Erstmals seit 20 Jahren: Zahl der Verkehrstoten steigt

Anstieg stärker als erwartet

Erstmals seit 20 Jahren: Zahl der Verkehrstoten steigt
Im August gab es mehr Verkehrstote als im Vorjahresmonat. © ACE

In Deutschland sind erstmals seit 20 Jahren wieder Menschen im Verkehr ums Leben gekommen. Die Zahl der Verkehrstoten stieg dabei stärker als erwartet an. Als Grund wird das gute Wetter genannt, Kritiker halten dies für Unfug.

Zum ersten Mal seit 20 Jahren ist die Zahl der Verkehrstoten im vergangenen Jahr wieder gestiegen. Auf den Straßen Deutschlands kamen 3991 Menschen ums Leben, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mitteilte. Der Anstieg um 9,4 Prozent zum Vorjahr sei stärker ausgefallen als erwartet.

Einen wesentlichen Grund für die Zunahme sehen die Statistiker im schönen Wetter: Ein milder Winter, ein warmer und trockener Frühling und ein schöner Herbst hätten 2011 dazu geführt, dass mehr und häufig auch schneller gefahren wurde. Außerdem seien bei solchem Wetter mehr Fußgänger und Zweiradfahrer unterwegs, die eher ungeschützt seien.

Raserei Schuld an Anstieg der Verkehrstoten

Kritiker von Polizei und Verkehrsclubs widersprechen heftig: Schuld seien unter anderem Raserei und zu wenig Geld für mehr Sicherheit auf den Straßen. Seit 1991 war die Zahl der Verkehrstoten stetig gesunken. Damals starben 11 300 Menschen im Straßenverkehr. Die meisten Opfer waren 1970 mit über 21 000 registriert worden.

Es sei absurd, das Wetter als Erklärung für die vielen Opfer heranzuziehen, sagte Bernhard Witthaut, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) laut Mitteilung. «Die Menschen sind doch nicht am Sonnenbrand gestorben.» Grund für die vielen Opfer sei vielmehr eine verwilderte Verkehrsmoral: «Rücksichtslose Fahrweisen, Alkohol, überhöhte Geschwindigkeit und Missachtung der Verkehrsregeln nehmen zu.» Die Überwachung habe mit dem wachsenden Verkehr nicht Schritt gehalten, Polizistenstellen seien sogar abgebaut worden.

Auch der ökologische Verkehrsclub VCD warnte vor Vereinfachung. Allein mit dem Wetter könne der enorme Anstieg nicht erklärt werden. Zu schnelles Fahren, zu viel Verkehr und zu wenig Schutz für Fußgänger und Radfahrer seien die zentralen Probleme.

Ramsauer: Verkehrssicherheit bleibt zentrales Anliegen

Der Auto Club Europa (ACE) kritisierte, dass die Ausgaben des Bundes für Verkehrssicherheit massiv zurückgefahren worden seien, unter dem Strich gebe es dafür pro Kopf nur noch rund 12 Cents im Jahr, sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner. Damit stünden heute rund fünf Millionen Euro weniger zur Verfügung als 2005. Unabhängig von wetterbedingten Schwankungen sei jedes Verkehrsopfer eines zu viel, sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) laut Mitteilung. Die Verkehrssicherheit bleibe eines der zentralen Anliegen der Bundesregierung.

Die gestiegene Zahl der Todesopfer sei ein Alarmzeichen, meint der Verkehrssicherheitsrat (DVR). Die Sicherheitspotenziale müssten noch stärker ausgeschöpft werden. Die Unfallzahlen 2011 dürften nicht zur Trendumkehr mit weiter steigenden Opferzahlen führen. Etwa 391 500 Menschen wurden 2011 bei Verkehrsunfällen verletzt, ein Anstieg zum Vorjahr um 5,5 Prozent. Die Zahl der von der Polizei aufgenommenen Unfälle ging dagegen um 2,8 Prozent auf rund 2,3 Millionen zurück.

Besonders drastisch stieg die Zahl der Verkehrstoten im Dezember: 364 Menschen starben auf den Straßen, mehr als doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Die Zahl der Verletzten erhöhte sich in dem Monat um ein gutes Drittel auf rund 31 400. Im Dezember 2010 hatte es einen starken Wintereinbruch gegeben - und da wurde den Statistikern zufolge weniger und langsamer gefahren.

Bestürzt von dem Anstieg zeigte sich die Deutsche Verkehrswacht. „Das Wetter für den Anstieg der Verkehrstoten verantwortlich zu machen, ist ein zu einseitiger Erklärungsansatz. Der Anstieg der Alkoholunfälle ist hierin genauso wenig berücksichtigt, wie andere Fehlverhalten. Wir sehen einen steigenden Bedarf an Verkehrserziehung und Aufklärung und die Notwendigkeit, Finanzmittel in neue Formen der Zielgruppenansprache zu investieren“, sagte der Präsident der Präsident der Deutschen Verkehrswacht, Kurt Bodewig. (AG/dpa)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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