EU-Kommission klagt gegen VW-Gesetz

Genugtuung bei Porsche

Die EU-Kommission wird die Neufassung des VW-Gesetzes nicht billigen. Brüssel leitete juristische Schritte ein. Niedersachsens Ministerpräsident Wulff bedauerte den Schritt.

Die Neufassung des VW-Gesetzes wird von der EU-Kommission angegriffen. Wie die EU-Behörde am Donnerstag in Brüssel mitteilte, leitete sie dazu ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Berlin müsse das Vetorecht für das Land Niedersachsen bei Volkswagen abschaffen.

Der Sportwagenbauer Porsche hat mit Genugtuung auf die Entscheidung aus Brüssel reagiert, gegen die Neufassung des VW-Gesetzes vorzugehen. «Die EU-Kommission bestätigt unsere Rechtsauffassung», sagte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag in Stuttgart.

Streit eskaliert

Damit erreicht der seit Jahren dauernde Streit zwischen Berlin und Brüssel um das Schutzgesetz für Volkswagen einen neuen Höhepunkt. Das Bundeskabinett hatte die Neufassung Ende Mai beschlossen. Sie beinhaltet die Regelung, dass Niedersachsen mit 20 Prozent sein Vetorecht in der VW-Hauptversammlung behält. Nach dem Aktienrecht üblich sind 25 Prozent.

Das höchste EU-Gericht hatte 2007 die Vorschrift gekippt, wonach ein VW-Aktionär in der Hauptversammlung höchstens 20 Prozent der Stimmrechte ausüben kann - auch wenn er mehr Aktien besitzt. Brüssel pocht darauf, dass Berlin das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) komplett in nationales Recht umsetzt. Falls Berlin die Neufassung des fast 50 Jahre alten Gesetzes nicht ändert, kann die Kommission erneut beim EuGH klagen

Kritik vom Konzernbetriebsrat

Unterdessen hat der Konzernbetriebsrat von Volkswagen den Kurs der EU-Kommission im Streit um das VW-Gesetz scharf kritisiert und Brüssel zu einem Dialog aufgefordert. «Als direkt Betroffene erwarten wir, dass die Kommission uns anhört», sagte VW- Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh am Donnerstag in Wolfsburg. «Wir haben alle EU-Kommissare angeschrieben und ihnen deutlich gemacht, dass die Beschäftigten von Volkswagen nicht nachvollziehen können, warum man wichtige Schutzfunktionen für Arbeitnehmer angreift.»

Brüssel lehnt sich vehement gegen die Regelung, dass die Sperrminorität in der VW-Hauptversammlung nach der Neufassung des VW- Gesetzes weiterhin bei 20 Prozent liegen soll. Dies sichert dem Land Niedersachsen, das knapp über 20 Prozent an VW hält, ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen.

Osterloh kritisierte: «Wenn Brüssel vehement in die Grundfesten unserer sozialen Marktwirtschaft eingreift, dann muss man sich nicht wundern, wenn es gegenüber Europa eine zunehmend negative Stimmung gibt.» Das VW-Gesetz verbinde wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung.

«Arbeitnehmer brauchen Schutz»

Der Einstieg von Porsche bei VW zeige, dass das VW-Gesetz den freien Kapitalverkehr nicht behindere. «Das Arbeitnehmer trotzdem Schutz brauchen, zeigt das Versagen des Porsche-Managements bei der Übernahme», sagte Osterloh. Mit Hilfe der EU-Richtlinie zur Gründung von Europäischen Aktiengesellschaften wolle Porsche über Jahrzehnte gewachsene Arbeitnehmerrechte bei VW beschneiden.

Porsche besitzt rund 31 Prozent an VW und will seinen Anteil bis zum Herbst auf mehr als 50 Prozent ausbauen. Seit Monaten tobt allerdings ein Konflikt über die künftige Machtverteilung in einem Porsche/VW-Konzern. Porsche hält das VW-Gesetz für überflüssig und will die starke Stellung Niedersachsens bei VW beschränken.

Wulff bedauert Schritt

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff hatte bereits vor der Bekanntgabe der eingeleiteten rechtlichen Schritte durch die EU-Kommission gesagt, dass er diesen Schritt für «bedauerlich» halte. Die EU- Kommission sei derzeit offenbar nicht bereit und willens, den guten Argumenten der Bundesregierung zu folgen, erklärte der CDU-Politiker am Donnerstag in Hannover. In den nächsten acht Wochen gelte es, den Nachweis zu führen, dass das vom Bundeskabinett beschlossene VW- Gesetz die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober vergangenen Jahres «1:1» umsetze.

Durch das neue EU-Verfahren wegen des VW-Gesetzes drohen Deutschland hohe Strafzahlungen. Sollte Berlin im weiteren Verfahren nicht einlenken, könnte die EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ein Zwangsgeld in einer Größenordnung von etwa 100.000 Euro pro Tag beantragen. Diese Schätzung wurde am Donnerstag in Regierungskreisen genannt.

Die Berechnung der Höhe eines möglichen Zwangsgeldes sei wegen vieler Faktoren aber schwierig. Zu dieser Strafe wird es nach Einschätzung der Regierung aber erst gar nicht kommen. Die Antwort an Brüssel werde so überzeugend sein, dass es kein Zwangsgeld geben werde, hieß es. Die Einwände der Kommission gegen das neugefasste VW- Gesetz seien unbegründet. Der Gesetzentwurf von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) sei europarechtskonform. (dpa)

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