«Rendite darf kein Selbstzweck sein»

Interview mit Audi-Chef Rupert Stadler

Audi will in diesem Jahr eine Million Autos verkaufen. Im Interview mit der Autogazette spricht Audi-Chef Rupert Stadler über die Verantwortung von Spitzenmanagern, die C02-Strafsteuer und die Strategie 2015.

Der Ingolstädter Autobauer Audi will nach dem zwölften Absatzrekord in Folge in diesem Jahr erstmals über eine Million Fahrzeuge verkaufen. «Ja, es bleibt bei der Aussage, dass wir in diesem Jahr die eine Million-Marke packen», sagte Audi-Chef Rupert Stadler im Interview mit der Autogazette.

Hohe Bedeutung des A1

Mit Blick auf die Absatzerwartung von 1,5 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2015 kommt dem Kleinwagen Audi A1, der 2010 auf den Markt kommt, eine hohe Bedeutung zu. «Der A1 ist für uns der Einstieg ins Kleinwagensegment. Er hat jedoch von seinen Genen her einen absoluten Premium-Charakter und Premiumanspruch. Wir werden damit auch ein neues Segment mit etablieren. Wir gehen von einem jährlichen Absatz von rund 100.000 Einheiten aus», sagte der Audi-Chef.

«Erfolg lohnt sich für die Mitarbeiter»

Autogazette: Herr Stadler, hat das Ansehen der deutschen Spitzenmanager durch die Steueraffäre um Ex-Postchef Klaus Zumwinkel Schaden genommen?

Rupert Stadler: Nein, das glaube ich nicht. Man sollte das Thema nicht verallgemeinern. Wir sprechen über Einzelfälle. Ich glaube, dass die große Mehrzahl der Wirtschaftsführer in diesem Land einen enormen Wertbeitrag leisten, den man nicht kleinreden sollte.

Autogazette: Dennoch hat die Bundeskanzlerin gerade bei einem Spitzentreffen mit der deutschen Wirtschaft Unternehmer und Manager aufgerufen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung besser gerecht zu werden. Bedurfte es einer solchen Mahnung?

Stadler: Mit Blick auf Audi sicher nicht. Wir kommen unserer Verantwortung seit Jahren nach. So haben wir die Vereinbarung «Audi Zukunft». Darin geht es um die Leistung, den Erfolg, aber auch die Beteiligung unserer Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens. Nach dem zwölften Rekordjahr in Folge wird die Mannschaft sehen, dass sich Erfolg auch für sie lohnt. Auf der sozialen Ebene haben wir im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen einen deutlichen Vorsprung.

«Leben in einem Hochlohnland»

Der Audi R8 Le Mans Foto: dpa

Autogazette: Können Sie trotzdem verstehen, dass ein Durchschnittsverdiener an der sozialen Marktwirtschaft zweifelt, wenn Unternehmen wie Siemens oder BMW trotz Gewinnzuwächsen Tausende Stellen streichen?

Stadler: Es sind natürlich keine guten Nachrichten, wenn das eine oder andere Unternehmen Stellen abbaut. Was weniger Schlagzeilen macht ist, dass auch ständig neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir müssen sehen, dass wir in einem Hochlohnland leben und dass der Wettbewerb permanent Veränderung erfordert. Das bedeutet, dass wir immer soviel besser sein müssen, wie wir teurer sind.

Autogazette: Sind solche Stellenstreichungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht wirklich notwendig oder lassen sich ihre Kollegen vielmehr von den Renditeerwartungen beeinflussen?

Stadler: Rendite darf kein Selbstzweck sein. Sie ist aber eine notwendige Voraussetzung dafür, gute Löhne zahlen zu können und in die Zukunft zu investieren. Wenn man eine gute strategische Unternehmensplanung hat und die entsprechenden Eckpfeiler setzt, kann man zumindest den Versuch unternehmen, dass einem auf dem Weg dorthin weniger passiert und man entsprechend ein stabiles Ergebnis erzielt.

Autogazette: Was sagen Sie einem Ihrer Fließbandarbeiter, der Sie nach den Stellenstreichungen bei BMW besorgt fragt, ob sein Arbeitsplatz sicher sei?

Stadler: Ich sage ihm: Unser Ziel ist es, ihm einen sicheren Arbeitsplatz bei Audi zu bieten. Deshalb haben wir mit dem Betriebsrat auch eine Vereinbarung geschlossen, die über einen bestimmten Zeitraum läuft und die Arbeitsplätze garantiert. Diese Vereinbarung wird natürlich regelmäßig neu verhandelt. Deshalb sage ich ihm auch, dass er sich weiter anstrengen soll, denn wir wollen unseren Mitarbeitern auch in Zukunft sichere Arbeitsplätze bieten.

