«Kiss my Astra»

Erstmals seit über drei Jahrzehnten wird wieder ein Opel in die USA geliefert. Mit dem Astra will die GM-Tochter Saturn vor allem Kunden der asiatischen Konkurrenz und von VW gewinnen.

Von Frank Mertens, San Diego

«Yes. It´s a Saturn.» Ja, es ist ein Saturn. Die Werbebotschaft des zum GM-Konzern gehörenden US-amerikanischen Autobauers ist klar: Seht her, wir bauen attraktive Fahrzeuge. Doch bislang konnte die Saturn-Kundschaft davon nur in geringem Maße überzeugt werden. Im zurückliegenden Jahr 2006 verkaufte die GM-Tochter nur knapp 206.000 Fahrzeuge. Mit der Erweiterung der Produktpalette soll der Absatz mittelfristig aber erhöht werden, sagt Saturn-Chef Jill Lajdziak in San Diego.

Rückkehr nach 33 Jahren

Dass dies gelingen kann, zeigt das laufende Jahr. Bis dato konnte Saturn schon 222.000 Autos absetzen. Im bevorstehenden Jahr sollen es deutlich mehr werden. Dazu beitragen soll der Opel Astra, der ab Ende des Jahres auf dem US-Markt als Saturn Astra angeboten wird. Damit kommt erstmals nach 33 Jahren wieder ein Opel in großer Stückzahl auf den US-Markt. Damals hatten die Rüsselsheimer den GT sowie die Modelle Manta und Astra in die Staaten verschifft. Der letzte in den USA verkaufte Opel war indes ein Omega, der vor einigen Jahren als Cadillac Catera in den Staaten angeboten wurde.

Jill Lajdziak Foto: AG/Mertens

Vom Astra, der im belgischen Opel-Werk in Antwerpen produziert wird, sollen nach Worten von Opel-Chef Hans Demant pro Jahr 45.000 Einheiten gebaut werden. Der Export des Fahrzeugs stellt wegen des starken Eurokurses für den Konzern eine Herausforderung dar. «Doch wir werden mit dem Astra nicht unprofitabel sein», glaubt Demant. Weiter steigen sollte der Euro gegenüber dem Dollar aber nicht. Denn dann würde der Export des Astra auf den US-Markt zu einem «Wohltätigkeitsprojekt» werden, wie GM-Vizepräsident Bob Lutz anmerkt. Perspektivisch werde es ohnehin so sein, dass Fahrzeuge auch dort gebaut werden, wo sie verkauft werden. Der Bau eines Werkes mache jedoch erst ab 250.000 Einheiten Sinn, fügt Lutz hinzu.

Enge Zusammenarbeit

Ein Saturn Aura auf der Hebebühne Foto: AG/Mertens

Dass nach dem Astra weitere Fahrzeuge folgen werden, sei klar. «Saturn und Opel werden sich zukünftig alle Modelle teilen», teilt Lutz mit. Entsprechend fallen für den Konzern weniger Entwicklungskosten an. Wäre ein Fahrzeug wie der Astra extra für Saturn entwickelt worden, wären Kosten zwischen 800 und 900 Millionen Dollar angefallen. So sind es gerade einmal 100 Millionen. Die Kooperation mit Saturn ist jedoch nicht einseitig, auch die Rüsselsheimer profitieren. So bietet Opel den in den USA gebauten Roadster Saturn Sky auf dem heimischen Markt als GT an. Der Sky ist im Produktportfolio von Saturn das sportlichste Modell. «Er soll, wie jetzt auch der Astra, jüngere Kunden an unsere Marke heranführen», sagt Lajdziak.

Das Durchschnittsalter des Saturn-Kunden liegt derzeit bei rund 51 Jahren. Autos mit europäischem Design und europäischer Technik würden die Kunden in den USA besonders ansprechen, sagt Lajdziak. Stimmt das? Scheinbar, auch wenn die Aussage von Dan Kuzcon(73) nicht repräsentativ ist. «Ja, das Auto gefällt mir, es sieht wirklich gut aus.» Kuzcon ist Rentner und blieb nach seiner Runde auf Rollerblades entlang der Strandpromenade in San Diego interessiert am Astra stehen.

Einige hundert Vorbestellungen

Saturn-Händler Tony Rosenbum Foto: AG/Mertens

Für den Astra, der als Drei- und Fünftürer mit dem 1.8 Liter-Motor angeboten wird, liegen kurz vor dem Marktstart einige Hundert Vorbestellungen vor, wie Lajdziak erzählt. Das ist nicht viel - doch Lajdziak ist damit zufrieden. Angeboten wird der dreitürige Astra in den USA für 12.570 Euro (18.495 US-Dollar), in Deutschland kostet er 19.295 Euro. Für Kuzcon ist dies ein ausgesprochen attraktives Angebot. Er selbst hatte den Preis auf 22.000 US-Dollar geschätzt. Kaufen würde er sich den Saturn Astra indes nicht, er bleibt lieber bei seinem SUV.

