Ex-VW-Ingenieur muss für 40 Monate in Haft

Urteil im Abgasskandal

Ex-VW-Ingenieur muss für 40 Monate in Haft
Das Gericht fällte ein hartes Urteil. © dpa

Keine Gnade: Ein US-Gericht hat einen ehemaligen VW-Ingenieur im Abgasskandal zu einer Haftstrafe von 40 Monaten verurteilt. Damit ging der Richter über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus.

Ungläubiges Schweigen im Gerichtssaal, selbst der Staatsanwalt wirkt konsterniert. Richter Sean Cox kennt beim ersten Urteil gegen einen ehemaligen VW-Mitarbeiter im Abgas-Skandal keine Gnade und geht deutlich über die Forderungen der Strafverfolger hinaus. Der Konzerningenieur James Liang muss für 40 Monate in Haft und 200 000 Dollar Strafe zahlen. Wie ein Häufchen Elend fällt er auf der Anklagebank in sich zusammen, die Ehefrau bricht hinter ihm in Tränen aus, daneben mit versteinerten Mienen die Töchter und der Sohn.

Mit dem ersten Urteil gegen einen VW-Mitarbeiter beginnt im Abgas-Skandal ein neues Kapitel. Nachdem Volkswagen die «Dieselgate»-Affäre auf Konzernebene mit Milliarden-Vergleichen zumindest in den USA weitgehend abhaken konnte, sollen dort nun die verantwortlichen Menschen zur Rechenschaft gezogen werden. Der Fall «Vereinigte Staaten von Amerika gegen James Robert Liang» taugt dazu allerdings nur bedingt. Die Drahtzieher vermuten die Strafverfolger woanders, was Richter Cox jedoch wenig beeindruckt.

Staatsanwaltschaft forderte dreijährige Haft

Die Staatsanwaltschaft hatte lediglich eine dreijährige Haftstrafe und 20.000 Dollar Bußgeld für den 63 Jahre alten Dieselexperten gefordert, der seine gesamte 35-jährige Berufskarriere lang für VW tätig war. Zugleich machte sie in ihrem Plädoyer deutlich, dass sie Liang nicht für das «Mastermind» im Abgas-Skandal hält. «Er saß weder in den Vorstandsetagen von VW, wo die Betrugs-Software diskutiert wurde, noch hat er andere am kriminellen Komplott Beteiligte im Unternehmen angewiesen oder beaufsichtigt.»

Doch Richter Cox lässt sich davon nicht abhalten, er wollte ein Exempel mit hoher Abschreckungswirkung statuieren. «Sie waren eine Schlüsselfigur bei einem sehr ernsten und bedenklichen Verbrechen», sagt er dem Angeklagten vor der Urteilsverkündung ins Gesicht. «Ich sehe Ihre Familie in der ersten Reihe und es fällt mir nicht leicht.» Doch Liang und seine Mitverschwörer bei VW hätten mit ihren Vergehen das Vertrauen der US-Verbraucher und damit das Fundament der US-Wirtschaft unterminiert. Deshalb sei die harte Strafe nötig.

Liang hatte im September 2016 ein Geständnis abgelegt - rund ein Jahr, nachdem VW unter dem Druck der US-Umweltbehörden zugab, mit einer illegalen Software in großem Stil Abgastests von Dieselautos manipuliert zu haben. Seitdem kooperierte der von Justizbeamten als «sanftmütig und leise» beschriebene Familienvater als eine Art Kronzeuge mit den US-Behörden. Liang habe wichtige Informationen geliefert, die bei den nächsten Schritten hilfreich gewesen seien, sagten die Ermittler. Deshalb lag die von ihnen geforderte Strafe auch deutlich unter dem theoretisch möglichen gesetzlichen Höchstmaß von sieben Jahren Haft und einer Geldbuße bis zu 400.000 Dollar.

Aussagen gegen Kollegen

Liang, der seit 1982 beim deutschen Autoriesen angestellt ist, belastete Kollegen und Vorgesetzte zum Teil schwer - mittlerweile wurden US-Strafanzeigen gegen weitere sieben amtierende und ehemalige Mitarbeiter des Konzerns gestellt. Liangs Aussagen lassen zudem tief in die Firmen-DNA blicken. Er habe der Regierung als Mitglied einer Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen Umweltgesetze «Einsichten aus erster Hand in die rechtswidrigen Grundsätze und Motivationen von VW und seinen Mitarbeitern gewährt», so die Staatsanwaltschaft.

Beschrieben wurde demnach ein «Unternehmen, das seine ethische Verankerung verloren hat im Streben nach mehr Marktanteilen und Profit». Liangs Anwalt Daniel Nixon bezeichnete seinen Mandanten als hart arbeitenden und loyalen VW-Angestellten, dem eine Unternehmenskultur zum Verhängnis geworden sei, die «keinen Widerspruch erlaubte». Statt sich - wie andere Kollegen - nach Bekanntwerden des Skandals in die sichere deutsche Heimat abzusetzen, sei Liang in den USA geblieben, um eine Lösung für VW zu finden.

Die Argumente konnten Richter Cox aber nicht überzeugen. Sein hartes Urteil wirft die Frage auf, welches Strafmaß erst für Liangs Hintermänner vorgesehen sein mag. Zunächst bleibt es dabei: Im größten Skandal der Konzerngeschichte muss als erstes ein relativ kleines Rädchen im VW-Getriebe dran glauben. Denn auch wenn Liang als «Leiter Dieselkompetenz» von Volkswagens US-Tochter jahrelang beim Schwindel rund um Zertifizierung und Tests manipulierter Dieselwagen mitgeholfen hat - verglichen mit den Vorwürfen gegen andere Angeklagte wirkt seine Rolle überschaubar.

Doch ob die US-Fahnder größere Namen auf ihrer Liste - wie etwa Ex-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer - je werden fassen können? Aus Deutschland droht vorerst jedenfalls keine Auslieferung. Mit Oliver Schmidt, der im Januar in Miami vom FBI festgenommen wurde und seitdem in Untersuchungshaft sitzt, erwartet neben Liang derzeit nur einen weiteren Beschuldigten ein Urteil in den USA. Der 48-Jährige, der dort bis 2015 für Umweltfragen zuständig war, hatte Anfang des Monats ein Schuldgeständnis abgegeben. Ihm drohen bis zu sieben Jahre Haft und Geldstrafen von insgesamt bis zu 500.000 Dollar. (dpa)

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