Dunkle Aussichten für Lancia

Die vergangenen Jahre waren keine guten für die Automobilindustrie. Etablierte Hersteller kamen ins Wanken und traditionsreiche Marken verschwanden sogar völlig. Besonders schlecht ist es scheinbar um die Zukunft der honorigen Fiat-Tochter Lancia bestellt.

Von Stefan Grundhoff

Viele traditionsreiche Marken gerieten in den vergangenen Jahrzehnten ins Trudeln. Simca, Talbot, Datsun oder zuletzt Rover und MG. Zumeist hatte kaum jemand befürchtet, dass derartige Traditionsmarken einmal in den automobilen Jagdgründen verschwinden würden. Ein ähnlicher Abstieg könnte Lancia drohen, die seit Jahren nichts nennenswertes auf die Beine bringen.

Luxus-Flop Thesis

Die überaus sehenswerte und elitäre Luxuslimousine Lancia Thesis war Anfang des dritten Jahrtausends einer der letzten Versuche, auf italienische Art Edelmarken wie Mercedes, Audi oder BMW zu folgen. Doch der Thesis floppte in ganz Europa - seither haben sich die Wolken über dem Lancia-Himmel weiter verfinstert.

Auch der szenige Minivan Musa als chicer Zwillingsbruder des Fiat Idea war kein schlechter Ansatz - klappte aber ebenso wenig wie der luxuriöse Lancia Phedra, der im Eurovan-Quartett ebenfalls kaum in Erscheinung trat.

Hoffnungsträger Ypsilon

Lancia Ypsilon Foto: Werk

So muss europaweit der Frauenversteher Lancia Ypsilon die Kohlen aus dem Feuer holen. Wie bei den anderen Lancia-Modellen der letzten Jahre wird sich auch bei dem coolen Cityflitzer niemand über sein Design beschweren. Aber es sind schon viele in Schönheit gestorben. Beim noblen Fiat-Ableger fehlt seit Jahren ein nachvollziehbares Konzept mit Zukunftsperspektiven. Die Autos sind alles andere als Publikumslieblinge, ein Marketing ist allenfalls wellenartig vorhanden und die Händler stehen schon lange nicht mehr hinter der Traditionsmarke von einst.

Bei vielen Fiat-Autohäusern sind die Lancia-Modelle sogar schon aus den Schauräumen verschwunden. Rund 80 Prozent der gerade noch 120.000 pro Jahr produzierten Neuwagen werden derzeit im Heimatland Italien verkauft. Der Großteil fällt auch hier auf den kleinen Lancia Ypsilon.

Kompaktklasse fehlt

Lancia Delta Integrale Foto: Werk

Was insbesondere fehlt, ist ein Fahrzeug in der Kompaktklasse. Die allzu wichtige Fahrzeugkategorie hat man jahrelang konsequent veröden lassen. Lifestyle-Renner wie ein Volvo C30, der 1er BMW oder ein Audi A3 Sportback würden exzellent zu einer Marke wie Lancia passen. Doch Ruhm und Rahm schöpft schon lange die Konkurrenz ab.

Den letzten Golf-Konkurrenten, den die erfolglosen Lancia-Verantwortlichen ins Rennen schickten, war der Delta. Er war europaweit nicht gerade ein Megaseller, hatte aber durch seine jahrelangen Erfolge im Rallyesport einen Ruf wie Donnerhall. Das Design war kantig, einzigartig und gewöhnungsbedürftig, doch jeder wusste, dass ein Delta Integrale HF auf der Straße mit Allradantrieb und Leistung satt zur grandiosen Spaßmaschine mutierte. Zuvor hatte Lancia im regelmäßigen Rhythmus wunderschöne und oftmals sogar charismatische Fahrzeuge hervorgebracht. Bestes Beispiel die Limousinen aus der Aurelia-Reihe oder der Fulvia aus den 60ern, der als Retro-Studie auf der IAA jüngst für viel Aufsehen sorgte.

100-jähriges Bestehen

Lancia Concept Delta HP Foto: Werk

In diesem Jahr feiert die seit 1969 in Fiat-Hand befindliche Automarke ihr 100jähriges Jubiläum. Gemerkt hat man in der Öffentlichkeit davon allzu wenig. Die Außenwirkung war gleich null, zumindest bis man mit der Studie des neuen Lancia Delta HPE einen Ausblick auf 2008 präsentierte. Wann genau und in welcher Form der neue Delta kommen wird, darauf sind längst nicht nur die Lancia-Fans gespannt. Überraschenderweise bekam die Studie zwar ihren traditionsreichen Namen (Delta), hat aber mit dem alten 80er-Jahre-Delta nicht den Hauch gemein.

Überraschenderweise tritt der HPE (steht für High Performance Estate) zwei Klassen höher als in den 80er Jahren an. Der Neue macht mit einer Gesamtlänge von rund 4,50 Metern und bevorzugten Dieselmotoren bis 200 PS auf Crossover-Lifestyle-Kombi. Das ist zuletzt schon beim größeren Fiat Croma mächtig in die Hose gegangen. Der Lancia Delta HPE ist elegant wie eh und je und soll mit einem gleichermaßen luxuriösen wie businessähnlichen Innenraumkonzept überzeugen. Alles schon einmal gehört würde sich wohl auch der legendäre Firmengründer Vincenzo Lancia denken.

Bleibt daher abzuwarten, wie sich Lancia als unscheinbarste Fiat-Marke in den nächsten Jahren entwickeln wird. Mit einem Ausblick auf einen sportlichen Fulvia und einen szenetauglichen Delta HPE ist es kaum getan. Es ist das Konzept, das nach wie vor große Lücken aufweist. Denn eines gilt es nicht zu vergessen: Schönheit allein reicht eben schon lange nicht mehr. Wer weiß das besser als eine Marke wie Lancia?

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