«Kaufzurückhaltung feststellbar»

Der Audi A5 Foto: AG/Mertens

Autogazette: Der private Konsum kommt trotz positiver Konjunkturdaten nicht in Schwung. Dennoch spricht sich die Bundesregierung gegen Steuerentlastungen aus. Verstehen Sie das?

Stadler: Derzeit ist im Konsumgüterbereich eine Kaufzurückhaltung feststellbar. Und ganz speziell beim Autokauf ist es so, dass sich viele Kunden in Deutschland zurück halten. Das liegt daran, dass sie im Moment zu wenig Vertrauen in die weitere Entwicklung haben. Viele Menschen wissen nicht, was ihnen beispielsweise beim Rentensystem bevorsteht. Er legt sein Geld lieber auf die hohe Kante und das spüren wir.

Autogazette: Wären Steuererleichterungen deshalb nicht sinnvoll?

Stadler: Ich bin nicht der Finanzminister, hier muss die Regierung eine Antwort geben. Doch ich würde mir wünschen, dass wir mehr Zutrauen in die Zukunft haben, denn wir sind trotz aller Herausforderungen gut unterwegs. Doch Erfolge kommen nur durch gute Leistung, geschenkt bekommt man nirgends etwas.

Autogazette: Rechnen Sie in diesem Jahr mit einer Erholung der Absatzsituation auf dem deutschen Automarkt?

Stadler: Um das beurteilen zu können, werden wir noch ein paar Monate warten müssen, obwohl der Januar und der Februar gar nicht so schlecht gelaufen sind. Das allerdings nur im Vergleich zu den sehr schwachen Vorjahreszahlen. Ich wünsche mir, dass wir zu einer grundlegend stabileren Situation zurückkehren.

«Wir packen in diesem Jahr die eine Million»

Der Audi A4 Avant Foto: AG/Mertens

Autogazette: Audi konnte 2007 mit 965.000 Autos seinen zwölften Absatzrekord in Folge erzielen. Wird in diesem Jahr die eine Million- Marke geknackt?

Stadler: Ja, es bleibt bei der Aussage, dass wir in diesem Jahr die eine Million-Marke packen.

Autogazette: Sie betonen immer wieder, dass Audi bis zum Jahr 2015 1,5 Millionen Fahrzeuge verkaufen will. Rechnen Sie damit, dass dieses Ziel auch eher erreicht werden kann?

Stadler: Ich denke, dass so ein Ziel anspruchsvoll genug ist. Es gibt nichts vorzuziehen, wir machen keine Volumenrallye. Unser Ziel ist es, das Unternehmen qualitativ zu entwickeln, das heißt, nicht nur in den Stückzahlen sondern auch im Ergebnis zu wachsen. Mir geht es um Stabilität im Unternehmen und die Sicherheit für unsere Mitarbeiter.

«A1 hat Premium-Charakter»

Autogazette: Audi feiert auf dem Autosalon Genf die Weltpremiere des A4 Avant. Soll Sie insbesondere dieses Fahrzeug zu dem Ziel der eine Million Fahrzeuge bringen?

Stadler: Der Audi A4 Avant ist zusammen mit der Limousine unsere volumenstärkste Baureihe. Wir haben nunmehr in der achten Generation ein Erfolgsprodukt hingestellt. Wir sind zutiefst überzeugt, dass uns dieses Fahrzeug helfen wird, in die nächste Wachstumsetappe einzumünden. Die eine Million Autos packen wir indes nicht nur mit dem A4, dafür haben wir noch viele andere Werttreiber, die uns vorwärts bringen.

Autogazette: Welchem Fahrzeug kommt zur Umsetzung der «Strategie 2015» die größte Bedeutung zu? Ist es der Kleinwagen A1, der 2010 kommen wird?

Stadler: Der A1 ist für uns der Einstieg ins Kleinwagensegment. Er hat jedoch von seinen Genen her einen absoluten Premium-Charakter und Premiumanspruch. Wir werden damit auch ein neues Segment mit etablieren. Wir gehen von einem jährlichen Absatz von rund 100.000 Einheiten aus.

Autogazette: Ist der A1 neben West-Europa auch ein Fahrzeug für die Wachstumsmärkte wie China oder Indien?

Stadler: Die Märkte für dieses Auto sind vor allem in Europa. Ob wir mit diesem Fahrzeug nach China gehen werden, lassen wir noch offen.

