«Das ist doch Wahnsinn»

Interview VW-Konzern-Vertriebschef Wittig

Trotz der weltweiten Finanzkrise will Volkswagen in diesem Jahr mehr Fahrzeuge verkaufen als 2007. «Wir werden am Jahresende mehr verkauft haben als im Vorjahr», sagte Konzern-Vertriebschef Detlef Wittig der Autogazette.

Der Volkswagen-Konzern zeigt sich ungeachtet der weltweiten Finanzkrise für das Restjahr mit Blick auf die Absatzzahlen zuversichtlich und rechnet mit einer Steigerung der Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr.

Höherer Absatz erwartet

«Natürlich gibt es aufgrund der weltweit geschwächten Marktlandschaft Einbrüche in der Branche. Doch im Gegensatz zur Konkurrenz halten wir uns auf Vorjahresniveau oder befinden uns sogar leicht drüber», sagte VW-Konzern-Vertriebschef Detlef Wittig im Interview mit der Autogazette. «Wir werden am Jahresende mehr verkauft haben als im Vorjahr», fügte Wittig hinzu. Der VW-Konzern konnte in 2007 weltweit 6,2 Millionen Fahrzeuge absetzen, davon entfielen 3,66 Millionen Autos auf die Kernmarke.

«Sind mit Motoren-Technologie überlegen»

Autogazette: Herr Wittig, sind Sie nachdenklich geworden als Sie über den Autosalon Paris gelaufen sind?

Detlef Wittig: Wieso sollte ich?

Autogazette: Weil Hersteller wie Chevrolet mit dem Volt oder Mercedes mit dem S 400 BlueHybrid Fahrzeuge mit alternativen Antrieben präsentieren, die in den nächsten ein bis zwei Jahren auf den Markt kommen. VW zeigt so etwas nicht.

Wittig: Mit unserer Motorentechnologie sind wir unseren Wettbewerbern bei den Verbrauchs- und C02-Werten bereits heute überlegen. Ich nenne nur unsere hochmodernen Common-Rail-Diesel oder unsere verbrauchsgünstigen TSI-Motoren. Wir müssen in Paris nicht irgendwelche Concept-Cars zeigen, die erst in ein oder zwei Jahren auf den Markt kommen.

Autogazette: Alle Welt spricht von Elektroantrieben, Sie aber über innermotorische Maßnahmen zur Verbrauchsreduktion. Das ist schwer zu verstehen.

Wittig: Bei VW verfolgen wir doch beides: Zunächst setzen wir auf innermotorische Maßnahmen, was für den Kunden sofort greifbar ist und sich in unseren Verkäufen widerspiegelt. Natürlich entwickeln wir mit Nachdruck auch die Antriebe der Zukunft, wie Hybride und Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb. Jüngstes Beispiel ist unser Golf TwinDrive, mit dem wir gerade in einen groß angelegten Flottentest in Berlin gestartet sind.

«Hängt alles von der Batterie-Technologie ab»

VW Golf TwinDrive Foto: VW

Autogazette: Das Fahrzeug soll aber erst 2015 auf den Markt kommen.

Wittig: Es hängt alles von der Batterie-Technologie ab. Da geht es um Speicherfähigkeit und vor allem Sicherheit. Ich denke, dass wir bei Volkswagen auf einem guten Weg sind.

Autogazette: Chevrolet wird den Volt mit Lithium-Ionen-Batterie 2010 in den USA auf den Markt bringen, Opel kommt mit einem ähnlichen Fahrzeug 2011. Hat man bei VW seine Hausaufgaben nicht rechtzeitig gemacht?

Wittig: Warten Sie doch erst einmal ab, wer zuerst mit einem solchen Fahrzeug kommt.

Autogazette: Sie trauen der Ansage der Konkurrenz nicht?

Wittig: Das hat mit trauen nichts zu tun, denn wir sind sehr stark in der Entwicklung unterwegs, sodass wir mit Fahrzeugen wie dem Golf TwinDrive nicht erst 2015 auf dem Markt sind, sondern deutlich früher: wir brauchen keine fünf Jahre mehr, um unseren Kunden Batterien mit einer vernünftigen Reichweite anzubieten.

«60 Kilometer sind zu wenig»

Autogazette: Der Chevrolet Volt kommt auf eine Reichweite von 60 Kilometer. Reicht Ihnen das nicht?

Wittig: Eine solche Reichweite ist für keinen Kunden akzeptabel, auch im innerstädtischen Betrieb nicht. Mit so einer Reichweite laufen sie zum Beispiel Gefahr, dass sie vom zweiten zum dritten Shopping-Center fahren und dann keinen Saft mehr haben.

Autogazette: Was für eine Reichweite wird VW seinen Kunden denn anbieten?

