Kernmarke VW in Ertragskrise

Kritik an Marken-Strategie

Kernmarke VW in Ertragskrise
Ferdinand Piech betreibt nicht die Ablösung von Winterkorn, sagt er. © dpa

Audi und Porsche haben das Volkswagen-Konzernergebnis des ersten Halbjahres gerettet. Die Kernmarke VW will mit einem milliardenschweren Sparprogramm der Krise entfliehen – Experten sehen kaum Chancen für eine Besserung.

Bei Europas größtem Autokonzern Volkswagen steckt die Kernmarke VW-Pkw zunehmend in einer Ertragskrise. Das Ergebnis der Marke sank im ersten Halbjahr um rund ein Drittel auf etwa eine Milliarde Euro. VW will nun mit einem milliardenschweren Sparprogramm gegensteuern. Die Konzernspitze mahnte eindringlich zur Kostendisziplin, um die zentrale 2018-Strategie nicht zu gefährden.

VW will ab 2017 fünf Milliarden pro Jahr einsparen

Ziel für die schwächelnde Marke sei eine Rendite aus dem laufenden Geschäft von «mindestens sechs Prozent spätestens bis zum Jahr 2018», wie VW am Donnerstag mit seiner Halbjahresbilanz in Wolfsburg mitteilte. Mit der Ankündigung des «Effizienzprogramms» machte der Konzern Pläne offiziell, die schon kürzlich durchgesickert waren. Demnach soll VW-Pkw spätestens 2017 pro Jahr fünf Milliarden Euro einsparen. Dieses Volumen bestätigte der Konzern am Donnerstag zunächst noch nicht. Mit der Zielrendite sechs Prozent ist aber klar, dass Milliarden bewegt werden müssen, um den Status quo zu ändern. VW-Pkw steht für rund die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes.

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn ließ erklären: «Unser Konzern ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Das bietet uns über alle Marken hinweg viele Möglichkeiten, effizienter zu werden und Synergien zu heben - dieses Potenzial werden wir nun vordringlich ausschöpfen.» Auch Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch mahnte zu «strikter Kosten- und Investitionsdisziplin». Die wirtschaftliche Großwetterlage sei «so volatil und fragmentiert wie selten zuvor - von den Wechselkursen bis zu den Rückgängen in Schwellenländern». Die Kostendiät und Ausgabendisziplin sei damit wichtiger denn je, um die Rendite- und Strategieziele für das Jahr 2018 zu erreichen. Bis dahin will der Konzern am Weltmarktführer Toyota vorbeigezogen sein.

Problemregion Südamerika

Die operative Umsatzrendite der Kernmarke stieg nach 1,8 Prozent im ersten Quartal nur leicht auf rund 2 Prozent. Der Konzern erklärte die fast 500 Millionen Euro Ertragsrückgang unter anderem mit weniger Verkäufen: 2,3 Millionen abgesetzte Fahrzeuge in den ersten sechs Monaten sind gut 3 Prozent Verschlechterung. Treiber der Entwicklung sei vor allem die problematische Verkaufsregion Südamerika. Dort brach der Umsatz des gesamten Konzerns um mehr als ein Viertel ein.

Zudem belasteten der starke Euro und Vorleistungen für Neuentwicklungen das Ergebnis. Positiv steuerten sinkende Materialkosten und ein günstigerer Modellmix im Verkauf gegen.

Audi und Porsche retten Ergebnis

Erneut retteten die Ertragsperlen Audi und Porsche mit 2,7 Milliarden beziehungsweise 1,4 Milliarden Euro das Konzernergebnis - zusammen fuhren sie viermal so viel Gewinn ein wie die Kernmarke. Das Konzern-Ebit kletterte insgesamt um 400 Millionen auf 6,19 Milliarden Euro.

Dazu lässt der weltgrößte Markt China weiter die Kassen klingeln: Der Ebit-Gewinn aus den dortigen Gemeinschaftsunternehmen stieg um zehn Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Der Konzern weist sie getrennt aus. Der Konzernumsatz stagnierte im ersten Halbjahr bei knapp 99 Milliarden Euro. Inzwischen (Stichtag 30. Juni) beschäftigt VW konzernweit rund 576.000 Mitarbeiter.

Dudenhöffer sieht Kannibalisierung statt Synergie

VW habe sich in "seiner Strategie verrannt", kritisiert Experte Ferdinand Dudenhöffer. So sorge der Modulare Querbaukasten (MQB) statt für Synergieeffekte für Kannibalisierungen des Mehrmarken-Konzerns. Zudem habe sich VW beim Billigauto noch keine klare Strategie, die in diesem wachsenden Segment aber vonnöten wäre.

Zudem falle laut dem Leiter des CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen die Marge bei bestimmten Modellen, bei denen ein hoher Eigenzulassungsanteil wie beim Golf mit 51 Prozent im ersten Halbjahr 2014 oder beim Phaeton und CC zwischen 45 und 60 Prozent.

"VW will gleichzeitig Mercedes und Toyota sein"

Weiterhin vermiesen die "teuren Hobbies" von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech weitere Gewinne. Phaeton oder CC sowie die Marken Bugatti, Lamborghini oder Ducati würden die Marge der Kernmarke drücken. Neben einem sehr viel höheren Mitarbeiteranteil als beim Mitbewerber Toyota, den VW bis 2018 von der Spitze des weltgrößten Autoherstellers verdrängt haben möchte, müsse natürlich auch das USA-Geschäft angekurbelt werden.

Hier wolle laut Dudenhöffer VW gleichzeitig "Mercedes und Toyota" sein, sei aber weder "Fisch noch Fleisch. Ein Volkswagen, der davon träumt ein Mercedes oder Audi zu sein, wird von den Kunden links liegen gelassen. Aber genau auf dieser Strategie fußt das Konzept von Winterkorn und Piëch. Deshalb wird es bei VW keine schnelle Sanierung geben, deshalb wird die Marke VW zum Risiko. VW hat sich in seiner Markenstrategie verheddert." (AG/dpa)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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