VW-Amerika-Chef: Wir haben Mist gebaut

Abgasskandal in USA

VW-Amerika-Chef: Wir haben Mist gebaut
VW USA-Chef Michael Horn gehört auch zu den Beklagten. © dpa

VW gerät wegen des Abgas-Skandals in den USA weiter in Bedrängnis. Nun musste der Konzern eine Gewinnwarnung herausgeben und stellt 6,5 Milliarden Euro zurück. Der Amerikachef des Autobauers

Die Affäre um manipulierte Abgastests bei VW-Dieselwagen in den USA schlägt immer höhere Wellen. Die Talfahrt der Volkswagen-Aktie setzte sich auch am Dienstag unvermindert fort. Bis zum späten Vormittag sackte die Vorzugsaktie der Wolfsburger an der Börse in Frankfurt um weitere knapp 6 Prozent ab. Mittags musste der Konzern noch eine Gewinnwarnung herausgeben. Um die Folgen der Manipulation für die Kunden abzufedern und weitere Maßnahmen zu bezahlen, werden rund 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückgestellt, wie der Konzern am Dienstag in Wolfsburg mitteilte. "Die Ergebnisziele des Konzerns für das Jahr 2015 werden dementsprechend angepasst."

Am Montag hatte der Aktienkurs von Europas größtem Autobauer bereits 18,6 Prozent eingebüßt - ein Börsenwert-Verlust von etwa 14 Milliarden Euro für den Konzern. Laut US-Medien sind nun auch strafrechtliche Folgen möglich. Und der Imageverlust nährt inzwischen auch Sorgen vor möglichen Konsequenzen für die Arbeitsplätze.

Ermittlungen der US-Justiz

Das US-Justizministerium ermittle, ob VW kriminelle Machenschaften vorzuwerfen seien, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf zwei mit der Untersuchung vertraute Personen. VW selbst war zunächst nicht für eine Reaktion zu erreichen. In Kriminalfällen können US-Ermittlungen Monate oder Jahre andauern, ergebnislos enden, aber auch zu heftigen Strafen führen. Das Justizministerium in Washington wollte sich gegenüber Bloomberg nicht zu dem Fall äußern.

Mit dem Skandal wird sich auch ein Ausschuss des US-Kongresses befassen. Das kündigten die beiden US-Politiker Fred Upton (Energie- und Handelsausschuss des Repräsentantenhauses) und Tim Murphy (Untersuchungs-Unterausschuss) an. In den kommenden Wochen wird demnach eine Anhörung zu Vorwürfen der Umweltbehörde EPA angesetzt.
«Das amerikanische Volk verdient Antworten und Zusicherungen, dass dies nicht wieder passiert», heißt es in der Erklärung der beiden US-Kongressmitglieder. Am Vortag hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Anweisung ans Kraftfahrt-Bundesamt angekündigt, bei VW-Dieselmodellen jetzt strenge spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter zu veranlassen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnte vor einer Beschädigung des Qualitätsbegriffs «made in Germany». DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte der «Bild»-Zeitung (Dienstag), darüber hinaus könnten «auch andere deutsche Exporteure Schaden nehmen, denn VW war bisher ein Aushängeschild für Produkte "Made in Germany"».

Die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA), maria Krautzberger, sagte zu den Manipulationen: „Eine solche Abgas-Betrügerei täuscht ja nicht nur die Kunden. Sie führt auch zu deutlich schlechterer Luft. Das gefährdet die Gesundheit.“ Wie Krautzberger hinzufügte, hätten 2014 „immerhin 62 Prozent der städtischen verkehrsnahen Messstellen über dem EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid“ gelegen. Die Emissionen aus Diesel-PKW hätten daran einen erheblichen Anteil gehabt.

„Das Umweltbundesamt weist schon seit Ende der 1990er Jahre darauf hin, dass auch in Deutschland die realen Schadstoffemissionen höher sind als die Typprüfwerte, die auf dem Rollenprüfstand ermittelt wurden. Damit muss Schluss sein“, so Krautzberger weiter.

Auch Steinmeier fordert schnelle Aufklärung

Es müsse nun dringend «um Schadensbegrenzung für VW und für deutsche Exporteure allgemein gehen». Ähnliche Sorgen hatte am Montag auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel geäußert, am Dienstag forderte auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) eine schnelle Aufklärung imVW-Skandal.

VWs Amerika-Chef Michael Horn gab bei der Präsentation eines neuen Passat-Modells am Montagabend (Ortszeit) in New York einen schweren Fehler des Unternehmens zu und meinte: «Wir waren unehrlich zur Umweltbehörde EPA, wir waren unehrlich zu den Behörden in Kalifornien und, am schlimmsten von allem, wir waren unehrlich zu unseren Kunden. Um es auf gut Deutsch zu sagen: Wir haben Mist gebaut.»

Neben einem Imageverlust drohen Volkswagen Strafzahlungen von bis zu 18 Milliarden Dollar, Rückrufkosten, strafrechtliche Folgen sowie mögliche Regressansprüche von enttäuschten Kunden und Aktionären. Die EPA wirft VW Manipulation von Schadstoffmessungen bei Dieselautos vor. Die Wolfsburger haben Fehlverhalten eingeräumt und versprochen, mit der Behörde zu kooperieren. Der Konzern stoppte den Verkauf der betreffenden Modelle in den USA. Vorstandschef Martin Winterkorn hat eine externe Untersuchung und eine rasche Aufklärung zugesagt.

Am Mittwoch will sich der innerste Zirkel des Aufsichtsrats bei einem Krisentreffen mit dem Thema beschäftigten, verlautete aus VW-Kreisen. Zwei Tage später steht bei der VW-Aufsichtsratssitzung Winterkorns bereits angekündigte Vertragsverlängerung an. (dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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