es geht noch mehr, indem das System in sich stark integriert ist“, verkündet von Schuckmann. „Sie haben heute die Leistungselektronik außerhalb des Getriebes im Fahrzeug untergebracht; zukünftig haben Sie die Leistungselektronik voll integriert im Getriebe. Ein extrem kompaktes System, mit dem wir nochmal Bauraum sparen.“

Ist die Hybridtechnik also die Zukunft? „Ja, davon können Sie ausgehen“, sagt von Schuckmann. Mit Blick auf den Weltmarkt komme der Hybridanteil beim Gesamtvolumen aller Kundenaufträge derzeit auf zwei bis drei Prozent. Perspektivisch bewege sich das in Richtung 50 bis 60 Prozent – und das in den nächsten sechs Jahren. „Bezogen auf das Gesamtvolumen, liegen wir im Jahr 2025 erwartungsgemäß bei etwa 50 Prozent. Das wird dann kontinuierlich steigen auf 60 Prozent, vielleicht sogar mehr“, präzisiert Schuckmann seine Prognose.

Zu bedenken ist dabei, dass seine prozentuale Gesamtbetrachtung auch Regionen einschließt, wo der Verbrenner noch stark bleiben wird. Das meint den ganzen afrikanischen Kontinent, Amerika, Russland und andere Regionen. „In diesen Regionen gibt es sehr große ländliche Regionen, wo es für elektrisches Fahren heute keine Infrastruktur gibt und wir davon ausgehen, dass das auch in Zukunft so bleibt.“

Hybridfahrzeuge für alle Einsatzzwecke

Generell sieht von Schuckmann ein mit Hybridtechnologie ausgestattetes Fahrzeug als gerüstet, alle mobilen Einsätze leisten zu können. Nicht ohne zu erwähnen, dass natürlich auch ein kleines rein elektrisches Fahrzeug ökologisch sinnvoll auf das Stadtinnere begrenzt unterwegs sein könne. Dies nicht zuletzt, weil eine kleine Batterie in der Herstellung ökologisch deutlich vertretbarer ist als ungleich größere Batterien für rein elektrische Fahrzeuge mit Reichweiten von 500 Kilometern.

Warum aber ist der Hybrid aus ZF Sicht über alle Fahrzeugtypen gegenüber dem reinen Elektrofahrzeug im Vorteil? „Die ersten Hybridfahrzeuge hatten leider eine nur so geringe Reichweite. Aber das verändert sich im Moment sehr stark. Die Fahrzeuge, die jetzt auf den Markt kommen, haben eine elektrische Reichweite von 60, 70 bis zu 100 Kilometer“, sagt von Schuckmann. Der Wirtschaftsingenieur hält diese rein elektrische Reichweite für ausreichend für den täglichen Einsatz.

Der Blick auf die Statistik verrate, dass man ab einer elektrischen Reichweite von 70 Kilometern im Durchschnitt ungefähr 80 Prozent aller Fahrten elektrische absolvieren könne. „Somit fahren Sie völlig CO2-neutral durch die Stadt.“ Jetzt aber komme der wahre Vorteil des Hybrid: „Wenn Sie eine längere Fahrt absolvieren wollen, etwa eine Fahrt in den Urlaub, dann fahren Sie einfach in Kombination mit dem Verbrennungsmotor und können dann noch Reichweiten von plus 500, 600, 700 Kilometer erreichen, je nachdem, wie groß der Benzintank und die elektrische Reichweite sind.“

E-Auto für die Stadt ideal

Stephan von Schuckmann leitet bei ZF die Antriebstechnik. Foto: ZF

Natürlich, so Schuckmann, werde sich das rein elektrisch angetriebene Fahrzeug ebenfalls weiterentwickeln. Es werde genauso kommen und seinen Anwendungsbereich finden. „Wenn Sie ein Mensch sind, der nur rein innerstädtisch fährt, dann kommen Sie mit 100 oder 150 Kilometer Reichweite aus. Dann ist das Elektroauto durchaus sinnvoll als einziges Fahrzeug in Ihrem Bestand.“