Wittig: Es darf nicht unter 100 Kilometer sein. Ein Elektrofahrzeug muss auch in einem Zug 100 oder 120 Kilometer fahren können, sonst ist die Verunsicherung des Kunden zu groß und das Konzept wird sich nicht durchsetzen.

Autogazette: Wenn Volkswagen mit Elektrofahrzeugen auf den Markt kommt, wird der Kunde also mindestens 100 Kilometern im reinen Elektrobetrieb fahren können?

Wittig: Ja, das ist in etwa unsere Zielsetzung.

Autogazette: Der VW-Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2018 an die Spitze der weltweiten Automobilindustrie vorzustoßen. Kann das gelingen, wenn man der Konkurrenz bei klimafreundlichen Antrieben hinterherläuft?

Wittig: Unsere Zielsetzung ist klar und eindeutig. Volkswagen bietet in überdurchschnittlicher Weise «grüne» Mobilität an. Wir haben vielleicht den Fehler gemacht, dass wir beim Marketing nicht so geschickt vorgegangen sind wie ein japanischer Mitbewerber. Doch wenn Sie sich die Diesel- und Benzinmotoren anschauen, dann kommen wir auf bessere Verbrauchs- und C02-Werte als Hybridfahrzeuge. Ja, wir haben uns zum Ziel gesetzt, uns mit den Weltbesten zu messen. Wie uns das gelingt, werden wir sehen. Es gibt ja die verschiedensten Kriterien, wie man so etwas misst: Stückzahl oder Marktanteil, Kundenzufriedenheit oder finanzielle Performance.

«Langfristige Ziele sind langfristige Ziele

Autogazette: Inwieweit muss das Ziel, zum weltgrößten Hersteller aufzusteigen, wegen der weltweiten Finanzkrise revidiert werden?

Wittig: Langfristige Ziele sind langfristige Ziele. Es gibt überhaupt keinen Grund unsere langfristigen Ziele zu revidieren, wir lassen uns von kurzfristigen Schwankungen nicht irritieren. Die Autobranche ist eine zyklische Branche, deshalb wissen wir, dass nicht immer alles nur in eine Richtung verläuft. Unser Ziel wurde auf Basis zyklischer Schwankungen berechnet, entsprechend müssen wir uns nicht korrigieren.

Autogazette: Das trifft auch auf das Ziel der Marke Volkswagen zu, in den USA bis 2018 jährlich 800.000 Fahrzeuge zu verkaufen?

Wittig: Das trifft selbstverständlich auch auf die USA zu.

Autogazette: Kurzfristig hat VW aber wie andere Hersteller mit deutlichen Absatzeinbußen zu kämpfen...

Wittig: ...natürlich gibt es aufgrund der weltweit geschwächten Marktlandschaft Einbrüche in der Branche. Doch im Gegensatz zur Konkurrenz halten wir uns auf Vorjahresniveau oder befinden uns sogar leicht drüber. Offensichtlich haben wir unter dem Verbrauchs- und C02-Aspekt ein besseres Angebot als unsere Mitbewerber.

Absatzsteigerung erwartet

Der neue Golf Foto: VW

Autogazette: Sie rechnen trotz des schwierigen Marktumfeldes am Ende des Jahres mit einer Steigerung der Absatzzahlen im Vergleich zu 2007?

Wittig: Ja, wir werden am Jahresende mehr verkauft haben als im Vorjahr.

Autogazette: Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat sich gerade für einen strengen C02-Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer bis 2012 ausgesprochen. Können Sie eine solche Vorgabe erfüllen?

Wittig: Wir hatten uns dafür ausgesprochen, diesen Wert ab 2015 erfüllen zu wollen. Der Umwelt hätte es nichts ausgemacht, diesen Grenzwert erst drei Jahre später zu erfüllen. Der deutschen Automobilindustrie mit ihren leistungsstarken, größeren Automobilen indes verschafft es Probleme, das schon 2012 zu erreichen. Ich muss es so klar sagen: Es geht hier offensichtlich nicht um Umweltschutz, sondern um Profilierungsgelüste einiger Politiker und um Industriepolitik zu Lasten deutscher Hersteller.

Autogazette: Rechnen Sie denn damit, dass die C02-basierte Kfz-Steuer wie angedacht 2010 in Deutschland kommen wird?

Wittig: Ich wünsche es mir. Der jetzige Zustand ist unhaltbar, weil die deutschen Kunden davon verunsichert werden. In 15 Ländern um Deutschland herum gibt es eine CO2-basierte Kfz-Steuer, bei uns nicht. Das ist eine unmögliche Regelung. Die andere unmögliche Regelung liegt darin, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher steuerlicher C02-Grenzwerte in Europa gibt. Für einen Autokonzern sind diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen nicht hinnehmbar. Worauf soll man sich denn nun einstellen? Wir könnten für jedes Land eine eigene Motorenentwicklung machen. Das ist doch Wahnsinn.

Das Interview mit Detlef Wittig führte Frank Mertens>

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