Für Jill Lajdziak liegt hierin dann auch eine ihrer Hauptaufgaben: Die 50 Jahre alte Managerin muss potenzielle Kunden zum Kauf eines Saturn animieren. Die Slogans der Kampagne sind frech, einer heißt: «Kiss my Astra». Die Marke Saturn muss bekannter werden. Neulich, so sagte Bob Lutz, der große alte Mann der Automobilindustrie, sei er von Bekannten gefragt worden, welches Auto sie sich kaufen sollten. «Ich sagte Ihnen: Einen Saturn Aura. Doch sie fragten mich: Was für ein Auto?» Dabei ist der Aura in den USA zum «Auto des Jahres» gekürt worden. Der Aura wird von Saturn auch als Hybrid angeboten. «Für ihn entscheiden sich rund zehn Prozent unserer Kunden», erzählt Lajdziak.

440 Händler

Der Saturn Sky Foto: AG/Mertens

Saturn verfügt in den USA gerade einmal über 440 Händler. Doch mehr sollen es nicht werden, sagt Lajdziak. Ihre Händler jedenfalls haben schwere Zeiten hinter sich. Vor über zehn Jahren hatte die Marke nur eine einzige Modellreihe im Angebot, die L-Series. Entsprechend freuen sich die Händler über jedes neue Auto. Mittlerweile sind es zusammen mit dem Astra sechs, darunter befindet sich auch der Vue, ein Ableger des Opel Antara.

Bob Lutz Foto: dpa

Bei der Kundengewinnung setzt Saturn auf Individualität. Dazu gehört, dass der Wagen für Testfahrten vom Händler gebracht und auch wieder abgeholt werden. «Der Service steht bei uns ganz oben», sagt Lajdziak. Das unterstreicht auch Tony Rosenbum, ein ehemaliger Marine. Der 39-Jährige leitet das Saturn-Autohaus im kalifornischen Temecula. Rosenbum und seine 25 Mitarbeiter zelebrieren den Autokauf geradezu. Kunden, die bei ihm ein Auto kaufen, bekommen es feierlich überreicht. Bei der Abholung steht ihr neues Gefährt unter einem roten Tuch verdeckt und wird vor der Übergabe enthüllt.

Doch damit erschöpft sich die Händler-Kundenbindung nicht: Nach dem Autokauf können die Käufer ohne Voranmeldung zur Inspektion (Autowäsche inklusive) kommen, die nach 5000 Meilen fällig wird. «Wir wollen schließlich, dass unsere Kunden zufrieden sind und nicht nur ein Auto bei uns kaufen», so Rosenbum. Mit dem Astra versucht Saturn vor allem Fahrer asiatischer Hersteller und von Volkswagen zu gewinnen. Rosenbum jedenfalls ist optimistisch, dass das mit dem Astra gelingen wird.

Mäßiger Absatz

Slogan für den Saturn Foto: AG/Mertens

Mit dem Marktstart Ende des Jahres kann Lajdziak nur hoffen, dass die Attraktivität des Astra in den USA höher geschätzt wird als in Deutschland. Während sich das Auto in Europa beachtlich gut verkauft, ist der Absatz auf dem Heimatmarkt nur mäßig. So entschieden sich in Deutschland in den ersten zehn Monaten des Jahres nur etwas weniger als 69.000 Kunden für das Kompaktmodell der Rüsselsheimer. Das entspricht einem Rückgang zum Vorjahr von 24,1 Prozent.

Ein Saturn Outlook Foto: AG/Mertens

«Die Autos waren schon immer deutlich besser als das Image der Marke», sagt Bob Lutz. «Das ist für mich ein Rätsel, mit dem ich schon seit meiner ersten Opel-Zeit im Jahr 1965 kämpfe.» Doch so etwas sei auf dem Heimatmarkt einer Marke häufig anzutreffen. Als Beispiel nannte Lutz die Biermarke Löwenbräu, die er aus seiner Zeit bei BMW in München kennt. Seine Bekannten hätten ihn mit Nachdruck abgeraten, dieses Bier zu trinken, weil es zu Kopfschmerzen führe. «Doch außerhalb Deutschlands gilt Löwenbrau-Bier als hochangesehene Premiummarke.» Für den Marktstart des Astra in den USA sind das keine schlechten Vorzeichen. Vielleicht heißt es demnächst häufiger: «Yes, it´s a Saturn.»

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