Mythos Winterreifen

Vorurteile und Skepsis

Mythos Winterreifen
Winterreifen werden noch immer nicht als vollwertige Pneus anerkannt. © Dunlop

Seit Dezember 2010 gilt in Deutschland die Winterreifenpflicht. Die Skepsis gegenüber den weicheren Pneus ist trotzdem geblieben – zu Unrecht.

Von Thomas Flehmer

Eine so genannte Unwissenheit schafft Unsicherheit. Beim Thema Super E10 scheuen sich viele Autofahrer davor, den mit zehn Prozent Bioanteilen verstärkten Kraftstoff zu nehmen, aus Angst vor Motorschäden. Dabei sind rund 90 Prozent aller Fahrzeuge für diesen Kraftstoff geeignet. Beim Thema Winterreifen hat die seit Dezember 2010 geltende Winterreifenpflicht eine gewisse Klarheit geschaffen, spätestens zu Beginn der kalten Jahreszeit die weicheren Pneus aufzuziehen. Drohende Strafen überlagern hier aber die weiterhin bestehende Skepsis und Unwissenheit über Winterreifen.

Vorurteile halten fast 50 Jahre

Laut einer von Goodyear Dunlop in Auftrag gegebenen Studie unter 1400 Autofahrern sind die Vorurteile über Winterreifen immer noch präsent. So glauben fast 80 Prozent der Befragten, dass die Pneus für die kalte Jahreszeit zum einen lauter sind als Sommerreifen und mehr Sprit verbrauchen. "Die Reifen bei der Einführung von Winterreifen im Jahr 1965 waren auch lauter und noch viel grober", sagt Bernd Löwenhaupt vom Goodyear Dunlop-Entwicklungszentrum Hanau, "heute haben sich Lautstärke und Spritverbrauch stark an den Werten der Sommerreifen angenähert." Die Vorurteile sind trotzdem geblieben.

Schlimmer - weil sicherheitsgefährdend – sind die vorherrschenden Meinungen von 42 Prozent der Befragten, die davon ausgehen, dass die Winterreifen auch noch mit weniger als 1,6 Zentimetern Profiltiefe gefahren werden können. Doch wie bei den Sommerpneus gilt auch bei den Winterschlappen eine Mindesttiefe von vier Millimetern, damit der Schnee oder die überfrorene Nässe gut komprimiert werden kann und so eine gute Traktion gegeben ist. "Nur Winterreifen mit ausreichender Profiltiefe bieten eine maximale Sicherheit", sagt George Rietbergen, Group Managing Director von Goodyear Dunlop für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Winterreifen besser für Nässe geeignet

Ebenso sicherheitsgefährdend ist die irrige Annahme, dass M+S-Reifen für den Winter völlig ausreichend seien. "Es gibt Reifen mit dieser Kennzeichnung, die völlig ungeeignet für den Wintereinsatz sind", so Löwenhaupt. Anstatt nur auf M+S muss auf auf das Schneeflockensymbol geachtet werden, das an der Seite des Reifen ersichtlich sein muss. "Bei dem Schneeflockensymbol sind Testkriterien vorgegeben, die nur echte Winterreifen erfüllen."

Dabei ist ein Wechsel auf die Winterpneus bereits bei einer Temperatur von sieben Grad angebracht, weil dann auch die Winterreifen, die auch die Nässe viel besser bewältigen können, ihre Vorteile bereits dann ausspielen, bevor die erste Schneeflocke gefallen ist.

Lästiger Winterreifen-Wechsel

Winterreifen werden noch immer nicht als vollwertige Pneus anerkannt.
Bereits bei Nässe spielen Winterreifen ihre Stärke aus Dunlop

Dunlop selbst hat mit dem neuen Winter Response 2, der in diversen Tests gut bis sehr gut abgeschnitten hat, in diesem Jahr ein neues Produkt im Angebot. Ob es ankommt bei den Verbrauchern, muss erst die Zukunft zeigen. Denn der Wechsel auf Winterreifen werde häufig als lästige Aufgabe gesehen, sagt Andrea Gröppel-Klein.

Die Professorin und Direktorin des Instituts für Konsum und Verhaltensforschung an der Universität Saarbrücken glaubt, dass die Vorurteile auch deshalb bestehen bleiben, "weil das Thema Winterreifen in den Köpfen der Verbraucher sehr stark mit typischen Winterbildern wie Eis und Schnee verbunden" werde. So werde die Lästigkeit des Wechsels "erst dann aufgegeben, wenn es nicht anders geht, weil Bestrafung durch Verlust des Versicherungsschutze bei einem Unfall droht."

Wechsel erst bei Wintereinbruch

Winterreifen werden noch immer nicht als vollwertige Pneus anerkannt.
Bei Winterreifen auf Qualität achten Dunlop

Ein Verhalten, dass Michael Fett vom Produktmarketing Dunlop voll bestätigt. "Die Autofahrer wechseln erst dann, wenn der Winter wirklich eingebrochen ist. Der Gedankengang, dass man mit Sommerreifen durch den Winter kommt, so lange kein Schnee fällt und somit einen Wechsel verhindert, ist vorherrschend."

Die Folge dieser Gedanken merken dann nicht nur die Reifenhändler. Nach dem Fall der ersten Schneeflocken kommen die Kunden in Scharen. Da der Ansturm dann groß ist, müssen sich viele gedulden, ehe ein Termin zum Wechseln frei wird. Doch immerhin gibt es dann einen Ansturm auf die Winterreifen – aufgrund der drohenden Strafen von mindestens 40 Euro. Bei Super E10 ist dieser Sturm auch drei Jahre nach der Einführung ausgeblieben.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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