Gedrängel an der Grenze

Deutsche Gebrauchte in Russland begehrt

Die russische Regierung will 2009 die Einfuhrzölle für ausländische Gebrauchtwagen deutlich erhöhen. Autohändler nehmen seit Anfang Dezember tagelange Strapazen auf sich.

Von Thoralf Plath und Stefan Voß

Bei allen Hiobsbotschaften für die deutschen Autobauer gibt es zumindest auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen kleinen Hoffnungsschimmer. Die gute Nachricht kommt aus dem Osten: Weil Russland für 2009 eine Erhöhung seiner Einfuhrzölle für ausländische Gebrauchtwagen um bis zu 30 Prozent plant, wollen sich viele Russen auf die Schnelle noch preisgünstig mit einem Wagen aus zweiter Hand versorgen. «Seit einigen Tagen spüren wir eine deutlich höhere Nachfrage aus Russland», berichtet ein Autohändler aus Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. 400 Kilometer weiter östlich, an der Grenze zwischen Polen und der russischen Exklave Kaliningrad, herrscht bereits der Ausnahmezustand.

Kilometerlange Staus

Vor den Checkpoints des Gebiets Kaliningrad, Russlands Vorposten zum Westen, stauen sich Hunderte Autos auf polnischer Seite kilometerweit ins Hinterland zurück. Sämtliche Wartespuren sind hoffnungslos überlastet. Im früheren nördlichen Ostpreußen sind die Zigarettenschmuggler an den Grenzübergängen hart im Nehmen. Aber seit ein paar Tagen bleiben die meisten von ihnen zu Hause. Denn an den beiden größten Grenzübergängen Bagrationowsk-Bezledy und Mamonowo- Gromowo stauten sich am letzten November-Wochenende zeitweise fast 1000 Autos. Es sind Gebrauchtwagen der Mittel- und Oberklasse, Mercedes, Audi und BMW. Viele haben Transitkennzeichen aus Deutschland, andere aus Holland, Belgien und Frankreich.

In den Autos sitzen übermüdete Kaliningrader Autohändler, die oft Tage warten müssen. Die Stimmung ist entsprechend gereizt. Nur mit Mühe konnten Grenzsoldaten in den ersten Dezembertagen an der Grenze in Bagrationowsk verhindern, dass die frustrierten Männer aus Protest sämtliche Ein- und Ausreisespuren dichtmachten. Wer schuld ist an dem Chaos, steht für die Wartenden fest: Ausnahmsweise steckt dahinter einmal nicht die bei den Russen verhasste polnische Grenzabfertigung. «Es ist unser eigener Zoll. Die bearbeiten fünfzig Autos am Tag, dreimal weniger als sonst», schimpft einer, der sich Jewgeni nennt und gerade einen zwei Jahre alten Ford Mondeo mit Nürnberger Ausfuhrkennzeichen über den Grenzübergang Mamonowo gebracht hat - nach dreieinhalb Tagen Wartezeit.

Schutz für einheimische Autoproduktion

Die Lage erinnert an die chaotischen Verhältnisse der 1990er Jahre. Damals belagerten zwischen Polen und Russland pendelnde Wodka- und Zigarettenschmuggler, Kleinhändler und Autoschieber die Kaliningrader Grenzübergänge.

Ausgelöst wurde die neue Blechlawine durch eine Ankündigung der russischen Regierung, die Einfuhrzölle für Gebrauchtwagen aus dem Ausland ab Anfang 2009 um bis zu 30 Prozent zu erhöhen. Die Maßnahme soll die einheimische Autoproduktion schützen - zumal inzwischen viele westliche Autokonzerne ihre Autos in Russland montieren lassen. Ab wann genau die neuen Zollsätze gelten sollen, weiß so recht noch niemand. Doch die Kaliningrader haben ihre Erfahrungen mit solchen Aussichten, und es sind keine guten. «Wenn Moskau sagt ab 2009, dann kann man damit rechnen, dass es schon Mitte Dezember losgeht», sagt LKW-Importeur Alexander Nefjodow. Die hektische Reaktion der Leute sei da nur logisch.

10.000 Wagen pro Woche

Das Gebiet Kaliningrad ist eine Drehscheibe für den russischen Gebrauchtwagenhandel. Der Automarkt in Borissowo gilt als einer der größten Osteuropas, auf dem riesigen Freigelände am Kaliningrader Stadtrand steht vom VW Golf bis zum Hummer-Geländewagen alles versammelt, was auch auf westlichen Straßen rollt. In Spitzenzeiten wechselten hier schon mehr als 10.000 Wagen pro Woche den Besitzer.

Autohändler aus ganz Russland kommen traditionell in das einstige Königsberg, um Nachschub zu ordern. Eine Branche aus Werkstätten und Ersatzteilläden lebt von dem Geschäft. Moskaus Plan, die Importsteuer zum Nutzen der eigenen Autoindustrie drastisch anzuheben, droht in Kaliningrad einen ganzen Wirtschaftszweig abzuwürgen. (dpa)

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