Volvo 360c: Rollendes Nobelhotel

Volvo 360c: Rollendes Nobelhotel
Blick in die Zukunft: der Volvo 360c. © Volvo

Volvo blickt mit seiner Studie 360c in die Zukunft. Auf Basis des S90 haben die Entwickler ein Auto entworfen, das den Insassen eine Wohlfühloase bieten soll.

Gut fünf Meter lang, ein nach oben gewölbtes Dach, an dessen Ende zwei schmale Leitplanken herausragen, die wie um 90 Grad gedrehte Heckspoiler anmuten. Dazu eine stummelige Frontpartie, die nach vorne steil abfällt.

Leuchtenbänder vorne und hinten sorgen für Aufmerksamkeit der Umstehenden, noch bevor der wagenbreite, nach oben schwingende Zugang einen Blick in den Innenraum zulässt. Ein Zukunfts-Auto, genannt Volvo 360c. Ein Modell, das irgendwann einmal betuchte Volvo-Kunden befördern soll.

Fahrer- und lenkradlos

Selbst die vereinigten Tüftler in Göteborg haben noch keine Antwort auf die Frage, wann so ein 360c im öffentlichen Verkehr landen könnte. Denn das Elektromobil auf Basis der heutigen Luxuslimousine S 90 ist natürlich fahrer- und lenkradlos, soll sich seinen Weg über Autobahnen und im Stadtverkehr ausschließlich dank der Informationen zahlreicher Sensoren suchen und dabei den Insassen eine Wohlfühl-Oase bieten, die mit Nobelhotels konkurrieren kann.

Ob bequemes Bett oder Sitzgruppe für vier Erwachsene, Hauptsache die laute, gefährliche Welt da draußen stört nicht das Bedürfnis der künftigen Besserverdiener nach Privatsphäre und Luxus. So wie ein Privatjet, allerdings mit den Rädern stets auf Höhe Null.

Von Serienreife weit entfernt

Natürlich fällt es beim Probesitzen schwer, die Faszination im Gleichgewicht mit dem Realitätssinn zu halten. Der sorgt nämlich für die Erkenntnis, dass die Mehrzahl der heutigen Volvo-Ingenieure und Planer bestenfalls ihren Ruhestand genießen, wenn der 360c denn wirklich auf den Straßen unterwegs sein wird. Auch die meisten der künftigen Kunden dürften heute noch gar nicht das Licht der Welt erblickt haben. Denn dieses Denkmodell befasst sich nicht mit der Technik, die zum autonomen Auto nötig ist, sondern nur mit dessen Ambiente und Anmutung.

Dieser Einschätzung will auch Volvo-Chefmanager Martin Kristensson, verantwortlicher Stratege für das sogenannten vernetzte Auto, nicht widersprechen. „Für das fahrerlose Auto gibt es noch viele Hürden, obwohl die nötige Technik in kurzen Intervallen große Fortschritte macht“. Natürlich geht es um den jeweiligen Grad, welche Aufgaben die Elektronik dem Fahrer künftig abnehmen kann. Da ist weltweit von sogenannten „Leveln“ die Rede, derzeit aktuell ist Level 2. Der Fahrer ist in der Verantwortung, wenn er Systeme wie Abstandsradar, halbautomatisches Einparken oder die „Staufolge“-Funktion nutzt. Der Mensch kann sich beim Steuern, Beschleunigen oder Bremsen helfen lassen, muss aber stets die Kontrolle behalten.

Assistiert oder autonom

Martin Kristensson erklärt den Volvo-Weg: „Wir halten nichts von diesen Szenarien bis hin zum vollautomatischen Fahren nach Level 5. Für uns gibt es nur zwei Sichtweisen – assistiert oder autonom“. Das bedeutet: Ein Volvo bietet entweder Unterstützung des Fahrers im Sinne von klugen Assistenten oder eben ein vollautomatisches Auto, in dem sich der Mensch der Technik unterordnet. Für die Schweden gilt somit, dass alle diese definierten Level nur Zwischenschritte sind.

Diese Lösung nach dem Motto „Sekt oder Selters“ bedeutet aber auch für Kristensson und Kollegen viel Arbeit. Volvo gehört heute schon zu den Herstellern, die nahezu alle modernen Assistenzsysteme in den aktuellen Modellen anbieten. „Die müssen wir auf unserem Weg zum autonomen Auto ständig verbessern und weiterentwickeln, müssen neue, noch leistungsfähigere Sensoren nutzen und immer wieder testen und forschen“. Dabei geht es vor allem um die Vermeidung von Unfällen, die von überforderten Menschen hinterm Steuer verursacht werden. „Die Weiterentwicklung der Assistenzsysteme ist für die Erreichung unseres zunächst wichtigsten Ziels unverzichtbar. Wir wollen, dass künftig kein Mensch in einem Volvo mehr zu Schaden kommt“.

Mobilität verkaufen

Im Volvo 360c kann man natürlich auch schlafen. Foto: Volvo

Ein Ziel, das auch auf den Fahnen anderer Autofirmen steht. Aber andererseits wollen alle auch für den Zeitpunkt gerüstet sein, wenn das selbstfahrende Auto reif für die Serie ist. Für Volvo gab Präsident Håkan Samuelsson die Richtung vor. „Wir verkaufen in Zukunft unseren Kunden nicht nur Autos, sondern Mobilität“.

In diesem Sinne entstand auch der 360c. Er soll die Zeit vorwegnehmen, in der Privatbesitz eines Autos rasant an Bedeutung verliert, Carsharing explodiert und autonom fahrende Autos von ganzen Gruppen von Menschen gemeinsam genutzt werden. Und dafür will der Premium-Hersteller seine auch künftig recht teuren Produkte maßgeschneidert für den typischen Volvo-Kunden bereitstellen.

Vize-Präsident Mårten Levenstam, der die Produkt und Geschäftsstrategie des Unternehmens leitet, fasst zusammen: „ Das autonome Fahren wird die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht grundlegend verändern und einen großen Einfluss darauf nehmen, wie die Menschen reisen und wie wir unsere Städte gestalten. Wir betrachten das Konzept als den Anfang eines Gesprächs, das mit der Zeit weitere Ideen und Antworten bringt.“ (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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