Yamaha XSR 700: Mit Retro auf die Überholspur

Mittelklasse für unter 7500 Euro

Yamaha XSR 700: Mit Retro auf die Überholspur
Die Yamaha XSR 700 kostet unter 7500 Euro. © Yamaha

Retro-Bikes stehen bei den Kunden hoch im Kurs. Das zeigt der Erfolg der BMW R nineT. Nun bietet auch Yamaha mit der XSR ein solches Motorrad und hofft auf eine ebenso starke Nachfrage.

Man nehme: Ein extrem stark gefragtes Motorrad der unteren Mittelklasse (Yamaha MT-07), reichlich Bezug auf die Hersteller-Historie (die Japaner wurden heuer 60 Jahre alt) und mixe beides gründlich. Was kommt dabei heraus? Ein Motorrad der unteren Mittelklasse, das sich fährt wie eine Yamaha MT-07 (einfach und spaßig), 900 Euro mehr kostet, sich aber auch deutlich wertiger anfühlt.

Zudem stülpe man der Crèation namens XSR 700 eine Philosophie über, die vom Respekt der Söhne für die Erfindungen und Produkte der Väter erzählt, mithin die Klammer zwischen dem Einst und Jetzt bildet. „Faster Sons“ heißt diese Philosophie, die Yamaha zur Sub-Marke aufbauen will. Die XSR 700 ist trotzdem ein gutes Motorrad.

Deutschland erfolgreicher Markt

Zwar verkauft sich die 2013 herausgekommene Yamaha MT-07 nicht auf allen europäischen Märkten gleich gut, aber dafür in einigen sehr gut, unter anderem in Deutschland: Schon letztes Jahr lag sie hinter der unverwüstlichen BMW R 1200 GS auf Rang zwei, und dort ist sie auch heuer platziert, mit beeindruckenden 3003 Neuzulassungen für den Zeitraum Januar bis September. Diesen Erfolg hat die zierliche, leichtgewichtige und sehr leicht zu fahrende Yamaha mit dem wunderbar gelungenen 75 PS-Zweizylindermotor auch verdient.

Exakt diese Basis haben die japanischen Entwickler genutzt: Motor, Antrieb, Bremsen und Räder hat man unverändert für die nur 186 Kilogramm wiegende XSR übernommen, viele andere Elemente – Stahlrahmen, Scheinwerfer, Rücklicht, Auspuffanlage, Sitz und Tank seien beispielhaft genannt – wurden komplett neu gestaltet oder zumindest modifiziert. Die XSR 700, in vielen Details hübsch anzusehen und zugleich ausgesprochen „hübsch“ zu fahren, dürfte deshalb trotz ihres Preises von 7495 Euro den seit zwei Jahren anhaltenden Aufschwung der Marke Yamaha unterstützen. Denn sie gehört noch immer zu den preiswerten Motorrädern, ohne aber deshalb billig zu wirken – und „Retro“ zieht aktuell zudem ziemlich gut.

Gefällige Gesamtlinie

Gehen wir also erst einmal um die XSR 700 herum. Die Gesamtlinie ist gefällig, die Oberflächen erscheinen wertig. Ungewöhnlich ist der Tank: Eine dreiteilige Aluminiumhülle, dem Auge schmeichelnd, verhüllt einen darunterliegenden Stahltank. Besonders chic wirkt der Tank in der Farbgebung „Garage Metal“; der Sitz präsentiert sich dann schwarz mit braun-schwarz genarbtem Soziusplatz. Alternativ ist auch „Forest green“ erhältlich, dann ziert ein goldfarbener Streifen den Tankrücken und die Sitzbank ist komplett schwarz. Eine ungewöhnliche Kombination stellt das kreisrunde Rücklicht dar, in dem 19 LEDs funkeln. Der Scheinwerfer, mattgrau gelackt, präsentiert sich in leicht länglicher und damit historischer Form; er gefällt dank der kleinen Hutze aus Alu-Blech auch aus der Fahrer-Perspektive. r entgegen, Durchschnitts-Europäer lächeln entspannt.

Yamaha XSR 700
Die XSR 700 von Yamaha Yamaha

Negativ in so manches Betrachter-Auge sticht alleine der dominante Wasserkühler. Aber alles in allem wirkt die XSR in der Realität weitaus charmanter und erfreulicher als das auf den ersten Fotos herüberkommen wollte.
Beim Fahrer auf den kurvenreichen Straßen Sardiniens gibt es keinerlei Überraschungen zu notieren – wo sollten sie auch herrühren! Das Fahrgefühl entspricht praktisch 1:1 dem der MT-07, deren Technik, wie schon gesagt, unverändert übernommen worden ist. Und das ist gut so: Der druckvoll agierende Zweizylinder überzeugt auf ganzer Linie, wobei er selbst bei engagierter Landstraßenfahrt mit 4,5 bis maximal 5 Litern Durchschnittsverbrauch glänzt.

Auch fürs Sechsganggetriebe und die leichtgängige Kupplung gibt’s, wie für die Dreischeibenbremsanlage mit ABS, gute Noten. Ein wenig aufrechter als auf der MT-07 ist die Sitzposition; großgewachsenen Fahrern streckt sich der mattschwarz eloxierte Lenker ein wenig zu seh

Etwas mehr Straffheit wünschenswert

Yamaha XSR 700
Die XSR 700 von Yamaha bietet ein gutes Handling Yamaha

Für die meisten Motorradfahrer sind die Fahrwerkskomponenten absolut ausreichend, auch wenn diese beim engagierten Fahren ihre sehr komfortbetonte Abstimmung nicht verhehlen können. Ein wenig mehr Straffheit wäre Könnern am Lenker bestimmt willkommen. Interessanterweise notiert man als erfahrener Motorradfahrer zwar dieses Defizit (wie auch den arg weich gelagerten Lenker), ärgert sich aber nicht darüber – die sehr positive Ausstrahlung der 700er Yamaha überlagert die faktischen Unzulänglichkeiten klar; zudem sind es ja wirklich nicht viele. Zu nennen wäre allenfalls noch, dass der mit allen nötigen Funktionen aufwartende Bordcomputer während der Fahrt nicht umstellbar ist; dazu wäre eine Bedienung vom Lenker aus erforderlich, die es aber nicht gibt. Das runde Zentralinstrument ist bis auf den Drehzahlmesser sehr gut ablesbar; Problem resultiert daraus aber keines, denn der Zweizylinder liefert Kraft nach Belieben – mitunter stehen drei Gänge zur Wahl, in denen die XSR gleichermaßen gut zu fahren ist.

Rund 40 Zubehörteile hat Yamaha für die XSR 700 entwickelt, auf dass jeder Käufer mit deren Hilfe – oder auch auf Basis eigener Einfälle – seine eigene „Faster Sons“-Philosophie realisieren kann. Zu diesem Zweck wurde extra der Heckrahmen umkonstruiert; während er bei der MT-07 mit dem Hauptrahmen verschweißt ist, handelt es sich bei der XSR um eine Verschraubung, was einen eventuellen Umbau wesentlich erleichtert. Man darf gespannt sein, wie sich die alles in allem sehr gelungene Yamaha XSR 700 auf dem deutschen Markt zu etablieren vermag. Ein paar Käufer wird sie der MT-07 sicher wegschnappen. Besonders gespannt dürfte Yamaha verfolgen, woher die restlichen kommen. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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