«Begeisterung für Elektromobilität ist vorbei»

Greenpeace-Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck

«Begeisterung für Elektromobilität ist vorbei»
Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck im Greenpeace-Auto Smile © dpa

Wolfgang Lohbeck hofft nach dem Protest auf der IAA auf Gespräche mit VW. Im Interview mit der Autogazette spricht der Greenpeace-Verkehrsexperte über den Rückschritt auf der IAA und die Zukunft der Elektromobilität.

Greenpeace hofft auf baldige Gespräche mit VW. Nach den Aktionen in der vergangenen Woche auf der IAA glaubt Wolfgang Lohbeck an eine schnelle Kontaktaufnahme. «Am Donnerstag habe ich auf der IAA Kontakt aufgenommen. Ich bin zuversichtlich, dass es jetzt klappen wird», sagte der Greenpeace-Verkehrsexperte der Autogazette. Die Umweltorganisation hatte am Montag und Donnerstag den Konzern aus Wolfsburg scharf attackiert.

«Zum einen müsste der dreckigste Massen-Golf, der 1,4 Liter-Benziner mit 149 Gramm CO2-Ausstoß vom Markt genommen werden oder VW müsste ihn mit irgendeinem Feature wie Stopp-Start verkaufen. Zum anderen fordern wir, dass VW zumindest BlueMotion Technology in die gesamte Serie bringt», so Lohbeck weiter, «ich weiß, dass so etwas nicht von heute bis zur nächsten Woche geht, aber eine Ankündigung der Umstellung wäre ein Schritt in die richtige Richtung.»

Herumgedröhne wie auf einer Carrera-Bahn

Enttäuscht zeigt sich Lohbeck nach dem Rundgang auf der diesjährigen IAA. Vor zwei und vier Jahren habe es noch eine Art grünen Aufbruch gegeben, nun aber seien die sparsamen Modelle aller Hersteller Pflichtprogramm in den hinteren Ecken der Hallen. Besonders der Audi-Pavillon steht in der Kritik: «Da sieht man, wo das Herz der Autoleute immer noch schlägt: die Sportvarianten R8, S8, alle in Rot. Und mit denen wird auf der internen Strecke herumgedröhnt wie auf einer riesigen Carrera-Bahn.»

Die auf der IAA eigens für Elektromobilität eingerichtete Halle 4 zeigt für Lohbeck den gesunkenen Wert des Elektrohypes. «Das ist eine ziemlich lahme und lieblose Veranstaltung. Die Begeisterung für Elektromobilität ist vorbei. Da redet kaum noch einer davon, höchstens die Kanzlerin», die für 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen sehen möchte. «Die Zahl hat Kniefäule», sagt Lohbeck.

Dagegen sieht der Verkehrsexperte in Studien wie dem Audi urban concept oder dem Opel Rak e Fingerzeige auf die Mobilität der Zukunft. «Das sind die Gefährte der Zukunft. Alles unterhalb des Autos wird kommen.» Die Chancen auf die Einführung der Brennstoffzelle sieht er eher gespalten. «Ich glaube nicht an die Brennstoffzelle im Fahrzeug. Sie ist zu Energieaufwendig, zudem ist Wasserstoffherstellung eine extrem wirksame Energievernichtung.»

«VW up! hat keinen akzeptalen Verbrauch»

Der VW up! in der Mitte der Kritik von Greenpeace dpa

Autogazette: Was hat Greenpeace gegen den VW up!, der gerade mal 79 Gramm CO2 ausstößt?

Lohbeck: Dass er eben nicht 79 Gramm ausstößt. Das ist eine Version, die noch nicht auf dem Markt ist und nichts mit dem Modell zu tun hat, das für 9850 Euro angeboten wird und das Volumenmodell werden wird. Dieses Modell verbraucht 4,5 Liter, also 105 Gramm CO2. Das ist fast so viel wie der beste Passat Bluemotion mit 109 Gramm verbraucht und drei Segmente höher eingestuft ist. Das nehmen wir VW übel. Für einen 928 Kilogramm leichten Flitzer ist das kein akzeptabler Verbrauch.

Autogazette: Greenpeace hat beim Golf kritisiert, dass die Sparmaßnahmen einen zu hohen Aufpreis kosten. Laut Preisliste liegen zwischen dem normalen Golf und dem mit BlueMotion Technology lediglich 400 Euro . . .

Lohbeck: BlueMotion Technology ist die Light-Version von BlueMotion, hat nicht das gesamte BlueMotion-Feature, sondern ist im Wesentlichen nur mit Stopp-Start-Funktion ausgestattet, die sie für 100 Euro im Laden kaufen können. BlueMotion kostet beim Golf knapp 1000 Euro mehr. Wir haben mit VW in Wolfsburg dem Umweltchef diese Kritik angebracht und ihr wurde nicht widersprochen.