Das Hybridauto sieht er dennoch als den Gesamtsieger. Schließlich nutzen die meisten Menschen ihr Fahrzeug, so sie eines besitzen wollen, eben nicht nur innerstädtisch. Dann aber sei der Hybrid unschlagbar. Quasi ein all-in-one mit der Kraft der zwei Antriebe, Verbrenner und Elektromotor. „Wenn Sie den Hybrid mit einem rein elektrischen Fahrzeug vergleichen, das eine sehr hohe Reichweite hat – also irgendwo zwischen 400 und 500 Kilometern, dann ist der wesentlich Vorteil eines Hybrid, dass er bei gleicher oder deutlich höherer Reichweite viel günstiger ist.“ Das ist das entscheidende Argument für den Endverbraucher und die Lösung seiner Mobilitätsansprüche.

„Die rein elektrischen Fahrzeuge sind, wie wir es ja auch auf der IAA gehört haben, sicherlich bezüglich ihrer Technik sehr attraktiv. Aber wenn Sie ein Endverbraucher und Normalverdiener sind, dann wollen Sie sich das Auto auch leisten können. Und wir sprechen da oft von 10.000 Euro Differenz“, betont von Schuckmann.

Hybrid mit synthetischen Kraftstoffen kombinieren

In diesem Zusammenhang sollte man mit dem Hybrid in Zukunft noch einen Schritt weitergehen und seinen Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen betanken können, so dass auch hier das Fahrzeug CO2-neutral unterwegs sein kann. „Unabhängig, ob Sie mit einem reinen Verbrenner fahren, mit einem Hybriden oder einem elektrischen Fahrzeug: Was Sie tanken, ob es Strom ist, Benzin oder Diesel – wenn der Strom nicht aus erneuerbaren Energiequellen kommt, haben Sie eine genauso schlechte Bilanz, als wenn Sie jetzt mit einem reinen Verbrenner fahren, den Sie mit fossilem Kraftstoff betanken.“

Perspektivisch biete der Hybridantrieb noch viel Potenzial. „Die heutigen Hybridlösungen haben eine elektrische Leistung von circa 95 Kilowatt. Die Zukunftslösung, also unser sogenanntes 8HP der vierten Generation, wird in der Plug-in Variante eine elektrische Leistung von bis zu 160 Kilowatt haben“, sagt von Schuckmann. „Wenn Sie mit solch einer Leistung rein elektrisch fahren, fühlen Sie sich genauso, wie wenn Sie ein rein elektrisches Fahrzeug fahren.“

Geofencing als Problemlöser

Getriebeproduktion bei ZF. Foto: ZF

Doch wie kann sichergestellt werden, dass mit dem Hybriden auch wirklich elektrisch gefahren? Ist das so genannte Geofencing dafür bereits geeignet? Laut Stephan von Schuckmann wird bereits intensiv an Lösungen gearbeitet. So sei beispielsweise mit Blick auf eine Fahrt von Frankfurt nach Rom vorstellbar, dass man bei der Einfahrt in die italienische Metropole nur noch emissionsfrei fährt.

So könne im Navigationssystem hinterlegt werden, dass sich das Fahrzeug für diese emissionsfreie Strecke eine elektrische Reichweite aufspart. „Sobald man über die Stadtgrenze fährt, würde das Fahrzeug dann automatisch auf den rein elektrischen Antrieb umschalten und man fährt dann durch Rom beispielsweise zum Hotel elektrisch. Sobald man dann wieder herausfährt über die Stadtgrenze hinaus, würde sich der Verbrenner wieder hinzuschalten. Man könnte das auch so steuern, dass der Verbrenner die Batterie während der Fahrt nach Rom auflädt, damit man dann in der Stadt elektrisch fahren kann.“

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Susanne Roeder
Während des Studiums der englischen und klassischen Philologie in Freiburg, Cambridge, Oxford und Promotion in englischer Sprache arbeitete sie bei BBC Radio Oxford und deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern. Bei einer Agentur mit Mercedes als Hauptkunden begann ihre Liebe für Automobile. Nach Stationen als Pressesprecherin in der Industrie ist sie mit Globaliter Media selbständige Journalistin.

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