Vielfahrer haben wenig Hoffnung auf Schadenersatz

Verhandlung vor dem BGH

Vielfahrer haben wenig Hoffnung auf Schadenersatz
Der BGH hat über Ansprüche von Kunden im Dieselskandal verhandelt. © dpa

Der Bundesgerichtshof (BGH) macht Vielfahrern im Dieselskandal wenig Hoffnung auf Schadenersatz. Das zeichnete sich am Dienstag in einer Verhandlung in Karlsruhe ab.

Grundsätzlich haben von VW getäuschte Autofahrer grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz – Vielfahrer gehen aber wohl leer aus. Wer so viele Kilometer zurückgelegt hat, dass die geschätzte Laufleistung des Autos überschritten ist, hat seine Ansprüche gegen Volkswagen nach Einschätzung der Richter vollständig aufgezehrt. Das Urteil soll in den nächsten Tagen bis Wochen verkündet werden.

Ein wichtiger Streitpunkt ist außerdem, ob VW bei Schadenersatzzahlungen wegen des Dieselskandals auf den zu erstattenden Kaufpreis des Autos noch Zinsen zahlen muss. Dabei gehe es wegen der großen Zahl der Verfahren um sehr viel Geld, sagte der BGH-Anwalt des Wolfsburger Autobauers, Reiner Hall. Auch diese Frage scheinen die Richter zugunsten von VW entscheiden zu wollen.

Illegale Abgastechnik sittenwidrig

Die großen Linien sind mit dem ersten Karlsruher Dieselurteil vom 25. Mai aber vorgegeben. Danach war der Einsatz illegaler Abgastechnik in Millionen Dieselfahrzeugen sittenwidrig.

Höchstrichterlich festgestellt ist auch, dass den Käufern dadurch ein Schaden entstanden ist. Autobesitzer, die noch mit VW vor Gericht streiten, können ihren Wagen zurückgeben und das Geld dafür einfordern. Mit einer Einschränkung: Auf den gezahlten Kaufpreis müssen sie sich die zurückgelegten Kilometer anrechnen lassen.

Dieser sogenannte Nutzungsersatz spielt auch in dem neuen Fall eine zentrale Rolle. Der Kläger hatte seinen VW Passat 2014 mit rund 57.000 Kilometern auf dem Tacho gekauft. Inzwischen ist das Auto rund 255.000 Kilometer gefahren. Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hatte angenommen, dass ein durchschnittlicher Passat lediglich 250.000 Kilometer schafft. Der Mann habe das Auto sozusagen zu Ende genutzt, etwaige Ansprüche gegen den Volkswagen-Konzern hätten sich damit erledigt.

Voller Kaufpreis gefordert

Daran gebe es nichts zu beanstanden, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Stephan Seiters nach ersten Beratungen des Senats. Der finanzielle Schaden sei durch die Nutzung vollständig ausgeglichen.

Der Mann fordert den vollen Kaufpreis von 23.750 Euro zurück, plus Zinsen seit 2014. Seiters äußerte sich deshalb auch zur Verzinsung – und machte Dieselklägern wenig Hoffnung: Die Richter sehen darin tendenziell eine «nicht gerechtfertigte Überkompensation». Es sei zu vermuten, dass der Kläger das Geld sonst in ein anderes Auto gesteckt hätte. Weg wäre es also so oder so gewesen. (Az. VI ZR 354/19)

Die Richter verhandelten auch den Fall eines zweiten Klägers, der am OLG Braunschweig leer ausgegangen war. Er hatte sich nach Auffliegen des Dieselskandals im Herbst 2015 das angebotene Software-Update aufspielen lassen. Für die OLG-Richter war damit der Schaden beseitigt. Nach dem BGH-Urteil von Mai ist aber der entscheidende Punkt, dass der Kläger das Auto wohl nie gekauft hätte, wenn er von den Manipulationen gewusst hätte. Dieser Fall wird deshalb in Braunschweig noch einmal verhandelt werden müssen. (Az. VI 367/19)

Noch 60.000 Fälle anhängig

Grundsätzlich helfen die Urteile aus Karlsruhe nur noch denjenigen Diesel-Besitzern, die VW verklagt haben und deren Verfahren noch läuft. Das sind ungefähr 60.000 Fälle. Rund 50.000 davon sind laut VW ähnlich gelagert wie der im Mai entschiedene Muster-Fall.

Diese Prozesse will der Konzern nicht mehr weiterführen und den Klägern stattdessen Einmalzahlungen anbieten. Das sei «die beste Lösung, um Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen», bekräftigte VW am Dienstag. Die Summe hänge vom Einzelfall ab. (dpa)

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