«200.000 Autos in USA bis 2015»

Der Audi A1 Foto: Audi

Autogazette: Der US-Markt hat Audi bislang nicht viel Freude bereitet. Welche Zielvorgaben hat Ihr neuer Vertriebsvorstand Peter Schwarzenbauer nach den 93.500 Fahrzeugen im Vorjahr erhalten?

Stadler: Wir hatten in USA 2007 unser bisher bestes Absatzergebnis. 1994 haben wir erst 12.000 Autos in den USA verkauft. Im letzten Jahr konnten wir in einem schwierigen Gesamtmarkt wachsen. Deshalb ist die Zielrichtung klar und nachvollziehbar: bis zum Jahr 2015 sollen es 200.000 Einheiten werden.

Autogazette: Herr Schwarzenbauer hat zuvor das Nordamerika-Geschäft von Porsche erfolgreich verantwortet. Nach seiner Berufung hieß es, er sei von Porsche zu Audi geschickt worden. Ist das richtig?

Stadler: Herr Schwarzenbauer war mein Wunschkandidat. Ich bin froh, dass wir ihn für Audi gewinnen konnten. Mit Blick auf unsere Wachstumsziele ist er eine wahre Trumpfkarte.

Autogazette: Porsche steht kurz vor der Übernahme der Mehrheit beim VW-Konzern. Befürchten Sie Auswirkungen auf Ihre Modellpolitik?

Stadler: Nein.

«Keine Kannibalisierungseffekte mit Porsche»

Autogazette: Sie sehen also keine Kannibalisierungseffekte zwischen Audi und Porsche?

Stadler: Nein, genau so wenig, wie es zwischen den anderen Marken im Konzern solche Effekte gibt. Wir haben eine klare Premiumstrategie formuliert. Die ist auch im Aufsichtsrat der VW AG verabschiedet worden. Damit ist der rote Faden für die Marschrichtung 2015 und die folgenden Jahre gelegt. Unsere Wettbewerber sind BMW und Mercedes.

«Warten nicht ab, was VW macht»

Rupert Stadler an der Seite von VW-Chef Martin Winterkorn (r.) Foto: dpa

Autogazette: Wie lange kann es sich Audi aufgrund des schwachen Dollarkurses eigentlich noch leisten, kein Werk in den USA zu haben?

Stadler: Ein Werk in den USA ist keine Lösung, um ausschließlich einem temporären Wechselkursproblem zu begegnen. Da muss man schon weiter denken, damit es langfristig ein Erfolg wird. Genau deshalb machen wir uns auch so viele Gedanken darüber, wie eine solche Fertigung aussehen müsste, damit sie auch in zehn oder zwanzig Jahren Eine solche Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen.

Autogazette: Sie warten also die Entscheidung von VW zum Bau eines Werkes ab, die in den nächsten Monaten fallen soll?

Stadler: Wir warten nicht ab, was VW macht und diskutieren dann erst, das tun wir heute schon. Aber wir müssen uns heute noch nicht entscheiden. Wenn es eine gute Alternative innerhalb des VW-Konzerns gibt, nehmen wir diese wahr. Wenn wir meinen, dass sich auch ein Audi-Standort allein rechnet, dann entscheiden wir uns dafür.

«Jeder muss seinen Beitrag leisten»

Das Audi A3 Cabrio Foto: Audi

Autogazette: Die EU-Kommission plant die Hersteller mit einer Strafsteuer zu belegen, die bis 2012 den CO2-Grenzwert von 120 g/km überschreiten. Sehen Sie da noch Verhandlungsspielraum mit der EU?

Stadler: Es ist noch nichts festgelegt, es ist noch nichts beschlossen worden. Ich denke, dass man in Brüssel über unsere nationalen Argumente nachdenkt.

Autogazette: Kann Klimaschutz funktionieren, wenn vor allem Premiumhersteller belastet werden, Volumenhersteller indes kaum?

Stadler: Wenn es das originäre Ziel ist, das Klima zu verbessern, muss jeder seinen Beitrag leisten. Jedes Gramm C02 weniger wiegt gleich schwer und hilft gleich viel. Sie haben recht: Ohne einen Beitrag des Volumensegments werden wir keine spürbare CO2-Minderung erreichen, selbst dann nicht, wenn man das Premiumsegment abschaffen würde.

Autogazette: Würden Sie sagen, dass von einigen EU-Politikern unter dem Deckmantel des Umweltschutzes auch Industriepolitik zu Lasten der deutschen Hersteller gemacht wird?

Stadler: Ich habe dieses Gefühl manchmal, bin aber zuversichtlich, dass letztlich der Umweltschutz gewinnt und nicht einzelne nationale Interessen.

Das Interview mit Rupert Stadler führte Frank Mertens

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