«Faden bei VW gerissen»

Greenpeace-Protest auf der IAA dpa

Autogazette: Es hieß aber doch bisher, dass Gespräche gar nicht zustande gekommen seien . . .

Lohbeck: . . . wir hatten im Juni dieses Gespräch, danach ist der Faden abgerissen. Im Juli hat uns Kommunikations-Chef Stephan Grühsem ein Gespräch schriftlich angeboten, wir haben genauso schriftlich die Einladung angenommen. Danach kam aber nichts mehr.

Autogazette: Das heißt, die Sache ist im Sand verlaufen?

Lohbeck: Am Donnerstag habe ich auf der IAA Kontakt aufgenommen. Ich bin zuversichtlich, dass es jetzt klappen wird.

Autogazette: Auf der Messe hat Greenpeace durch eine Aktion aufmerksam gemacht . . .

Lohbeck: . . .die die VW-Mitarbeiter verärgert hat. Sie fühlen sich zu Unrecht angegriffen. Deshalb glaube ich, dass VW schon ein Interesse an Gesprächen hat.

Autogazette: Das war bei der Aktion am Montag beim Konzernabend von VW anders. Da wurde auf dem Parkplatz schnellstens versucht, ihre Aktion zu unterbinden?

Lohbeck: Das war natürlich ein groß angelegter Kreis. Da passten wir nicht so recht ins Bild. Da ist uns die Security gleich in die Parade gefahren.

Autogazette: Und den Spruch „Volkswagen ist nicht up! to date – hoher Verbrauch, wenig Klimaschutz“ an die Wand der Frankfurter Ballsporthalle zu beamen hat auch nicht geklappt . . .

Lohbeck: Wir haben es zunächst ja geschafft, den Spruch an die Wand zu projizieren, bevor sie mit Flutlicht überstrahlt wurde.

Autogazette: Ist denn noch mit weiteren Aktionen während der IAA zu rechnen?

Lohbeck: Wenn es eine ganz klare Gesprächsbereitschaft gibt wären weitere Aktionen nicht angesagt.

Lohbeck hofft auf sichtbare Bewegungen bei VW

Greenpeace fordert Maßnahmen beim VW Golf 1.4 VW

Autogazette: Müssen andere Autohersteller mit Aktionen rechnen?

Lohbeck: Es ist natürlich gut, wenn alle immer mit allen rechnen (lacht). Aber ich kann dazu nichts sagen, haben Sie Verständnis. Aber die Kritik gilt allen Herstellern.

Autogazette: Sie greifen aber immer nur VW an, wieso?

Lohbeck: VW ist besonders schwer angreifbar, weil sie so beliebt sind und viele Dinge auch richtig machen. Sie haben ihre CO2-Emissionen in der Flotte schon spürbar gesenkt. Da sind sie auf dem richtigen Weg. Aber VW hat sich selbst einen Schuh angezogen, in dem sie sagen: Wir wollen die Nummer eins der Welt werden. Und an so einen Hersteller muss man dann andere Erwartungen stellen, wenn es darum geht, wie die Flotte der Zukunft aussieht. Das ist ja kein akademischer Diskurs, sondern wir diskutieren das unter dem Thema der Klimaveränderung.

Autogazette: Was erwarten Sie von den Gesprächen mit VW?

Lohbeck: Gute Frage, ich würde hoffen, dass es auf den Punkten, die wir VW vorwerfen, sichtbare Bewegungen gibt . . .

Autogazette: . . .die da wären . . .

Lohbeck: . . . zum einen müsste der dreckigste Massen-Golf, der 1,4 Liter-Benziner mit 149 Gramm CO2-Ausstoß vom Markt genommen werden oder VW müsste ihn mit irgendeinem Feature wie Stopp-Start verkaufen. Das ist nach KBA-Angaben 2010 das meistverkaufte Golf-Modell gewesen. Zum anderen fordern wir, dass VW zumindest BlueMotion Technology in die gesamte Serie bringt. Ich weiß, dass so etwas nicht von heute bis zur nächsten Woche geht, aber eine Ankündigung der Umstellung wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

«Grüne Autos in der hinteren Ecke»

Der Audi-Pavillon auf der IAA dpa

Autogazette: Hat Ihnen der Rundgang gestern auf der IAA gefallen, oder sehen Sie, dass wieder mehr Sportwagen und SUV auf den Markt kommen?

Lohbeck: Wenn ich die IAA vor zwei und vier Jahren noch richtig in Erinnerung habe, gab es damals so eine Art grünen Aufbruch, eine riesige Marketing-Offensive. Davon ist jetzt überhaupt nichts mehr übrig geblieben. Die BlueMotion-Varianten von VW fristen dieses Jahr ein trübes Dasein. Die stehen als Pflichtprogramm hinten in einer Ecke. Und das ist bei allen Herstellern der Fall.

