Der lange Arm des Ferdinand Piech

Mit einer Demonstration seiner Macht hat Aufsichtsratschef Piech VW-Chef Pischetsrieder rausgeschmissen. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Sanierung des angeschlagenen Konzerns erste Erfolge zeigt.

Von Marcus Gatzke

Wenn Kinder langsam erwachsen werden und eigene Ansichten entwickeln, gibt es in der Familie oft Streit - verstoßen wird der eigene Nachwuchs aber nur selten. Bei Volkswagen ist das anders: Der von Aufsichtsratschef Ferdinand Piech von BMW nach Wolfsburg geholte Bernd Pischetsrieder muss weichen. Und das schon zum Jahresende.

Dabei schien sich das Verhältnis zwischen den beiden Kontrahenten jüngst wieder etwas entspannt zu haben. Im Frühjahr hatte Piech noch in der Öffentlichkeit eine Vertragsverlängerung des Vorstandsvorsitzenden als «offene Frage» bezeichnet - und damit heftige Spekulationen über die Zukunft Pischetsrieders losgetreten.

VW-Chef bekommt noch lange Gehalt

Der Vertrag des seit 2002 an der VW-Spitze stehenden Pischetsrieder wurde trotzdem verlängert - bis 2012. Dieser Umstand sorgt zumindest dafür, dass der ehemalige BMW-Manager für die kommenden fünf Jahre auf der Gehaltsliste von VW steht, auch wenn er nicht mehr für den Automobilkonzern arbeitet. Insider sehen in der Verlängerung des Vertrages dann auch eine «vorgezogene Abfindungsverhandlung». Die Größenordnung dürfte bei 15 Millionen Euro liegen.

Über die Gründe der so abrupten Entlassung darf trefflich spekuliert werden. Hatte sich Pischetsrieder doch mit den Gewerkschaften, die ihn in den vergangenen Monaten immer wieder heftig kritisiert hatten, auf eine Verlängerung der Arbeitszeit geeinigt. Der Sanierungsplan bei Volkswagen nimmt damit langsam Form an. Der Absatz der angeschlagenen Kernmarke VW hat zudem deutlich angezogen. Die Erfolge spiegeln sich auch im Aktienkurs wider, der sich in den vergangenen zwölf Monaten nahezu verdoppelt hat.

Streit um Luxus-Strategie

Martin Winterkorn Foto: dpa

Die Sanierung von Volkswagen wurde notwendig, weil sich Pischetsrieders Vorgänger Piech eine kostspielige Expansionsstrategie geleistet hat. Besonders der Versuch, mit einem eigenen VW-Modell, dem Phaeton, in die Oberklasse vorzustoßen, erwies sich als teuer und wenig erfolgreich. Pischetsrieders Versuche, einen Strategiewechsel zu vollziehen, wurden von Piech mit den Worten kommentiert: «So abrupte Kurven fahren wir nicht.» Der Verkauf des Phaeton in den USA wurde trotzdem eingestellt - eine Stichelei des Vorstandschefs gegen Piech.

Letztlich den Ausschlag für den überraschenden Abschied gab offenbar die geplante Allianz mit MAN

und Scania. Für die Beteiligung an MAN von rund 20 Prozent hat Volkswagen tief in die Tasche greifen müssen. Scheitert das Dreier-Bündnis im Nutzfahrzeuggeschäft, in das Volkswagen das brasilianische Lkw-Geschäft einbringen will, könnte das für Volkswagen teuer werden - und das mitten in der Sanierung der Kearke VW.

Winterkorn Vertrauter von Piech

Als einziges Mitglied des Aufsichtsrates äußerte sich noch am Dienstagabend Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) - und dankte Pischetsrieder für seine gute Arbeit. Für Wulff, der in der Vergangenheit stets hinter Pischetsrieder stand, ist die Entwicklung auch eine persönliche Niederlage. Die Gewerkschaften hielten sich dagegen auffällig bedeckt.

Piech hat mit dem Rausschmiss seine Chance genutzt, mit Audi-Chef Martin Winterkorn einen langjährigen Vertrauten an die Spitze von Volkswagen zu heben. 2007, so hat es Piech versprochen, wird er nicht mehr für den Vorsitz im Aufsichtsrat von Volkswagen kandidieren.

Sein persönlicher Einfluss auf VW wird damit deutlich geringer, auch wenn der Auto-Konzern Porsche der von Piechs Familie kontrolliert wird und in dessen Aufsichtsrat er sitzt - größter Einzelaktionär bei Volkswagen ist. Aber vielleicht ändert Piech auch seine Meinung noch einmal - wenn Winterkorn zu selbstständig werden sollte.

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