«Opel darf nicht vom Markt verschwinden»

Interview Skoda-Chef Reinhard Jung

Skoda hat angesichts der Krise in der Autobranche seine Absatzziele revidiert. Im Interview mit der Autogazette spricht Unternehmenschef Reinhard Jung über Opel, die Abwrackprämie, den Boommarkt China und neue Modelle.

Skoda-Chef Reinhard Jung hat vor einem Einstieg des Staates beim Autobauer Opel gewarnt. «Wenn es sich vermeiden lässt, sollte der Staat nicht bei Unternehmen einsteigen. Wir müssen nicht zu einer Situation zurückkehren, die wir zu sozialistischen Zeiten in Ostdeutschland hatten», sagte Jung im Interview mit der Autogazette.

«Hoffe auf eine wirtschaftliche Lösung»

Aus Sicht der Autoindustrie könne es jedoch nicht sein, dass ein Unternehmen wie Opel abrupt vom Markt verschwindet, sagte der 58 Jahre alte Manager. «Insofern hoffe ich, dass es eine aus wirtschaftlicher Sicht getragene Lösung gibt.»

«Aufträge um das Sechsfache gestiegen»

Der Skoda Fabia Foto: Skoda

Autogazette: Herr Jung, der Verband der Automobilindustrie hat seine Absatzprognose für 2009 von 2,9 Millionen auf drei Millionen Fahrzeuge aufgrund der Abwrackprämie korrigiert. Kann das Jahr nicht noch besser werden?

Reinhard Jung: Die Abwrackprämie hat uns ohne Frage geholfen, die Konjunkturdelle in der Automobilindustrie zu überbrücken. Unsere Auftragseingänge sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich besser. Beim Fabia und beim Roomster sind sie in den vergangenen fünf Wochen um das Fünf- bis Sechsfache gestiegen.

Autogazette: Kann die Abwrackprämie zu einer nachhaltigen Verbesserung der Absatzsituation beitragen?

Jung: Es gibt sicher vorgezogene Verkäufe. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Hälfte der Verkäufe Zusatzverkäufe sind. Es kommen Kunden in die Showrooms, die ohne Abwrackprämie nicht gekommen wären. Entsprechend wird es ein Zusatzvolumen geben. Die spannende Frage wird sein, ob es ein Niveau von 3,1 oder sogar von 3,2 Millionen erreicht.

Autogazette: Auch Opel profitiert von der Entwicklung auf dem Markt, benötigt aber zum Überleben einen Kapitalbedarf von 3,3 Milliarden Euro. Sollte die Bundesregierung hier mit einer Staatsbürgschaft helfen?

Jung: Aus Sicht der Autoindustrie kann es natürlich nicht sein, dass ein Hersteller wie Opel abrupt vom Markt verschwindet. Insofern hoffe ich, dass es eine aus wirtschaftlicher Sicht getragene Lösung gibt. Allerdings würde sich mit einem Einstieg der Bundesregierung in einzelne Industriezweige ein Weg eröffnen, der nicht in jedem Fall zu Ende gegangen werden kann.

Autogazette: Neben einen Staatsbürgschaft käme auch ein Einstieg von Bund und Ländern in Frage. Gibt es eine Variante, die Ihnen sympathischer ist?

Jung: Wenn es sich vermeiden lässt, sollte der Staat nicht bei Unternehmen einsteigen. Wir müssen nicht zu einer Situation zurückkehren, die wir zu sozialistischen Zeiten in Ostdeutschland hatten. Wie bekannt, ist beim VW-Konzern das Land Niedersachsen beteiligt, und mit dieser Beteiligung ist das Unternehmen in den zurückliegenden Jahren nicht schlecht gefahren. Doch für die Stabilität des Konzerns ist es noch wichtiger, dass ein Unternehmen wie Porsche eingestiegen ist.

Autogazette: Würde eine Staatsbürgschaft zu einer Wettbewerbsverzerrung führen?

Jung: Eine Kapitalgarantie des Staates würde nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. Das Geld gibt es ja nicht umsonst. Die entscheidende Frage ist aber, wie man dann mit den vielen mittelständischen Betrieben umgeht.

«Tiefgreifende Restrukturierung nötig»

Der Skoda Roomster Foto: Skoda

Autogazette: Saab hat als erster Hersteller Insolvenz angemeldet. Rechnen Sie damit, dass noch andere Hersteller in diesem Krisenjahr in die Insolvenz gehen müssen?

Jung: Wie die Situation der großen Player in den USA sich darstellt, entzieht sich meiner Kenntnis. Persönlich glaube ich aber, dass zum Überleben eine tiefgreifende Restrukturierung unumgänglich ist.

Autogazette: Skoda konnte 2008 der Absatzkrise mit 674.500 verkauften Fahrzeugen erneut trotzen und schrieb ein Plus von 7,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mit welchem Absatz rechnen Sie in diesem Jahr?

Jung: Auch wir haben erhebliche Einbußen durch die Gesamtmarktsituation erlitten. So gab es auch in den ersten beiden Monaten dieses Jahres erhebliche Einbrüche, die scheinen sich allerdings wieder zu stabilisieren. Aber eine Prognose zu stellen, ist nicht möglich.