Autogazette: Also ein Rückschritt?

Lohbeck: Wenn man aus der VW-Halle rauskommt, steht man vor dem Audi-Pavillon. Da sieht man, wo das Herz der Autoleute immer noch schlägt: die Sportvarianten R8, S8, alle in Rot. Und mit denen wird auf der internen Strecke herumgedröhnt wie auf einer riesigen Carrera-Bahn.

Autogazette: Wohin geht der Weg?

Lohbeck: Einerseits will man natürlich die Marke hochhalten mit Premium, denn da ist ja noch einiges in China zu holen, andererseits schieben auch alle kleinere Modelle nach. Die Elektromobilität spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Begeisterung für Elektromobilität ist vorbei. Da redet kaum noch einer davon, höchstens die Kanzlerin.

Autogazette: Dabei gibt es auf der IAA extra eine Halle für Elektromobilität . . .

Lohbeck: . . . das ist eine ziemlich lahme und lieblose Veranstaltung. Da steht auch viel Hybridisiertes. An Elektrofahrzeugen sind kleine Produktionen wie der Mia oder der Mitsubishi i-MIEV vertreten. Alles, was man schon relativ lange kennt. Es ist irgendwie abseits, eine Spezialhalle.

Elektro-Kabinenroller als Fingerzeig für die Zukunft

Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke im Rak e dpa

Autogazette: Also das langsame Ende der Elektromobilität?

Lohbeck: Was jetzt Furore macht sind - und wie ich finde aufgrund ökonomischer Chancen zurecht- sind die kleinen Ein- und Zweisitzer wie der Twizy von Renault, auch wenn die Mücke mit über 6000 Euro ohne Batterie sehr teuer ist.

Autogazette: Sie glauben also, dass Studien wie das Audi urban concept oder der Opel Rak e in naher Zukunft die Straßen bevölkern werden?

Lohbeck: Das sind die Gefährte der Zukunft. Alles unterhalb des Autos wird kommen.

Autogazette: Sind Elektroautos denn überhaupt zukunftsträchtig?

Lohbeck: Elektroautos sind überhaupt nicht zukunftsträchtig. Mobilität wird elektrisch sein, weil wir vom Öl wegwollen. Mobilität wird sich pragmatisch gestalten. Man wird den Nahverkehr mit sehr kleinen Vehikeln absolvieren, wie es einfach, günstig, ökonomisch ist – es werden also keine Autos sein, auch weil Quantensprünge in der Batterietechnik nicht zu erwarten seien. Wie der Erschließung des ländlichen Raumes vonstatten geht, ist eine noch ganz andere Frage.

Autogazette: Aber bis 2020 sollen doch laut der Nationalen Plattform Elektromobilität eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen herumgleiten?

Lohbeck: Das glaubt schon lange keiner mehr. Die Zahl hat Kniefäule. Die Regierung hat diese Zahl selbst schon uminterpretiert. Die Rede ist von einer Million Fahrzeugen, die einen Stecker haben, also auch Plugin-Autos. Reine Elektroautos sollen nur noch ein Fünftel der Million ausmachen. Da ist man schon runtergegangen.

«Wasserstoffherstellung eine extrem wirksame Energievernichtung»

Absage an die Brennstoffzelle Opel

Autogazette: Wie schaut es denn mit der Brennstoffzelle aus?

Lohbeck: Ich glaube nicht an die Brennstoffzelle im Fahrzeug. Sie ist zu Energieaufwendig, zudem ist Wasserstoffherstellung eine extrem wirksame Energievernichtung.

Autogazette: Selbst wenn der Wasserstoff aus regenerativen Energien erzeugt wird?

Lohbeck: Das müsste man dann durchrechnen. Wir reden ja über 40 Millionen Fahrzeuge und keine Nischen. Und da glaube ich nicht, dass es ausreichenden Wasserstoff geben wird.

Autogazette: Gibt es für Sie einen Antrieb der Zukunft?

Lohbeck: Der Antrieb der Zukunft ist der Elektromotor mit regenerativem Strom. Aber nicht für das Auto, sondern in Vehikeln, die irgendwo unter dem Auto angesiedelt sind.

Autogazette: Das heißt, das Auto soll so langsam von der Straße verschwinden?

Lohbeck: Wir waren nie Freunde des Autos. Wir sollten nicht über Mobilitätskonzepte mit Elektroautos reden, die für noch weniger Leute bezahlbar sind.

Das Interview mit Wolfgang Lohbeck führte Thomas Flehmer

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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