US-Geschäft für VW ein Desaster

Irgendwie versteht Volkswagen die Kundenwünsche in den USA nicht mehr, entsprechend mies läuft auch das Geschäft. Nun ziehen die Wolfsburger die Reißleine – und erinnern sich an alte Zeiten.

Die USA sind für VW ein Fass ohne Boden. Europas größter Autobauer hat in den vergangenen Jahren auf dem wichtigen US- Markt Milliardenverluste gemacht - Lücken in der Modellpalette, Schwächen im Vertrieb, der flaue Dollarkurs und Rabattschlachten mit der Konkurrenz haben die Wolfsburger in den USA zurückgeworfen. Konzernchef Martin Winterkorn will nun gegensteuern. Der Wolfsburger Top-Manager Stefan Jacoby, der reichlich Erfahrungen mit Auslandsmärkten hat, soll als neuer US-Chef das Geschäft auf Kurs bringen. Winterkorn hat außerdem eine alte Debatte neu entfacht - möglicherweise baut VW in den USA wieder ein Werk, nachdem die Fabrik dort vor 20 Jahren dicht gemacht wurde.

«Offene Flanke»

2006 schrieb der VW-Konzern in den USA Verluste von 607 Millionen Euro - dies ging komplett aufs Konto der Konzern-Kernmarke VW, denn Audi verzeichnete ein ausgeglichenes Ergebnis. 2003 war Volkswagen im Land der eigentlich unbegrenzten Möglichkeiten in die Miesen gerutscht, seitdem häuften sich die Verluste auf rund 2,5 Milliarden Euro an. Eine Ertragswende für den gesamten Konzern in den USA sieht VW erst 2009.

Nicht umsonst also bezeichnete Winterkorn das US-Geschäft jüngst als «offene Flanke» für den Konzern. «In Amerika sind wir in der Tat weit weg von dem, wo wir hinwollen», sagte der Konzernboss. «Wir brauchen für den Markt mehr Autos, die besser zu den Amerikanern passen.»

Andere Gesetze

Nur: Neu ist das alles nicht. Auch der frühere Chef der Konzern-Kernmarke VW, Wolfgang Bernhard, hatte das Problem erkannt und «Trend scouts» losgeschickt, um die Kundenwünsche der Amerikaner zu ergründen. Der damalige Konzernchef Bernd Pischetsrieder hatte «mehr amerikanisches Denken» fürs VW-Geschäft als Parole ausgegeben - genützt hat dies allerdings wenig.

Immer noch tut sich VW schwer mit dem US-Markt und dessen eigenen Gesetzen. Die Amerikaner kaufen zum Beispiel anders ein als die Deutschen, sie brauchen viel Platz für ihre großen Einkaufstüten. Also sind in den USA Fahrzeuge mit großem Kofferraum gewünscht. Bei VW aber sind solche Modelle Mangelware. Überliefert ist sogar die Anekdote: Als VW-Statthalter in den USA einer Abordnung aus Deutschland das Problem schilderten, sollen die Wolfsburger geantwortet haben: Dann müssen die Amis halt anders einkaufen.

Neue Ausrichtung gefragt

Abhilfe schaffen könnte ein neuer Mini-Van, den VW in Kooperation mit Chrysler baut - das Modell kommt 2008 in den USA auf den Markt, wie auch der neue kleine Geländewagen Tiguan. 2008 erwartet VW wieder ein Absatzplus im US-Markt, im laufenden Jahr wird mit einer Stagnation gerechnet - ganz im Gegensatz zur Premium-Tochter Audi, die vor einem neuen Rekordjahr steht. 2009 will VW seine Modellpalette in den USA weiter ausbauen, Einzelheiten sind aber noch nicht bekannt.

Chancen für VW sieht der Autoexperte Peter Schmidt vom britischen Branchendienst Automotive Industry Data vor allem im Kleinwagensegment. Dieses werde in den USA angesichts der steigenden Spritpreise stark an Bedeutung gewinnen, prognostiziert er. Auch beim bisher in den USA unpopulären Diesel, der ebenfalls im Kommen sei, habe VW große Chancen. Damit könnte VW auch dem erklärten weltweiten Hauptrivalen Toyota Paroli bieten. Die Japaner sind in den USA enorm erfolgreich - auch, weil sie in den USA fertigen.

Diskussion ist angestoßen

VW dagegen hat seit 20 Jahren kein eigenes Werk mehr in den Staaten. 1987 wurde die Fabrik in Westmoreland im Bundesstaat Pennsylvania wegen mangelnder Auslastung geschlossen. Seitdem produziert VW in seinem Werk in Mexiko für den Dollar-Raum. Wenn die VW-Wachstumsstrategie aufgehe, reiche die dortige Produktionsstätte aber sicher nicht aus, sagte Winterkorn. «Wenn der Dollar-Kurs auf jetzigem Niveau bleibt, muss man sehr wohl über ein Werk für Nordamerika nachdenken.»

Natürlich könne ein Fabrikstandort in Nordamerika eine Möglichkeit sein, sagte Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh. Dies dürfe aber nicht zu Lasten der Beschäftigung an anderen Standorten gehen. Momentan bestehe die Aufgabe vordringlich darin, geeignete Produkte für den nordamerikanischen Markt zu entwickeln und anzubieten.

Bei der Zufriedenheit der US-Kunden jedenfalls hat VW noch gehörigen Nachholbedarf: In der jüngsten, wie immer viel beachteten Qualitätsstudie der amerikanischen Marktforschungsfirma J.D. Power kam VW auf Rang 31 - unter insgesamt 35 erfassten Automarken.

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