«Hochzeit» GM-Renault-Nissan auf der Kippe

Der geplante Mega-Bund zwischen GM und Renault-Nissan steht auf einer wackligen Basis. Je näher der Startschuss kommt, umso mehr zögern die Amerikaner mit ihrer Zusage.

Von Hans-Hermann Nikolei

Der weltgrößte Konzernverbund aller Zeiten steht auf der Kippe, bevor er geschmiedet ist. Letzte Spitzengespräche sollen zur Pariser Automesse die Entscheidung bringen, ob das europäisch- asiatische Bündnis der Autokonzerne Renault/Nissan um den amerikanischen Branchenprimus General Motors mit dessen Tochter Opel erweitert wird. Der Dreierbund würde die Machtverhältnisse auf den Weltmärkten drastisch verschieben. Für Opel könnte es dann den Gewerkschaften zufolge «ums nackte Überleben» gehen. Doch je näher der Termin für den Startschuss am 15. Oktober rückt, desto mehr zaudern die Amerikaner.

Vorschusslorbeeren für Ghosn

Mit einem Absatz von mehr als 15 Millionen Autos würde der Verbund ein Viertel des Weltmarktes beherrschen und 327 Milliarden Dollar umsetzen. Seine Einkaufsmacht und seine kombinierten Vertriebskanäle und Entwicklungsabteilungen könnten der Konkurrenz und den Zulieferern das Fürchten lehren. Viele Marktexperten trauen dem Renault- und Nissan-Chef Carlos Ghosn zu, diesen Traum vom Kontinente umspannenden Weltkonzern zu verwirklichen, der für Daimler-Benz mit Chrysler und Mitsubishi zum Milliarden verschlingenden Albtraum mutierte. Denn der Nissan-Sanierer Ghosn gilt als Integrationsgenie, der Unterschiede in den Unternehmenskulturen produktiv nutzen kann.

«Ich weiß bereits, dass die Synergien spürbar wären», versichert Ghosn. Der Dreierbund könnte die Kosten senken, Investitionen und Innovationen teilen und damit kräftig die Gewinne steigern. An Ideen fehlt es nicht: Hybrid- und Elektroantriebe müssen entwickelt, neue Modellnischen erschlossen und Märkte wie Russland und Indien erobert werden. GM ist am Billigmodell Logan der Renault-Tochter Dacia interessiert, Nissan möchte unausgelastete GM-Werke in Amerika nutzen und Renault könnte mit Cadillac-Technik seine Produktpalette nach oben abrunden. In Europa könne eine Annäherung der Marken Renault und Opel Synergien schöpfen, meinen die Analysten von Natexis.

GM setzt auf Delphi

Doch die Amerikaner zögern. Diplomatisch versicherte GM-Finanzchef Fritz Henderson in Paris, Konzernexperten prüften «objektiv», ob eine Allianz «echten Mehrwert für GM-Aktionäre schaffen» würde. Für GM wäre das Bündnis das Ende einer Epoche. Seit Jahrzehnten gewohnt, die Nummer eins zu sein, wären die Amerikaner plötzlich das schwächste Glied im von Ghosn beherrschten Verbund. Anders als Renault und Nissan schreibt GM Milliardenverluste. Gemessen am Börsenwert ist GM ein Zwerg gegen Nissan, aber auch gegen Renault. GM-Chef Rick Wagoner hatte sich auf die Verlobungsgespräche eingelassen, weil der um seine Investition bangende GM-Großaktionär Kirk Kerkorian ihn dazu drängte. Selbst Ghosns Idee eines Einkaufsverbundes reizt Wagoner wenig: Er plant mit der früheren GM-Tochter Delphi.

Doch der in einem Insolvenzverfahren befindliche größte US-Autozulieferer hat selbst enorme Probleme. Er will sich bis Ende des Jahres von mehr als 70 Prozent seiner Belegschaft in der Produktion trennen. Insgesamt 20.100 der 27.500 Produktionsarbeiter würden mit Abfindungen von bis zu 140.000 US-Dollar oder Vorruhestandsregelungen aus dem Unternehmen ausscheiden, teilte Delphi am Mittwoch in Detroit mit.

Renault-Manager ungeduldig

Die Renault-Manager werden aber sichtbar ungeduldig. Renaults Stratege Patrick Pelata mahnt die Amerikaner, dringlichst ihre Probleme anzugehen, damit es für sie nicht noch schlimmer komme. Der hoch profitable Konzern Toyota sei schon dabei, an GM vorbeizuziehen. Und Ghosn warnt, er werde «beim kleinsten Risiko» auf das Bündnis verzichten. Der Dreierbund habe nur eine Chance, wenn die US-Manager «den gleichen Appetit» mitbrächten wie seine Teams.

Eine feindliche Übernahme von GM/Opel hat Ghosn ausgeschlossen. Finanziell wäre das für Renault/Nissan kein Problem. Doch dagegen spricht nicht nur Ghosns Credo, eine Fusion müsse von allen gewollt sein und die Identität jedes Partners bewahren, um Erfolg zu haben. Mit seinen hohen Sozialkosten und seinem Sanierungsbedarf könnte GM für Renault/Nissan schnell zum Milliardengrab werden.

Ford bietet sich an

Sollte sich die US-Braut am Ende verweigern oder als nicht attraktiv genug erweisen, wäre das für Renault/Nissan keine Katastrophe. Zumindest ein paar Kooperationsverträge dürften bei den Gesprächen abfallen. Und der zweite große US-Autokonzern, Ford, bietet sich Franzosen und Japanern bereits als Ersatzpartner an. (dpa)

Keine Beiträge vorhanden