Autogazette: Rechnen Sie vor dem Hintergrund der Abwrackprämie mit Verbesserung der Absatzzahl aus 2008?

Jung: Ich glaube nicht, dass es uns aufgrund der Gesamtmarktsituation gelingt, einen Zuwachs zum Vorjahresergebnis zu erzielen. Der Rückgang auf den europäischen Märkten liegt bei rund 25 Prozent. Unser Ziel ist es aber, den Marktanteil zu steigern.

Autogazette: Ende 2007 sagten Sie, dass Sie frühestens 2010, spätestens aber bis 2012 das Ziel erreichen wollten, eine Million Skodas zu bauen. Müssen Sie die Aussage revidieren?

Jung: Wie schnell wir zur ursprünglichen Planung zurückkommen können, ist ganz schwer zu sagen. Ich glaube, dass wir dazu zwei bis drei Jahre brauchen, um die Folgen dieser tiefgreifenden Krise ausgleichen zu können.

«Eine Million Autos nicht bis 2011»

Der Skoda Yeti Foto: dpa

Autogazette: Also muss das Ziel revidiert werden?

Jung: Es wird uns nicht gelingen, bis 2011 eine Million Autos zu bauen.

Autogazette: Wie viele Autos wollen Sie 2009 in China verkaufen, nachdem Skoda im Vorjahr dort etwas mehr als 59.000 Autos abgesetzt hat, was einem Plus von 117 Prozent zu 2007 entspricht?

Jung: Der chinesische Markt ist noch stabil. Hier können wir in absoluten Zahlen und in Marktanteilen noch deutlich wachsen. Nachdem wir dort bereits den Fabia und Octavia anbieten, kommt Mitte des Jahres auch noch der Superb. Unser Wachstum in China sollte damit deutlich im zweistelligen Bereich liegen.

Autogazette: Geht das genauer?

Jung: Ich gehe von einer Steigerung von 50 Prozent aus. In absoluten Zahlen rechne ich mit rund 90.000 verkauften Fahrzeugen.

«China wird den deutschen Markt überflügeln»

Autogazette: Bislang ist Deutschland mit 121.000 verkauften Autos in 2008 der wichtigste Markt für Skoda. Wird sich das mittelfristig mit Blick nach China verschieben?

Jung: Ja, ich denke schon. China wird in zwei, drei Jahren den deutschen Markt mit Blick auf die Skoda-Verkaufszahlen überflügelt haben.

Autogazette: Wie sicher sind die Arbeitsplätze bei Skoda, nachdem auch Sie die Produktion zurückfahren mussten und sich von Leiharbeitern getrennt haben?

Jung: Die Verkaufssituation hat uns im Januar und auch in den ersten Wochen des Februars gezwungen, eine Viertage-Woche in unseren Werken zu fahren. Doch das ist bereinigt. Wir arbeiten wieder an fünf Tagen und wir sehen eher die Chance, an der einen oder anderen Stelle wieder aufzustocken.

Autogazette: Sie wollen also wieder Mitarbeiter einstellen?

Jung: Die Fertigung des Yeti erfolgt in unserem Werk in Kvasiny, dort müssen wir entsprechend die Personalsituation verbessern.

«Yeti soll unter 20.000 Euro kosten»

Autogazette: Wie teuer wird denn der Yeti werden?

Jung: Das Ziel ist, dass er unter 20.000 Euro liegt, den genauen Preis werden wir noch kommunizieren.

Autogazette: Wann kommt er auf den Markt?

Jung: Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte.

«Kleinstwagen kommt 2011»

Der VW Up Foto: Volkswagen

Autogazette: Das Kleinstwagensegment boomt, doch Skoda hat hier nichts anzubieten. Wann kommt ein VW Up auf Skoda getrimmt?

Jung: Wir sind da in einem engen Zusammenarbeit mit VW. Es hat sich an dem Auto ja noch einiges geändert, was uns sehr entgegenkommt. Ich gehe davon aus, dass wir 2011 auf Basis des Up einen Kleinstwagen im Angebot haben werden.

Autogazette: Es wurde diskutiert, dass der VW Up von Skoda im Werk Vrachlabí produziert werden soll. Wie weit sind hier die Diskussionen schon gediehen?

Jung: Die Entscheidung liegt bei VW. Wo das Auto gebaut wird, steht noch nicht fest.

Autogazette: Ärgert es Sie, dass man nur Sprit sparende Greenline-Modelle im Angebot hat, seinen Kunden aber keine Alternativen Antriebstechnologien anbieten kann?

Jung: Nein. Selbst wenn der Konzern andere Technologien anzubieten hätte, wäre es nicht Aufgabe von Skoda, diese Technologien voranzubringen. Wir müssen hier nicht der Erste sein. Das Thema Hybrid und Elektroantriebe schäumt immer wieder hoch, um dann wieder zu verebben. Wir bieten so etwas dem Kunden erst dann an, wenn es ausgereift ist.

Das Interview mit Reinhard Jung führte Frank Mertens

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