Indianer des 21. Jahrhunderts

Offroad-Erprobung in Utah

Den Rubicon Trail am Lake Tahoe kennt jeder 4×4-Fan. Doch das spektakulärste Offroad-Paradies der USA befindet sich in der Moab-Wüste im Südwesten von Utah. Jeep testet seine Geländewagen hier im härtesten Geländeeinsatz.

Von Stefan Grundhoff

Martin G. Morse blickt fast schon gelangweilt auf den silbernen Jeep Commander, der sich gerade eine steile Felswand herunter quält. Der Pilot kann kaum etwas sehen, weil die Schnauze des Geländewagens fast senkrecht in den Sand sticht. Der Copilot hat die spektakuläre Schräglage längst verlassen und weist den Testfahrer Zentimeter für Zentimeter ein. Die Regelsysteme des Commander arbeiten auf Hochtouren und dank des erfahrenen Ingenieurs am Steuer zirkelt sich der zwei Tonnen schwere Geländewagen ohne größere Probleme durch den Trailparcours in 1.500 Metern Seehöhe. «Wir sind mehr als 30 Mal pro Jahr hier, um unsere Geländewagen auf Herz und Nieren zu testen», erzählt Martin G. Morse, bei Jeep für die Fahrzeugentwicklung zuständig, «für uns sind die Offroad-Strecken rund um Moab unerlässlich, um unsere neuen Fahrzeuge abzustimmen. Das geht nirgends besser.»

Seit mehr als 50 Jahren Testgebiet

«Jeep testet seine Autos hier schon mehr als 50 Jahre», ergänzt Thomas Hausch, Vizepräsident International Sales bei Chrysler, «mittlerweile hat sich Moab daher zu einem echten Jeep-Mekka entwickelt.» Wer das 5.000-Seelen-Nest im Südwesten des US-Bundesstaates Utah durchfährt, sieht schnell, dass die Gegend schon bessere Zeiten gesehen hat. Ehemals wurden hier in zahllosen Minen Edelmetalle abgebaut. Die einzigen Metalle, die es heute noch zu bestaunen gibt, haben zwei und vier Räder. An jeder Straßenecke im verschlafenen Moab gibt es Vermietungen von Geländewagen, Moto-Cross-Maschinen und Mountainbikes. Viele abenteuerlustige Freizeitsportler haben die Gegend rund um Moab, rund sechs Autostunden von Denver entfernt, längst zu einem ihrer Liebungsziele ausgemacht.

So lief der Tourismus dem Abbau von Bodenschätzen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts den Rang ab. Viele der Besucher müssen sich keinen eigenen Geländewagen mieten; sie kommen direkt mit dem eigenen Offroader oder ziehen ihn auf einem Trailer hinter sich her. Serienmodelle sieht man selten. Die meisten sind mit Spezialfahrwerken, Kletterreifen, Sperren und Winschen ausgestattet. Ehe sich die Freizeit-Allradler auf dem Colorado-Plateau breitgemacht haben, waren die Entwicklungsabteilungen einiger Geländewagenhersteller hier.

Tarnung erregt Aufmerksamkeit

Kein Weg ist zu steil Foto: Jeep

Allen voran das Allrad-Urgestein Jeep, die als robuster Chrysler-Ableger den amerikanischen Allradtraum leben, wie kein anderer. «Wenn wir mit Prototypen unterwegs sind, tragen die Fahrzeuge natürlich eine Camouflage-Tarnung. Dann ist die Aufmerksamkeit der Offroad-Fans natürlich besonders groß», erzählt Morse, «aber oft genug haben die Fahrzeuge auch neue Technik im bekannten Blechkleid. Dann merkt es sowieso keiner, was hier erprobt wird.»

In den kniffeligen Geländepassagen werden Fahrwerkskomponenten und Vierrad-Systeme den härtesten Praxistests unterzogen. Ähnliche Geländepassagen gibt es nur selten auf der Welt; unter anderem auf dem Schöckl in der Nähe von Graz und auf dem legendären Rubicon Trail am Lake Tahoe nahe Reno.

Happening zu Ostern

Immer weiter bergauf Foto: Jeep

Die abgeschliffenen Sandsteine auf den mehr als 30 offiziellen Trials haben es in sich. Auf den alten Versorgungswegen zu Uran-, Vanadium- und Kupferminen müssen die Klettergeräte zeigen, was sie können. Ohne genügend Bodenfreiheit, große Rampen- und Böschungswinkel oder einen exzellenten Allradantrieb geht da nichts. «An vielen Passagen kommt man nicht einmal zu Fuß hoch», so einer der Instruktoren aus Moab, «doch mit einem guten Allradler wie den Jeep Cherokee und entsprechendem Fahrkönnen ist das alles halb so wild.»

Das denken sich auch die mehr als 1.000 Jeep-Fahrer, die jedes Jahr zu Ostern mit ihren Fahrzeugen zur legendären Easter Safari nach Moab kommen. Ein paar Tage sein Können auf den harten Trial-Passagen testen, eingesäumt von Colorado River und imposanten Sandsteinfelsen. Die schimmern besonders am Morgen und am Abend in einem tiefen dunkelrot und geben der Region einen unvergleichlichen Charme. In der Umgebung liegen die Nationalparks Arches und Canyonlands sowie der Dead Horse State Park und die grandiosen La Sal Mountains.

«Jedes Mal beeindruckt»

Da bleibt auch mal ein Rad in der Luft hängen Foto: Jeep

Für Martin G. Morse ist das alles nicht wirklich neu. «Doch auch ich bin jedes Mal beeindruckt, wenn wir wieder zum Testen hier sind. Und ich weiß, wenn unserer Fahrzeuge diese Strecken mit steilen Auf- und Abstiegen, Geröll und Verschränkungen packen, gehören sie zu den besten Allradautos der Welt.» Stolz verweist er dabei auf die Bergabfahrhilfe von Commander und Grand Cherokee, die insbesondere hier ihren Feinschliff bekam.

«Damit kann man die steilsten Passagen herab fahren, ohne den Fuß auf der Bremse zu haben. Es gibt zwar auch ein paar andere Allradmarken hier», so Morse weiter während er auf die Sedimentschichten des Navajo-Sandsteins blickt, «aber die allermeisten fahren einen Jeep - am besten einen Wrangler. Der ist hier nicht zu schlagen.»

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